Bildung:Ein Jahr Zeit zum Reifen

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Die Kinder im Schulkindergarten lernen, ihre Aufgaben konzentriert zu erledigen. Jede Woche gibt es ein neues Projekt. (Foto: Jan Staiger)

Im Garchinger Schulkindergarten werden Sechsjährige, die aus unterschiedlichen Gründen zurückgestellt worden sind, auf die erste Klasse vorbereitet. Im Landkreis gibt es nur noch eine weitere solche Einrichtung

Von Gudrun Passarge, Garching

Das Monster nimmt langsam Gestalt an. Die Kinder schneiden aus, malen an, kleben zusammen. Am Ende hat jeder seinen eigenen Grüffelo, jenes Riesenfellknäuel mit gefährlichen Hauern, das sich vor der Maus fürchtet. Projektarbeit im Schulkindergarten in Garching, die Konzentration und Feinmotorik erfordert. 20 Kinder sitzen an den Tischen und strengen sich sichtlich an. Sie alle sind eigentlich schon schulpflichtig, aber aus unterschiedlichen Gründen legen sie noch einen Zwischenschritt vor dem ersten Schultag ein. Die Leiterin der Einrichtung, Susanne Lanzendörfer, will den Kindern "die besten Bildungs- und Entwicklungschancen zu bieten". Etwa 90 Prozent der Kinder gehen nach dem Jahr im Schulkindergarten in die Regelschule, die anderen wechseln in Fördereinrichtungen.

Der Garchinger Schulkindergarten ist einer der letzten im Landkreis, den sich die Stadt circa 50 000 Euro Zuschuss im Jahr kosten lässt. Nur in Unterschleißheim gibt es noch eine solche Einrichtung eines kirchlichen Trägers. Dabei ist der Bedarf eindeutig. Meist habe sie um die 35 Anmeldungen, berichtet Lanzendörfer. Manche besuchen dann doch die Schule oder sie können im Kindergarten bleiben. Die Gründe, warum Kinder den Schulkindergarten besuchen, sind vielfältig. Nicht alle Kinder seien schulreif mit sechs Jahren, sagt die Leiterin. Da gibt es die Sechsjährigen, die die den Einschulungstest nicht bestehen, und die, die vielleicht noch nicht so gut Deutsch sprechen. Bei manchen fehle die Leistungsbereitschaft, sagt Lanzendörfer, "das Kind muss ja bereit sein zu lernen und Anstrengungen auf sich zu nehmen". Bei anderen mangele es an der emotionalen Reife, oder es bestünden einfach Defizite in der Feinmotorik. Oder es sind Linkshänder, die nicht als solche erkannt wurden, was die Entwicklung verzögert habe.

Die Mitarbeiter des Schulkindergartens schauen ganz genau hin, wen sie für das neue Jahr aufnehmen, es gibt sogar einen Probetag. Danach kann es auch vorkommen, dass Lanzendörfer den Eltern empfiehlt, das Kind doch einzuschulen. Für die Kinder, die bleiben, gibt es in der Folge einen stark strukturierten Tagesablauf. Ein Morgenkreis in der Früh, eine kleine Beschäftigung, dann Brotzeit, Austoben im Garten und danach die Gruppenbeschäftigung. Dort bekommen die Kinder Aufgaben, die etwas mit den wöchentlichen Projekten zu tun haben. Die Themen haben die Kinder mit ausgesucht, "Partizipation ist ganz wichtig", findet Lanzendörfer. Es gibt wechselnde Forschergruppen, ein Matheprojekt und auch eine Wochenaufgabe, bei der sich das Kind die Zeit frei einteilen kann. Die Dauer der Angebote steige im Laufe des Jahres. Langsam werden die Kinder hin zu normalen Schulstunden geführt, die eben volle Aufmerksamkeit erfordern.

Lanzendörfer arbeitet schon lange im Schulkindergarten. Die Erzieherin fing 2001 in der Einrichtung an und übernahm 2010 die Leitung. Sie betont gleich mehrmals, dass es sich bei der Einrichtung nicht um eine Vorschule, auch nicht um eine Therapiestätte, sondern eben um den Schulkindergarten handle. Hier seien nur Sechsjährige, die Förderung setze "auf einem anderen Level an". Personell sei die Einrichtung gut ausgestattet, außer ihr arbeiten teils halbtags, teils in Vollzeit, zwei Erzieherinnen, eine Kinderpflegerin und der Praktikant im Haus. Sie versuchen gemeinsam, Konzentrationsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zu fördern. Beides habe bei den Kindern im Laufe der Jahre abgenommen, hat Lanzendörfer beobachtet. Woran das liegt? Die Gesellschaft habe sich verändert. "Es wird viel nach Lust und Laune praktiziert." Einerseits lernten die Kinder viel mehr als früher, manche treiben Sport, viele haben ein volles Freizeitprogramm. Aber solche Dinge wie einen Ball fangen oder Seilspringen, das könnten manche Kinder gar nicht mehr. "Was für die Schule wichtig ist, fällt vielleicht mal hinten runter", sagt Lanzendörfer, wobei sie findet, die Schule verlange heute auch mehr als früher.

Die Kinder jedenfalls haben viel Spaß. Draußen neben der Grundschule spielen sie Pferd oder schießen mit Hingabe auf ein Tor, in dem der Praktikant steht. Vielleicht kann dieser Jahrgang noch bis zur Einschulung in dem Gebäude der Grund- und Mittelschule bleiben, aber es könnte auch sein, dass der Umzug schon vor Ende Juli stattfindet. Aber bis spätestens dahin müssen alle Sachen gepackt sein. 2019 sollen die umgebauten Räume im Werner-Heisenberg-Gymnasium fertig sein. Lanzendörfer hat bereits Erfahrung im Umziehen. Erst 2013 ist der Schulkindergarten vom VHS-Gebäude in die Mittelschule gezogen. "Damals hatte die Mittelschule nur um die 100 Schüler." Die Räume standen frei, aber jetzt, da es mehr als 250 Schüler sind, ist die Platznot groß. Das gilt auch für die Grundschule West, die ebenfalls Raumbedarf hat. Wenn der Schulkindergarten auszieht, werden die Räume wieder zu Klassenzimmern umgestaltet.

Lanzendörfer weiß zwar, wie beschwerlich so ein Umzug ist, aber sie erkennt auch Vorteile beim neuen Standort im Gymnasium. "Sie schauen raus und es ist grün", sagt sie, und auch der Klimaanlage in der Schule gewinnt sie etwas ab. Vor allem aber gehen alle Mitarbeiter mit, was ihr sehr wichtig ist. Allerdings wird auch die Station im Gymnasium nicht die letzte sein. Geplant ist, den Schulkindergarten später in der neuen Grundschule Nord unterzubringen, die im Baugebiet der Kommunkationszone errichtet werden soll. Übung im Umziehen haben die Mitarbeiter ja dann schon.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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