Süddeutsche Zeitung

Bildung:Preiswürdige Erinnerungsarbeit

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Schüler dokumentieren die Geschichte eines Kriegsverbrechers, der jahrzehntelang in Ottobrunn hochgeehrt war

Von Carina Irimia, Ottobrunn

Die viele Arbeit hat sich für die Schüler und Schülerinnen eines P-Seminars vom Gymnasium in Ottobrunn gelohnt. Für ihre Ausstellung "Cortona - Ottobrunn: Erinnerung muss konstruktiv sein" wurden sie als eine von drei Schulen in Oberbayern-Ost mit dem P-Seminar-Preis 2020 ausgezeichnet.

"Es ist ein richtig cooles Gefühl, wenn die viele Arbeit wertgeschätzt wird", sagt die Schülerin Sophie Finster, 18. Sie ist eine der 14 Jugendlichen, die gemeinsam im P-Seminar die Geschichte von Josef Scheungraber recherchierten, der 1944 im italienischen Dorf Falzano di Cortona ein Massaker von Wehrmachtssoldaten an Zivilisten befahl. 14 Menschen kamen dabei ums Leben. Nach dem Krieg war Scheungraber Gemeinderat in Ottobrunn, Ehrenkommandant der Feuerwehr und Träger der Bürgermedaille. Erst mehr als 60 Jahre nach dem Massaker wurde er verurteilt, seine Haftstrafe musste er nie antreten. 2015 starb er.

Knapp 3000 P-Seminare mit unterschiedlichen Themen werden jährlich in Bayern veranstaltet. Davon hat es das Ottobrunner Gymnasium unter die besten 24 geschafft. Für Oberbayern-Ost hat Ottobrunn neben dem Camerloher Gymnasium in Freising und dem Gymnasium in Trudering den P-Seminar-Preis 2020 und 200 Euro Preisgeld erhalten. Der Preis wird ausgeschrieben vom Kultusministerium, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft und der Eberhard von Kuenheim Stiftung von BMW.

Claudia Bruckmeier, 41, leitete das Seminar am Gymnasium Ottobrunn gemeinsam mit Matthias Weigert und war vom Preis nicht wirklich überrascht: "Wir haben uns schon gedacht, dass wir in der ersten Runde weiter kommen. Es steckt so viel Arbeit drin und ist ein einmaliges Projekt."

Aus einer allgemeinen Recherche wurde ein Großprojekt. 17 Interviews haben die Schüler für das Projekt mit Personen geführt, die ihnen etwas über Scheungraber oder das Massaker erzählen konnten. Teilweise sogar in fremder Sprache. Dafür reisten sie sogar zusammen nach Cortona. Die große Menge an Informationen musste erst einmal gebändigt werden. "Viele Sachen wurden verworfen, weil sie zu weitläufig waren", sagt Finster. Heraus kam die Ausstellung "Cortona - Ottobrunn: Erinnerung muss konstruktiv sein". Doch damit war die Arbeit noch nicht getan. Die Abiturienten entwickelten ein Konzept, übten sich in Projektmanagement und kümmerten sich sogar selbst um das komplette Design. "Wir haben auch viel von unserer persönlichen Freizeit dazu gegeben", sagt Sophie Finster.

Gelohnt hat es sich für die Seminargruppe. Die Schüler haben den P-Seminar-Preis in der ersten Runde gewonnen. Auch wenn sie wüssten, dass sie in der zweiten und damit letzten Gewinnerrunde nicht dabei sein würden, sei das ein richtig gutes Gefühl, sagt Bruckmeier: "Die anderen Seminare waren schon auch wirklich sehr beeindruckend."

Die Ausstellung "Cortona - Ottobrunn" war im Gymnasium in Ottobrunn zu sehen, aber auch andere Schulen, beispielsweise in Neubiberg und Trudering haben bereits nachgefragt, ob sie sie zeigen dürfen. Auch online soll das Projekt zukünftig präsentiert werden.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2020
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