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Verordnung zum Bootfahren auf der Isar:Fertig machen zum Entern

Auf der Isar heißt es wieder: Leinen los. Doch eine Verordnung könnte dem wilden Treiben von Ausflüglern mit Booten bald Grenzen setzen.

Von David Costanzo und Martin Mühlfenzl, Schäftlarn/Wolfratshausen

Von der Isarbrücke bei Grünwald bietet sich ein besonders schöner Blick auf die lang gezogenen Kiesbank und den Fluss, der hier eine leichte Biegung vollzieht. Wenn das Wetter passt, wird dieser Bereich wieder zum Freizeitparadies für Sonnenanbeter und natürlich Schlauchboot- und Kanu-Begeisterte. Viele von ihnen legen hier mit ihren Gefährten an und gönnen sich eine Pause.

Die Fahrt beginnt meist in Wolfratshausen, und dort haben es viele recht eilig. So wie die junge Familie mit dem Grundschulkind, die Fluss-Betreuer Fabian Unger vom Landesbund für Vogelschutz im vergangenen Jahr beobachtet hat: Schlauchboot vom Discounter unterm Arm, originalverpackt, wer weiß, ob sie schon jemals auf dem Wasser waren und wie gut das Kind schwimmen kann. Sie zerreißen den Karton, pumpen das Gummigefährt auf, gehen an Deck und ab auf die Isar. Die Verpackung lassen sie am Ufer liegen.

Szenen wie diese sind kein Einzelfall. An 20 Tagen hat Unger 2016 einen Informationsstand an der Marienbrücke in Wolfratshausen aufgebaut, eine der beliebtesten Einstiegsstellen für die Freizeitkapitäne. Hier lassen sie ihre Schlauchboote zu Wasser und sich die vier, fünf Stunden Richtung München über Kloster Schäftlarn, Pullach und Grünwald treiben, meist ohne Rettungsweste und ohne einen Schimmer von Huchen oder Flussuferläufer - dafür mit ordentlich Bier im Beiboot.

Eine Verordnung gegen das wilde Treiben

Von Mai an heißt es wieder: Leinen los. Die Behörden im Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen aber wollen dem wilden Treiben auf der Isar nicht länger tatenlos zusehen. Das dortige Landratsamt arbeitet derzeit an einer Bootsverordnung - Verbote sind nicht ausgeschlossen. "Wir werden um Einschränkungen nicht herumkommen", sagt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). Derzeit sammelt die Behörde Informationen über die Isarschifffahrt, dann werden Verbände und Anbieter gehört - ein Entwurf soll breit diskutiert werden. Niedermaier weiß, dass er damit nicht nur den Applaus der Naturschützer bekommen wird, sondern auch den Unmut der Skipper. "Wir müssen uns wegen unserer Landschaft dieser Diskussion stellen", sagt er. "An den Wochenenden sind einfach zu viele Menschen unterwegs."

Der Isartalverein hat an einem Julitag im vorigen Jahr am Kloster Schäftlarn innerhalb von nur zwei Stunden 130 schwimmende Gerätschaften gezählt - vom Faltboot bis zur Luftmatratze sei alles vertreten gewesen. Kinder seien mit und ohne Schwimmweste unterwegs gewesen. Im August musste der Fluss mehrfach für Boote gesperrt werden, nachdem Feuerwehr und Wasserwacht einige Menschen aus dem lebensgefährlichen Hochwasser retten mussten. Spätestens seither war man sich mit dem Verein "Rettet die Isar" und Naturschützern einig: So kann es nicht weitergehen.

Landrat Göbel rät zur Zurückhaltung

Der Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU) dagegen sagt, dass eine Bootsverordnung aus seiner Sicht "nicht benötigt" werde. "Es ist ja schon heute so: Wenn es gewisse Gefährdungslagen wie etwa ein Hochwasser gibt, kommt es automatisch zu einem Verbot", sagt Göbel. Darüber hinaus müsse der Landkreis ohnehin in bestimmten Abständen kontrollieren, ob an der Isar alle Regeln eingehalten würden: "Das reicht vollkommen aus." Dennoch befinde er sich derzeit auch in Gesprächen mit der Landeshauptstadt, ob eine Bootsverordnung Sinn ergeben könne. Aus dem Münchner Rathaus kommen Signale, dass die Stadt die Einführung einer solchen Regelung eher befürworten würde.

