Botanischer Garten:Gärtner, bleib bei deinen Blumen

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Riesenbauten und Essevents locken in den USA Besucher in die Botanischen Gärten - in München braucht man das nicht.

Florian Fuchs

Der neue "canopy walk" ist eine Attraktion: eine Brücke, 182 Meter lang, 14 Meter hoch, gebaut von Baumwipfel zu Baumwipfel. Die Besucher des botanischen Gartens von Atlanta sind begeistert. Aber eigentlich haben sie gar keine Zeit, den Ausblick oben in der Baumkrone richtig zu genießen. Unten wartet ja die Freiluftküche. Chefköche, die der Park auch gerne mal aus fernen Städten einlädt, kreieren Menüs inmitten der botanischen Sammlung - natürlich nur mit feinsten, frischen und gesunden Zutaten. "Edible gardens" nennt sich dieses Konzept: Speisegärten.

Kunst im Botanischen Garten: Je nach Sonneneinstrahlung vefärbt sich das Gelb. (Foto: Robert Haas)

Gerade überrollt es die USA, die botanischen Gärten dort sind ganz verrückt nach neuen Attraktionen, die groß, teuer und spektakulär sind oder sich ums Essen drehen. Ehrentraud Bayer vom botanischen Garten in München lächelt, wenn sie so etwas hört. Den Trend mit dem Essen geht sie schon lange mit - etwas beschaulicher als in den USA ist es ihr aber doch lieber.

Bayer ist die leitende Sammlungsdirektorin der Anlage am Nymphenburger Park. Sie arbeitet in einem Haus, das außen mit wildem Wein bewachsen ist, und in dem innen die Holzdielen knarzen. "Ein botanischer Garten sollte schon ein botanischer Garten bleiben", sagt sie. Bayer findet es etwas seltsam, was sich ihre US-Kollegen so alles einfallen lassen.

Der Garten in Cleveland zum Beispiel: Der hat 2009 seine jährliche Blumenschau abgesagt und veranstaltet dieses Jahr dafür das "Ripe! Food & Garden Festival", das regional angebaute Nahrung anpreist - und von einer örtlichen Klinik sowie einer Supermarktkette gesponsert wird. Ein anderer hat sich gerade eine Kunstgalerie auf die Anlage gestellt und ein dritter hat für 1,3 Millionen Euro einen eigenen Park für Kinder angelegt. Da können die kleinen Besucher im Hühnerstall jetzt Eier auflesen.

So etwas würde im Botanischen Garten in München niemandem einfallen. "Wir wollen kein Jahrmarkt werden", sagt Renate Landfermann von den "Freunden des Botanischen Gartens", die den Park finanziell unterstützen. "Es gibt so viele Spielplätze, Vergnügungsparks und den Tierpark. Davon müssen wir uns doch abgrenzen, sonst würde ja bald alles gleich ausschauen", sagt Bayer.

In München werden also auch in Zukunft die Pflanzen im Vordergrund stehen. Die Kakteen und Wasserpflanzen im Gewächshaus, die Zierpflanzen im Schmuckhof gleich hinter dem Haupteingang und auch die Farne neben dem großen Teich im östlichen Teil der Anlage.

Trotzdem hat die Parkleitung schon lange begriffen, dass es nicht mehr reicht, nur ein paar Blumen auszustellen. 1992 hat der botanische Garten deshalb bereits begonnen, was heute in den USA zum Trend wird: Angebote zu Nutzpflanzen zu entwickeln. Damals feierte die Welt den 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas, und in München war ausgestellt, was die Europäer Kolumbus an Nutzpflanzen zu verdanken haben: nicht nur die Kartoffel, sondern auch die Tomate, den Paprika, Mais, die Kürbisse und Erdnüsse.

"Seitdem organisieren wir regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen", sagt Organisatorin Bayer. Ob es die Schokoladenwochen 2008 waren, bei der die Besucher Kakao sogar selbst verarbeiten durften. Oder ob es Galerien mit Gemälden waren, die einen Bezug zu Pflanzen haben.

Gerade stehen zwei Kunstwerke auf der Anlage: das Nymphäum, ein Brunnen aus Bambusrohren, und die Sonnenfänger-Installation, gelbe, runde Plexiglasscheiben, die hinter dem Café auf Stecken im Rasen platziert sind und je nach Sonnenlicht unterschiedlich strahlen. In der Winterhalle ist eine Ausstellung über Pflanzen aus Yunnan, Südwest-China, aufgebaut.

Das alles sind keine Millionenprojekte wie in den USA. Aber es sind Veranstaltungen, die die Leute anlocken. Der 22 Hektar große botanische Garten mit seinen mehr als 14.000 Pflanzenarten hat seit langem konstante Besucherzahlen, zwischen 330.000 und 400.000 im Jahr. Die Schwankungen sind wetterbedingt - ist es ein schöner Sommer, kommen mehr. Die Parks in den USA zählen jährlich 70 Millionen Besucher, befürchten aber einen Rückgang, deshalb die ganze Millionen-Offensive. Bayer und ihre Kollegen befürchten gar nichts. "Es läuft gut, und es deutet nichts darauf hin, dass es bald nicht mehr laufen würde", sagt die Münchner Sammlungsdirektorin, "wir haben eine Besucherstruktur, bei der unser Konzept ankommt."

Die meisten Gäste sind Senioren, Mütter mit kleinen Kindern oder Schulklassen. Der Park hat aus Bayers Sicht drei Aufgaben: Forschung, Bildung, zum Beispiel durch Ausstellungen, und Entspannung. "Wir suchen auch bewusst das Ruhige, wir wollen keine Hektik durch besonders spektakuläre neue Bauten." Und selbst wenn die Parkleitung wollte: Das Gelände steht unter Denkmalschutz.

Es wird also in näherer Zukunft kaum eine Hängebrücke geben im Botanischen Garten und es werden sich auch kaum Gleise einer Mini-Eisenbahn durch die Beete schlängeln. Eine große Attraktion hat aber auch der Münchner Garten: Die Schmetterlingsschau, die es seit 1997 jeden Winter im Wasserpflanzenhaus gibt. Dort flattern meist von Dezember bis März exotische Schmetterlinge zwischen exotischen Pflanzen - und die Besucher sind hautnah dran. Da werden dann auch so manche US-Parks neidisch.

© SZ vom 16.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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