Bildende Kunst:Auf der Bühne des Lebens

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Im Unterföhringer Bürgerhaus ist die Ausstellung "Hinter den Kulissen" der Künstlergruppe "QuArts" zu sehen. Acht Kreative aus dem südlichen Landkreis widmen sich mit ihren Werken den großen Fragen des Lebens

Von Franziska Gerlach, Unterföhring

Angenommen, man reißt einem Menschen die Maske ab, nimmt ihm die frisch gewaschenen Kleider und entfernt sein makelloses Make-up, würde man so tatsächlich sein Inneres freilegen? Oder reicht das noch nicht, um zum wahren Kern vorzudringen, gilt es die Oberfläche aus Jute, Gaze und Acrylfarben mit tiefen Schnitten zu versehen und das Ganze noch mit kleinen Spiegeln zu hinterlegen, so wie Barbara Leib es in ihrer Collage getan hat. Die Künstlerin hat sich einfach gesagt: "Schauen wir mal, wer dahinter steckt."

Es sind die großen Fragen des Lebens, die in diesen Tagen im Bürgerhaus Unterföhring verhandelt werden. "Hinter den Kulissen" ist die Ausstellung der Künstlergruppe "QuARTs" überschrieben, die dort noch bis zum 21. Dezember zu sehen ist. Die Gruppe besteht aus acht Künstlerinnen aus dem südlichen Landkreis, von denen einige vormals zur Künstlergemeinschaft Zak 2020 (Zukunftswerkstatt Arbeitskreis Künstlerinnen) gehörten - ein 2000 gegründetes Kunstprojekt der Gleichstellungsstelle des Landratsamts unter Schirmherrschaft der damaligen Landrätin Johanna Rumschöttel (SPD), das sich vor einem knappen Jahr aufgelöst hat.

Florian Nagel vom Kulturamt Unterföhring hält die Einführung, die Künstlerinnen lauschen. (Foto: Moses Omeogo)

Barbara Leib kommt zum Beispiel aus Oberhaching, wie sie gerade erzählt. Sie steht vor ihrer imposanten Collage mit dem Titel "Wer bin ich...?", geht einen Schritt darauf zu, tritt wieder zurück, und spricht von der Kleidung als einer Kulisse, die die Gesellschaft dem Menschen wie eine Maske aufzwinge. Mehr als 50 Arbeiten vereint die Schau in Unterföhring, die sich im Wesentlichen der viel beschriebenen Bühne des Lebens widmet, der Ambivalenz zwischen dem glamourösen Schein und dem, nun ja, wahren Sein. Mit abstrakten Malereien, mit Skulpturen aus Ton und Glas, mit Installationen, Fotografien und Collagen erweist sich die Ausstellung als ein bunter Querschnitt der Ausdrucksformen - ein sehenswertes Konzentrat dessen, was Kunst alles sein kann.

"Jede hat das Thema anders umgesetzt", sagt Sylva Nohel, die Sprecherin der Künstlergruppe. Die Ausstellung in Unterföhring ist 2019 bereits die dritte von "QuARTs", etwa alle vier Wochen treffen sich die Frauen. Nicht nur zum künstlerischen Austausch, sondern auch, um gemeinsam Ausstellungen zu besuchen. Um sich inspirieren zu lassen und Kontakte zu anderen Künstlern zu pflegen. Man kennt sich offenbar im Landkreis. "Das ist eine kleine Community."

Das Gemälde "Zwischen Harmonie und Stress" von Gisela D. Rueckert. (Foto: Moses Omeogo)

Für ihren Blick hinter die Kulissen hat Nohel sich unter anderem der Geschichte von Lili Elbe angenommen, die 1882 in Vejle als Einar Wegener zur Welt kam, und seit dem Erfolg des Filmes "The Danish Girl" nicht nur in Dänemark ziemlich bekannt ist: Zu Beginn der Dreißigerjahre ließ die Malerin sich als einer der ersten Menschen überhaupt geschlechtsangleichenden Operationen unterziehen - und starb 1931 in Dresden. "Bilder einer Verwandlung" hat Nohel ihre Arbeit genannt, in der sie die tiefe Zerrissenheit, die die dänische Malerin geprägt haben muss, genauso in Glas gegossen hat wie deren Faible für schöne, feminine Kleider.

Bei Renate Senger ist der Vorhang zur Bühne ein zarter, farbiger Schleier, sie wäscht ihre Acrylbilder nämlich - "bis zu 50 Mal", wie sie sagt. Hinter den changierenden Schichten scheinen die feinen Konturen von Nasen durch, von Augen und von vollen, sinnlichen Lippen. Gesichter noch und nöcher hat Senger mit Tusche gezeichnet, seit sie vor vielen Jahren in Afrika war, zwischendrin drängen immer wieder Blasen und Kreise an die Oberfläche. Warum, kann sie gar nicht so genau sagen. "Plötzlich sind alle Bilder grün geworden, dann kamen die Blasen, und danach die Gesichter", sagt Senger. Ein Konzept? Gibt es nicht. Die Kunst dränge eher aus ihr heraus, manchmal sogar mitten in der Nacht, dann stehe sie auf und könne gar nicht anders, als zu malen.

"Bilder einer Verwandlung" von Sylva Nohel. (Foto: Moses Omeogo)

Der Künstler und sein Werk, nicht immer lassen sie sich in ein Schema pressen. Die Straßlacher Künstlerin Renate Dürr findet allerdings auffallend klare Worte für ihre abstrakte Komposition aus Naturmaterialen und Acryl. "Flora und Fauna halten noch so viele Geheimnisse bereit, und wir zerstören sie, bevor wir sie überhaupt entdeckt haben", sagt Dürr mit Blick auf ihr Bild. Die Kokosfasern, die sie in das abstrakte Gemälde eingearbeitet hat, habe sie beim Spaziergang auf Teneriffa gefunden. Nun sind sie also Teil eines künstlerischen Appells für den Umweltschutz, verewigt in gedeckten Blau- und Grüntönen.

Keine aber hat den Titel der Ausstellung wohl so wörtlich genommen wie Gisela D. Rückert aus Grünwald, die ihren Stil als "entfremdet-gegenständlich" bezeichnet. Vor einem leuchtend gelben Hintergrund hat Rückert sich jener Ängste angenommen, die den Künstler kurz vor dem großen Auftritt auf der Bühne plagen können. Dem Lampenfieber, der Angst, vor dem Publikum kein Wort herauszubekommen. In Schwarz und Rot tanzen schemenhafte Figuren dem Himmel entgegen, drängen sich um einen Mond. Groß ist der, und schwarz. Ob er allerdings auch Zuversicht spenden kann, das bleibt dem Betrachter letztlich selbst überlassen.

Das Werk mit dem Titel "Wer bin ich..." von Barbara Leib ist neben anderen bei der Ausstellung zu sehen. (Foto: Moses Omeogo)

Die Ausstellung "Hinter den Kulissen" der Künstlergruppe "QuARTs" ist bis zum 21. Dezember im Bürgerhaus Unterföhring, Münchner Straße 65, zu sehen. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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