Bildung:Ein Video gegen den Hass

Unterhaching, Grund- und Mittelschule am Sportpark, Initiative, #NichtEgal,

Youtuber Can Günaydi (hinten in der Mitte) gibt den Schülern Tipps für ihr Video.

(Foto: Angelika Bardehle)

Unterhachinger Mittelschüler setzen sich bei einem Workshop filmisch mit Mobbing im Netz und auf dem Schulhof auseinander. Angeleitet werden sie dabei von einem erfolgreichen Youtuber, der beides selbst erlebt hat

Von Anna-Maria Salmen, Unterhaching

Montagmorgen, kurz vor 9 Uhr: Normalerweise sind Schüler um diese Zeit nicht gerade motiviert, schließlich haben sie noch eine ganze anstrengende Schulwoche vor sich. Doch blickt man in die Räume der siebten Klassen an der Grund- und Mittelschule Unterhaching, wird man schnell eines Besseren belehrt. Lebhaft diskutieren die Kinder in kleinen Gruppen, jeder bringt eigene Ideen ein. Denn dieser Montagmorgen ist kein normaler Tag. Die Schüler nehmen am "#NichtEgal"-Workshop teil, einer deutschlandweiten Initiative, die von Youtube in Kooperation mit Medienblau, Digitale Helden, Klicksafe und der Freiwilligen Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter getragen wird.

Ziel ist es, junge Menschen für einen respektvollen Meinungsaustausch zu sensibilisieren, sowohl im Netz als auch im realen Leben. Sie sollen lernen, sich gegen Hass und für sachliche Debatten einzusetzen. An mehr als 60 Schulen finden die Workshops in diesem Jahr statt. Eine Besonderheit der Aktion ist, dass ältere Schüler im Vorfeld zu Mentoren ausgebildet werden und ihr Wissen an die jüngeren Kinder weitergeben. Unterstützt werden sie dabei von Medienpädagogen und bekannten Youtube-Stars. Und die Schüler dürfen nicht nur zuhören, sondern auch selbst aktiv werden, sie produzieren im Laufe des Tages eigene kurze Videos zu den Themen Toleranz und Respekt.

Dieses Konzept überzeugte Christa Grasl, Schulleiterin der Grund- und Mittelschule. "Wir haben schon länger überlegt, wie wir das Thema Mobbing angehen können", sagt sie, denn solche Fälle gebe es auch an ihrer Schule immer wieder. "Es ist toll, dass für den Workshop jemand von außen an die Schule kommt und die Schüler für das Thema sensibilisiert." Auch der Peer-to-Peer-Ansatz habe sie von Anfang an begeistert. "Davon profitieren letztendlich alle", sagt die Schulleiterin. Geplant sei außerdem, auch eigene Veranstaltungen an den Aktionstag anzuschließen und beispielsweise die Ergebnisse schulintern in allen Jahrgangsstufen zu diskutieren.

Zunächst aber dürfen die Siebtklässler den Workshop erproben. In den Klassenzimmern haben die Mentoren einige Aufgaben vorbereitet. Bevor die Kinder das Drehbuch für ihr Video schreiben, bekommen sie Karten mit verschiedenen Symbolen vorgelegt. Da ist beispielsweise ein Judenstern zu sehen, eine Frau mit Kopftuch oder auch ein Wahlzettel. Gemeinsam entwickeln die Kinder Geschichten aus den Symbolen, sie können sich dabei auch auf eigene Erlebnisse beziehen. Denn das Thema Mobbing ist bei den Schülern allgegenwärtig. "Im letzten Jahr wurde einer meiner Mitschüler auf Youtube beleidigt", erzählt beispielsweise Carmen. Sie habe versucht, zu helfen, aber das funktioniere nicht immer. Ähnliche Erfahrungen hat Mentorin Ermira gemacht. Sie setze sich gegen Ausgrenzung ein, gehe dazwischen, wenn in der Klasse jemand gemobbt wird. "Es ist mir wichtig, dass alle gut miteinander umgehen und niemand aufgrund seiner Religion ausgeschlossen wird", sagt die Schülerin.

In jedem Klassenzimmer hört man positive Reaktionen. "Die Initiative ist richtig cool, das machen nicht viele Schulen", sagt Lana. Ihrer Freundin Carmen gefällt an der Aktion, "dass die Schüler auch mal selbst etwas machen dürfen." Beide freuen sich vor allem auf den Videodreh. Und sobald die Schüler ihre Drehbücher vollendet haben, kann es losgehen. Zusammen mit Youtuber Can Günaydi machen sie sich auf die Suche nach dem perfekten Drehort. Der 22-Jährige betreibt seit vier Jahren einen Kanal auf der Videoplattform, mittlerweile hat er fast 335 000 Abonnenten. Er ist einer von 23 bekannten Youtubern, die "#NichtEgal" unterstützen. Er steht den Schülern am Aktionstag für Fragen zur Verfügung, berät sie beim Planen ihrer Videos und nimmt sich auch für Fotos und Autogramme Zeit. Auf die Initiative wurde er durch eine Anfrage von Google aufmerksam. "Ich habe auf meinem Kanal auch ein paar Videos zum Thema Mobbing, daher passt diese Aktion gut zu mir", erklärt Günaydi. Sein Engagement hat auch persönliche Gründe: Er selbst wurde lange Zeit von seinen Mitschülern ausgegrenzt und zu Beginn seiner Youtube-Karriere häufig mit beleidigenden Kommentaren konfrontiert. Mittlerweile hat er gelernt, besser damit umzugehen. Sein Rat lautet, "einfach darüber zu stehen, es nicht an sich heran zu lassen". Denn Günaydi hat die Erfahrung gemacht: "Je weniger ich zeige, dass die Beleidigungen mich stören, desto weniger Spaß haben die Verfasser daran."

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