Olympische Spiele:"Mit Bauch und Arsch"

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Stolzer Olympia-Held: Bob-Pilot Johannes Lochner präsentiert seine beiden Silbermedaillen. (Foto: Claus Schunk)

Johannes Lochner, zweifacher Silbermedaillengewinner im Bobfahren, plaudert im Grünwalder Freizeitpark über seine Erfahrungen von Peking, die Rivalität mit Francesco Friedrich und seine weitere Lebensplanung.

Von Stefan Galler, Grünwald

Als der offizielle Teil beendet war, scharten sich die Gäste um den zweifachen olympischen Silbermedaillengewinner. Ein Foto mit Bob-Pilot Johannes Lochner und seinen Plaketten, das wäre doch eine feine Erinnerung an diesen launigen Abend im Freizeitpark Grünwald, dachte sich so mancher. Trotz der allgemein guten Laune an diesem Donnerstag wurden die Eindrücke des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht völlig ausgeblendet, das lag auch daran, dass Christian Nitsche, Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, das Kamingespräch der Deutschen Olympischen Gesellschaft moderierte und darauf hinwies, wie er es genieße, nach einem Tag voller schlimmer Nachrichten den Abend in entspannter Atmosphäre verbringen zu können. Auch Olympia-Held Lochner kam an der Krise in Osteuropa nicht vorbei: "Es gibt so viele Probleme auf der Welt. Da ist es das schönste Problem, das man haben kann, wenn man nur darauf achten muss, dass die zwei Olympiamedaillen nicht aneinanderstoßen und zerdeppern."

Bodenständig, sympathisch und sehr ehrlich präsentierte sich der Spitzensportler, der in Begleitung von Christian Schneider, dem Teamarzt der Bob-Nationalmannschaft, zu einer Nachbesprechung der Spiele von Peking im kleinen Kreis von etwa 50 geladenen Gästen gekommen war. Und so berichtete der 31-Jährige, den alle nur "Hansi" nennen, etwa von seinen vor-olympischen Entbehrungen: "In den sechs Monaten vor den Spielen war ich insgesamt drei Wochen zu Hause. Bobbahn, Hotel, Kraftraum und das Auto, um von A nach B zu kommen - was anderes gibt es in der Vorbereitung eigentlich nicht", schilderte der Berchtesgadener.

BR-Chefredakteur Christian Nitsche, Johannes Lochner und Christian Schneider, Mannschaftsarzt der deutschen Bobfahrer. (Foto: Claus Schunk)

Der Lohn seien dann die beiden Plaketten im Zweier- und Viererwettbewerb gewesen, der Gewinn der ersten Silbermedaille "war einer der tollsten Momente in meinem Leben", sagt der 1,90-Meter-Athlet, "vor allem nach der Enttäuschung in Pyeongchang." Dort war er als amtierender Weltmeister nach vier Siegen in acht Weltcuprennen der Saison 2017/18 als absoluter Favorit gestartet - und wurde am Ende Achter im Viererbob. "Damals wollte ich hinschmeißen, habe danach zwei Monate keinen Sport gemacht."

Letztlich rappelte er sich noch einmal auf - und nahm den Konkurrenzkampf mit Landsmann Francesco Friedrich wieder auf. Dass er ihn in Peking nicht besiegen konnte, wurmt ihn schon ein bisschen. Dabei habe er im psychologischen Wettstreit alle Register gezogen, erzählt Lochner. Man habe bei den Trainingsfahrten immer wieder mal die Schlitten getauscht, dabei sei ihm aufgefallen, dass Friedrichs Stamm-Bob minimale Geschwindigkeitsvorteile hatte. "Ich bin dann extra mit seinem Schlitten langsamer gefahren, um ihn zweifeln zu lassen." Am Ende aber wählte Friedrich, genannt "Franz", dann halt doch das flottere Gefährt - und holte Gold.

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Er wäre fast alpiner Abfahrer geworden, fuhr einst mit Schwaiger und Ferstl in der Junioren-Nationalmannschaft

Und so wurden im Laufe des kurzweiligen und offenen Gesprächs noch viele Themen angeschnitten, etwa der technische Vorteil, den deutsche Bob- und Rodelsportler auch aufgrund der Forschung hätten, an der große Firmen wie BMW maßgeblichen Anteil haben. Lochner sprach sich für den "Einheitsbob" aus, der allen Konkurrenten gleiche Chancen gebe, verurteilte den "Gigantismus" der Peking-Spiele, lobte jedoch die angenehme Unterkunft dort, die freundlichen Volunteers und die tolle Bahn. Und beschrieb, worauf es ankomme, um als Lenker eines Bobs erfolgreich zu sein: "Es geht so schnell, dass man nur instinktiv reagieren kann. Ich nenne das immer 'mit Bauch und Arsch' fahren."

Ob er das auch in Zukunft tun wird, hat Lochner, der beinahe alpiner Abfahrer geworden wäre und mit Dominik Schwaiger und Josef Ferstl in der Junioren-Nationalmannschaft gefahren ist, noch nicht entschieden. Sein mittlerweile 71 Jahre alter Vater führe einen Elektrobetrieb am Königssee, erzählt er. "Es ist eigentlich Zeit, dass ich da einsteige und er sein Leben genießt", sagt der Junior, der immerhin ein abgeschlossenes Master-Studium in Elektrotechnik vorweisen kann. Aber abzutreten mit einer Fahrt, die zwar mit olympischem Silber dekoriert wurde, aber wegen Corona unter Ausschluss der Öffentlichkeit im fernen China stattfand, entspreche auch nicht "meinem Sportlerherz". Und deshalb hat Hansi Lochner die kommende Saison ins Visier genommen mit der Weltmeisterschaft im Bob-Mekka St. Moritz. Danach wäre dann ja immer noch Zeit, in die Familienplanung mit seiner Freundin einzusteigen.

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