Karl Probst sieht sich nicht nur bestätigt. Dass die Politik in Bad Tölz so schnell reagiert, damit hat der Vorsitzende des Lenggrieser Vereins "Rettet die Isar" nicht gerechnet. Das sei mutig, zeige aber auch die Notwendigkeit so einer Verordnung, wie es sie schon lange etwa an der Ammer gibt. "Niemand soll vom Fluss ausgesperrt werden", sagt Probst. "Aber bei dieser Masse bedarf es gewisser Regularien." Seiner Ansicht nach sollte Bootfahren auch für Privatleute generell nur zwischen Mai und September zulässig sein, um die Fische in der Laichzeit und die Vögel während der Brut zu schonen. An der Oberen Isar zwischen Wallgau und Sylvensteinspeicher sollte es ein komplettes Verbot geben. Das Landratsamt solle prüfen, ob es auf dem Rest des Flusses eine Obergrenze für Boote setzen kann. Der Isartalverein fordert zudem eine Schwimmwesten-Pflicht für Kinder und - da ein Alkoholverbot am Fluss wohl nicht zulässig sei - zumindest ein Verbot von Glasflaschen.

Alarmierte Kanuten

Der Tölzer Landrat Niedermaier legt sich noch nicht fest und überlässt die Details seinen Juristen. Auf die kommt viel Arbeit zu, denn am Fluss tummeln sich ja nicht nur halsbrecherische Wildwasserabenteurer, sondern in der Mehrzahl vernünftige Bootfahrer, Badegäste, Mountainbiker und Wanderer. "Einschränkungen beeinträchtigen natürlich auch diejenigen, die es vernünftig machen", sagt Niedermaier. Die Kanuten sind bereits alarmiert. "Es kann nicht sein, dass Massen privater Schlauchboote die Isar nutzen und wir leiden darunter", sagt Rolf Renner vom Kanuverband. Die Sportler stellen die kleinste und in ihren Augen unschädlichste Gruppe auf dem Fluss. Schon vor 20 Jahren hat der Verband dazu eine Studie vorgelegt, nun fordert er eine detaillierte Zählung aller Nutzer. Das Tölzer Landratsamt solle die kommerziellen Anbieter regulieren, etwa durch eine Lizenzierung, auch wenn die Rafting-Unternehmen nicht das größte Problem darstellten. Das sieht auch der Tölzer Landrat so.

Niedermaier ist einmal inkognito bei einer Tour mit einem Münchner Anbieter mitgefahren. Da habe alles gestimmt: Die Gäste mussten Neopren-Anzug, Schwimmweste und Helm tragen. Die Guides hätten genaue Verhaltensregeln vorgegeben und Flora und Fauna erklärt.

Die Sport-Piraten sind so ein Münchner Anbieter. 5000 Kunden haben sie im vergangenen Jahr die Isar zwischen Lenggries und München hinuntergefahren. Beim Tubing etwa geht es mit Schlauchreifen und Paddel aufs Wasser. Der Rest der Saison sei schon "sehr gut gebucht", sagt Geschäftsführer David Burger. Das Unternehmen sperrt sich nicht gegen eine Verordnung, es hält sich an eine freiwillige Selbstverpflichtung und hatte erst am vorigen Wochenende zwölf Guides bei der Schulung in der Jugendsiedlung Hochland, die erstmals einen Öko-Abschnitt umfasst. "Wenn es die Sicherheit erhöht und den Naturschutz wahrt, ist eine Verordnung sinnvoll", sagt Burger. Der 39-Jährige hofft auch, eine Regelung könne den Markt regulieren. "Bislang kann sich jeder Hinz und Kunz zwei Boote kaufen und sich Rafting-Unternehmen nennen."

Verloren ist der Fluss noch lange nicht. Das hört man bei Vogelschützer Fabian Unger heraus. Etwa 900 Bootfahrer hat er 2016 an der Marienbrücke gesprochen. Mit einem Trick hat er die Spaßvögel geködert: Er hat ihnen am Infostand eine Luftpumpe fürs Schlauchboot gestellt und sie währenddessen mit Broschüren und Informationen über bedrohte Tierarten gefüttert. Sein Fazit: Die Menschen wollen die Natur nicht stören, vielen fehlt aber einfach das nötige Wissen. Seinen Infostand will er in diesem Jahr wieder aufbauen.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2017
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