Brandschutz:Laufkarten für Kunstretter

Brandschutz: In der Großen Galerie des Neuen Schlosses erklärt Susanne Rißmann (dritte von links), wie die zahlreichen Kunstwerke im Brandfall schnell gerettet werden. Doch nicht alles wird nach draußen gebracht, die Kronleuchter beispielsweise können nicht vollständig abmontiert werden.

In der Großen Galerie des Neuen Schlosses erklärt Susanne Rißmann (dritte von links), wie die zahlreichen Kunstwerke im Brandfall schnell gerettet werden. Doch nicht alles wird nach draußen gebracht, die Kronleuchter beispielsweise können nicht vollständig abmontiert werden.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Was passiert, wenn es im Neuen Schloss Schleißheim brennt? Susanne Rißmann hat zusammen mit der Feuerwehr einen Notfallplan erarbeitet, mit detaillierten Anweisungen für die Einsatzkräfte.

Von Anna-Maria Salmen, Oberschleißheim

Es sind Bilder, die man so schnell nicht vergisst: Am Abend des 15. April geht die Kathedrale Notre Dame in Paris in Flammen auf. Das Feuer breitet sich im Dachstuhl aus, kilometerweit sind die Rauchwolken zu sehen. Schockiert beobachten Schaulustige, wie der markante Vierungsturm zusammenbricht. Ein enormer Schaden entsteht, doch dank des Einsatzes der Feuerwehr kann ein Großteil der Kunstschätze rechtzeitig aus dem Innenraum der Kirche gerettet werden.

Nicht erst seit dem Brand in Paris sind derartige Szenarien hierzulande ein Thema. Denn Kunstschätze von bedeutendem Wert gibt es auch in den 45 Schlössern, Burgen und Residenzen der Bayerischen Schlösserverwaltung. Wie diese im Brandfall in Sicherheit gebracht werden, zeigte Restauratorin Susanne Rißmann am Wochenende beim Tag der Europäischen Restaurierung im Schleißheimer Schloss. "Für jedes Schloss gibt es bereits Evakuierungspläne für die Besucher", sagt sie.

Für die Kunstwerke allerdings gab es das bis vor ein paar Jahren noch nicht. Gemeinsam mit Unterschleißheims ehemaligem Feuerwehr-Kommandanten Hermann Bayer entwickelte Rißmann daher im Jahr 2016 ein System, das den Einsatzkräften beim Retten der Kunstschätze helfen soll.

Das "Herzstück" ihrer Arbeit ist auf den ersten Blick recht unscheinbar: Eine kleine Tür, die ein Schild mit der Aufschrift "Brandmeldezentrale" ziert. Hier beginnt im Notfall der Einsatz für die Feuerwehrleute. Sie erfahren zunächst, welcher der vielen Brandmelder im Schloss angeschlagen hat. Dann kommt Rißmanns Notfallplan ins Spiel.

Brandschutz: Jedes Kunstwerk besitzt eine eigene Karte, die Einsatzkräften hilft.

Jedes Kunstwerk besitzt eine eigene Karte, die Einsatzkräften hilft.

(Foto: Sebastian Gabriel)

"Wenn man hier einen Raum betritt, glitzert und glänzt erst einmal alles. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll", sagt die 41-Jährige. Um die Einsatzkräfte daher möglichst spontan zu instruieren, liegen in der Brandmeldezentrale Laufkarten bereit. Jeder Gegenstand, der aus dem brennenden Schloss gerettet werden muss, ist auf einer eigenen Karte vermerkt, gemeinsam mit Gebäudeplänen, eingezeichneten Laufwegen und einem Foto. Sortiert sind die Karten nach Prioritäten, damit die wertvollsten Kunstwerke zuerst in Sicherheit gebracht werden.

Zusätzlich geben die Karten den Feuerwehrleuten wichtige Hinweise: Wie schwer ist das Objekt? Wie montiert man es ab? Alles, was die Retter dafür benötigen, finden sie im Notfallmateriallager. Im Zwischengeschoss, wo in Barockzeiten die Bediensteten lebten, werden heute Werkzeuge sowie Verpackungsmaterial und Folien zum Abdecken von Gemälden aufbewahrt. Haben die Einsatzkräfte schließlich einen Gegenstand aus den Flammen im Neuen Schloss geholt, können sie ihn gegenüber im Alten Schloss deponieren.

Jedes Schloss ist anders

Es gibt viel zu beachten im Brandfall, zumal die Kunstschätze im Schleißheimer Schloss vielfältig sind. Nicht nur die zahlreichen Gemälde müssen gerettet werden, Möbel und Ausstattung sind ebenso wertvoll. Die Kronleuchter in der Großen Galerie können beispielsweise nicht vollständig von der Decke genommen werden, hier montieren die Einsatzkräfte einzelne Glasteile ab. Ähnliches gilt für die alten Tische: Da die Marmorplatten zu schwer sind, werden sie auf dem Boden abgelegt. Nur das vergoldete Holzgestell wird nach draußen getragen.

Dass nicht alles vor einem Feuer in Sicherheit gebracht werden kann, liegt zudem in der Natur des Schlosses: Viele Räume, wie beispielsweise das Vestibül mit den roten Marmorsäulen oder das weite Treppenhaus sind "Gesamtkunstwerke", so Rißmann. Genauso verhält es sich mit den Deckengemälden. Hier vertrauen die Restauratoren auf die fotografische Dokumentation, durch die vieles möglichst originalgetreu rekonstruiert werden könnte.

Trotz aller Vorbereitung für den Ernstfall - jeder Brand sollte vermieden werden. Nach dem Feuer in der Burg Trausnitz im Jahr 1961 hat die Bayerische Schlösserverwaltung daher in all ihren Baudenkmälern die Präventionsmaßnahmen verstärkt. Historische Kamine, die durch den Luftzug brandbeschleunigend wirken, wurden zugemauert, Brandmelder installiert, der Strom wird nun nachts abgeschaltet.

Von Rißmanns Notfallplan ist die Schlösserverwaltung begeistert. Bereits vor drei Jahren wurde das Konzept im Schleißheimer Schloss bei einer großen Übung getestet und überzeugte alle Beteiligten. Nach diesem Pilotprojekt erstellt die Restauratorin daher nun Laufkarten für jedes der 45 Schlösser. Derzeit arbeitet sie an Schloss Nymphenburg und der Münchner Residenz.

Auch für Schloss Neuschwanstein hat Rißmann bereits einen Plan erstellt - nur übergangsweise, da sich durch die laufenden Restaurierungen dort in der nächsten Zeit viel verändern wird. "Anfangs habe ich gedacht, so wie in Schleißheim machen wir das für jedes Schloss", erzählt Rißmann. Schnell merkte sie jedoch, dass jedes Baudenkmal seine Besonderheiten hat: So gebe es in Linderhof in Ettal lediglich ein Treppenhaus, in Neuschwanstein passe nur ein Löschfahrzeug auf den kleinen Vorplatz. Herausforderungen, die Rißmann jedoch gerne löst. Denn die Kunstschätze, die dank ihrer Pläne gerettet werden können, seien "unbezahlbar".

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