SZ-Kulturpreis Tassilo:Weit mehr als Umtata

SZ-Kulturpreis Tassilo: Die Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn marschiert regelmäßig beim Trachten- und Schützenzug am ersten Wiesnsonntag mit.

Die Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn marschiert regelmäßig beim Trachten- und Schützenzug am ersten Wiesnsonntag mit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Orchester und Ensembles der Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn zeichnen sich durch eine enorme Vielfalt des Repertoires aus. Das beinhaltet neben traditionellen Klängen auch Sinfonik aus allen Epochen, Swing und Filmmusik. Zudem beeindruckt die erfolgreiche Nachwuchsarbeit des Vereins.

Von Udo Watter, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Blaskapelle? Sogar eine der größten in Oberbayern? Aus Sicht des Zeitgeistes klingt das erst mal nicht so sexy. Sicher, so ein bayerischer Festumzug macht schon was her, ist ein Generalangriff auf die Sinne: der rhythmisch anregende Sound sowie dekorativ in Dirndln und Lederhosen marschierende Menschen. Die Mitglieder der Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn, die regelmäßig beim Trachten- und Schützenzug zum Wiesnbeginn paradieren, machen gewiss auch Bella Figura. Für der Tradition weniger gewogene und der musikalischen Hochkultur verpflichtete Beobachter verkörpert der Anblick von Trompeten, Tuben und Tracht freilich eher das manifest gewordene Klischee des Bayerntums.

"Blaskapelle? Da stellt sich schnell ein Bild ein" sagt Florian Sepp. "Umtata", sagt der neben ihm sitzende Walter Moldan leise. Die beiden Vorsitzenden der Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn haben natürlich nichts gegen alpenländische Schützenmärsche oder Polkas, oder gegen Unterhaltungsmusik im Allgemeinen. Im Gegenteil. "Das Traditionelle gehört bei uns dazu", sagt Sepp. Dennoch: "Der Name ,Blaskapelle' steht nur für einen Ausschnitt dessen, was wir machen."

In der Tat zeichnet sich die 1980 gegründete Institution, die in den ersten beiden Jahrzehnten von Florian Sepps Vater Erich Sepp geprägt war, durch ein musikalisch vielfältiges Konzept aus, das zudem auf hohem spielerischen Niveau umgesetzt wird. Das beinhaltet konzertante symphonische Musik aller Epochen ebenso wie Filmmusik, Walzer, Swing, Märsche oder geistliche Musik. Es gibt vier Orchester, die von drei professionellen Dirigenten geleitet werden: neben Florians Bruder Konrad Sepp, der musikalischer Gesamtleiter ist, noch Bernhard Willer, der das Symphonische Blasorchester führt, sowie Sonja Weese, die das große Blasorchester dirigiert. Hinzu kommen das Jugendblasorchester, Kammermusikformationen oder spezielle Formationen wie das Schlagzeugensemble.

"Daher gibt es schon Überlegungen, ob wir uns umbenennen sollen", sagt Florian Sepp. "Aber das ist natürlich ein heikles Thema, zumal der Name zu unserem Markenkern gehört." Die Blaskapelle ist ein Verein, mehr als 200 aktive Musiker gibt es, dazu knapp 80 Kinder in der musikalischen Früherziehung, sowie rund 480 fördernde Mitglieder. "Musikverein" wäre also eine nominelle Alternative.

Unabhängig von solchen Abwägungen hat sich die Blaskapelle, vor allem durch einen Professionalisierungsschub seit der Jahrtausendwende, musikalisches Renommee erworben und wird auch ob ihrer Nachwuchsarbeit geschätzt. Das wurde schon mit dem Bayerischen Staatspreis für Musik 2015 gewürdigt und dem 2021 erstmals vergebenem Kulturpreis des Landkreises München. Das Ungewöhnliche sei etwa, sagt Sepp, dass man gleich zwei große Orchester im Erwachsenenbereich habe.

SZ-Kulturpreis Tassilo: Die beiden Vorsitzenden Florian Sepp (links) und Walter Moldan im aktuellen Probenraum in der Höhenkirchner Sigoho-Marchwart-Grundschule.

Die beiden Vorsitzenden Florian Sepp (links) und Walter Moldan im aktuellen Probenraum in der Höhenkirchner Sigoho-Marchwart-Grundschule.

(Foto: Claus Schunk)

Etwa 100 bis 150 Konzerte gibt die Blaskapelle jährlich, zu den Höhepunkten zählen die fast immer ausverkauften Frühlings- oder Neujahrskonzerte in der Mehrzweckhalle Höhenkirchen. Aber auch überregional tritt man auf, Konzertreisen führten die Musiker aus dem Münchner Südosten schon nach Spanien, Italien und Rumänien. Zudem werden besondere Projekte wie die Aufführung von Dvořáks 9. Symphonie ("Aus der Neuen Welt") in einem Arrangement für Bläser realisiert. Viele Musiker kommen aus der Gemeinde, aber auch aus umliegenden Kommunen oder vom östlichen Münchner Stadtrand. In den Orchestern spielen die Generationen zusammen, der älteste Musiker ist derzeit 88. "Und was toll ist: Der Verein ist sehr jung. Rund die Hälfte der Mitglieder ist unter 20", erklärt Moldan. Der zweite Vorsitzende spielt selbst Saxofon, Florian Sepp, der erste Vorsitzende, Trompete und Flügelhorn.

Der unter dem Dach des Vereins angebotene Musikunterricht ist kostenpflichtig, die Proben für die Konzerttätigkeit im vielfältigen Orchesterbereich freilich kostenfrei. Die pandemiegeprägten Jahre haben natürlich Einschränkungen gebracht, aber auch positive Effekte gezeitigt. Größere Proben waren ja länger nicht möglich, das Zusammenspiel in kleinerem Rahmen hat das Niveau aber angehoben, da man stärker an Feinheiten und Nuancierungen feilen konnte statt im breiten Orchestersound zu schwelgen. Einen neuen, größeren Probenraum soll es bald geben, der Umzug von der Grundschule zum Gymnasium ist geplant. Das Geschlechterverhältnis ist etwa 60 Prozent Männer und Buben, die eher zum Blech neigen, während die rund 40 Prozent Mädchen und Frauen Holzblasinstrumente bevorzugen. Freilich sind die Grenzen fließend, es gibt etwa etliche Saxofonistinnen. Allerdings zählt das Saxofon zu den Holzblasinstrumenten. "Wir sind schon immer divers", sagt Sepp schmunzelnd. Und meint damit auch, dass die Blaskapelle seit ihrer Gründung unter dem kommunalen Doppelnamen firmiert, während andere Vereine die Rivalität zwischen Siegertsbrunn und Höhenkirchen noch exklusiv pflegen. Und musikalisch offen ist sie ohnehin.

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