Bildung:Schulen warten aufs Upgrade

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Tablets ersetzen Block und Stift: Die Schulen haben Medienkonzepte erstellt. Jetzt ist die Frage: Wer bezahlt die technische Ausstattung und deren Wartung? (Foto: Catherina Hess)

Die Politik redet von der Digitalisierung des Unterrichts, doch von dem Geld aus dem Digitalpakt kommt bisher nichts an. Jetzt sind auch noch die Fördermittel des Freistaats ausgelaufen. Dabei ist es mit der Anschaffung von iPad und Co. alleine ohnehin nicht getan

Von Bernhard Lohr

Als die Schüler der Erich-Kästner-Mittelschule losziehen, um die Leonhardikirche in Siegertsbrunn zu erkunden, haben sie iPads unter dem Arm. Erst hält Pfarrer Toni Wolf einen Vortrag, dann filmen und fotografieren die Schüler und arbeiten mit Hilfe einer App heraus, was die Kirche für sie zum Kulturerbe macht. Konrektorin Christina Schmidt unterstützt den Einsatz neuer Medien an ihrer Schule mit viel Engagement. "Mir ist das wichtig", sagt sie und man hört ihre Begeisterung heraus. Doch die Hürden, die sie überwinden muss, um moderne Unterrichtsmethoden umzusetzen, sind immens. Es ruckelt bei der propagierten Digitalisierung der Schulen - so wie bis vor drei Wochen noch das Internet an ihrer Schule.

Kein Tag vergeht, an dem Politiker nicht betonen, wie wichtig es sei, junge Menschen schon in der Schule auf den technologischen Wandel vorzubereiten und die Schulen entsprechend auszustatten. Die Zeit dränge, heißt es. Doch im Konkreten erleben Schulleiter, Lehrer, Eltern und Schüler etwas anderes. Denn die Staatsregierung entschied, den Umbruch an den Schulen nicht zentral zu steuern. Sie trug den Schulen erst einmal auf, bis Ende des laufenden Schuljahrs 2018/19 Medienkonzepte zu erarbeiten.

Direktoren an Gymnasien, Rektoren an Grund- und Mittelschulen, die nicht schon begeisterte Mitarbeiter im Kollegium hatten, mussten sich deshalb erst einarbeiten. Arbeitsgruppen wurden installiert und interne Schulungen anberaumt. Lehrer besuchten Fortbildungen und es wurden Debatten losgetreten, ob die Apple-Technik oder Android besser sei. Nun liegen an vielen Schulen Medienkonzepte vor. Man könnte also weitermachen. Doch die Anschaffung von Geräten und vieles, was damit auch zusammenhängt, stockt, weil die Finanzierung nicht geklärt ist.

Wie verzwickt die Lage ist, zeigte sich am Mittwoch am Ernst-Mach-Gymnasium in Haar, wo Direktorin Gabriele Langner in der Sitzung des Schulzweckverbands über den notwendigen Aufbau einer Netzwerk- und Serverstruktur sprach, über iPads und anderes mehr - und dann von den Verbandsräten ausgebremst wurde. Der stellvertretende Zweckverbandsvorsitzende, Landrat Christoph Göbel (CSU), riet davon ab, die Anschaffung zu beschließen, weil man dadurch etwaige später zustehende Zuschüsse verspielen könnte.

Die Vorsitzende, Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD), warnte, die Kosten der Digitalisierung drohten an der "kommunalen Familie" hängen zu bleiben. Im Gespräch mit der SZ sagte sie, sie habe den Eindruck, der Freistaat agiere so defensiv, um sich Kosten vom Hals zu halten. Schließlich besagt das Konnexitätsprinzip: Wer anschafft, der zahlt.

Jedenfalls ist die Verunsicherung groß, wie es mit der staatlichen Förderung weitergeht. Der Freistaat hat im Digitalpakt II ein Förderprogramm über 212,5 Millionen Euro aufgelegt, das mittlerweile ausgeschöpft ist. Auch Anschaffungen für Schulen im Landkreis wurden aus diesem Topf bereits finanziert. Doch nun stehen die 778 Millionen Euro im Raum, die der Bund im Digitalpakt von 2019 bis 2024 für bayerische Schulen bereit hält. Und dafür, so erklärte das Kultusministerium am Freitag, würden "zeitnah" die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um Mittel beantragen zu können.

Als große Gefahr sieht nun der Bayerische Städtetag, dass der Freistaat sich nun darauf beschränken könnte, Geld des Bundes zu verteilen und sich ansonsten aus der Verantwortung stiehlt. Der Städtetags-Vorsitzende, Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), erklärte am Freitag, die Staatsregierung müsse das eigene Förderprogramm fortsetzen und etwa auch die Kosten für eine Systembetreuung an den Schulen übernehmen. Denn klar ist: Mit einem einmaligen Zuschuss ist es nicht getan.

Schon jetzt müssen viele Lehrer eine Doppelbelastung schultern. Sie leisten die Systembetreuung oft nebenher. Konrektorin Schmidt aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn betreut die Technik an ihrer Schule mit zwei Kollegen. Wenn Updates anstehen, fährt sie an einem Sonntag in die Schule, und zu Hause testet sie, weil es ihr Steckenpferd ist, welche App am besten geeignet ist für den Unterricht. "Es ist schon viel Arbeit, die da drinnen steckt", sagt sie.

Dennoch sieht sie die Vorteile beim Lernen mit iPad und Co. Man sei unabhängig vom Klassenzimmer. Und: "Dinge prägen sich besser ein." Die Aktion in der Leonhardikirche, an der auch Schüler aus Großbritannien, Italien, Tschechien und Lettland teilnahmen, die über das Erasmus-plus-Programm der EU mit der Höhenkirchner Mittelschule verbunden sind, war im übrigen kein singuläres Ereignis. Als die Höhenkirchner in England waren, schickte sie die Lehrerin mit dem Tablet in der Hand auf eine historische Schnitzeljagd in die Canterbury Cathedral.

In einer vergleichsweise glücklichen Situation befinden sich Schüler und Lehrer der 2016 eröffneten Therese-Giehse-Realschule in Unterschleißheim, die neue Gebäude mit moderner Technikausstattung bezogen haben. Direktorin Karin Lechner sagt: "Wir erleben das alles sehr positiv." Die Systembetreuung liege bei einer externen Firma. Derweil ist bei der Ausstattung im wohlhabenden Landkreis München an vielen anderen Schulen erst ein Zwischenschritt erreicht. Das längst fertige Medienkonzept der Höhenkirchner Mittelschule, das unter anderem mehr iPads vorsieht, liegt bei Kämmerin Christine Schmidt auf dem Tisch im Rathaus. Sie bereitet gerade die Ausschreibung für die Anschaffung vor. Wer die Geräte bezahlt, steht in den Sternen. "Wir planen den Zuschussantrag ins Blaue hinein", sagt die Kämmerin.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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