Süddeutsche Zeitung

Bezirkstagswahl:Im Schatten der Landespolitik

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Am Sonntag wird der Bezirkstag gewählt. Er ist für Soziales, Gesundheit und Kultur zuständig

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Sie sind eher die Nachtschattengewächse der bayerischen Politik - vielen unbekannt oder von manchen einfach nicht beachtet. Doch in Oberbayern etwa sind sie für einen Jahresetat von zwei Milliarden Euro verantwortlich: die derzeit 67 Bezirksräte des Bezirks Oberbayern. "Wir übernehmen Aufgaben, die den Freistaat und die Kommunen einfach überfordern würden", sagt einer, der es wissen muss.

Karin Hobmaier, 46, kümmert sich neben der psychiatrischen Pflege um Brauchtum, Naturschutz und Heimatpflege. Die Ismaningerin ist als Verwaltungsangestellte an der TU tätig.

Der Haarer Facharzt für Nervenheilkunde Günther Rödig, SPD, ist bereits seit zehn Jahren im Bezirkstag. Der 60-Jährige befasst sich mit psychischen Erkrankungen und Wohnungslosenhilfe.

Der Bildungsreferent Martin Wagner ist 47 Jahre alt und seit Jahren bei den Grünen Unterschleißheim aktiv. Seine Anliegen sind Jugendarbeit und -mitbestimmung sowie Inklusion.

Der 58-jährige Kirchheimer Gemeinderat Gerd Kleiber, FDP, setzt sich für gesellschaftliche Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und ein selbstbestimmtes Leben im Alter ein.

Sonja Dirl, 51, Freie Wähler, aus Heimstetten ist Münchner Kreisbäuerin Münchens. Sie beschäftigt sich mit Umweltschutz und plädiert für einen gelasseneren politischen Umgangston.

Der Großhandelskaufmann Florian Seifert, Linke, aus Garching ist 36 Jahre alt. Er möchte mehr Lohn für Pflegepersonal und eine bessere Versorgung von psychisch Erkrankten.

David Kiening, 43, ÖDP, aus Haar war früher Steinmetz, ist heute Arbeitstherapeut. Er möchte sich mit der dualen Finanzierung von Krankenhäusern und dem Bildungssystem beschäftigen.

Der Gautinger Rainer Gross, 57, AfD, will in den Bezirks- und den Landtag. Bisher ist der Kandidat ein unbeschriebenes Blatt in der Politik, er selbst bezeichnet sich als wertkonservativ.

Seit 40 Jahren sitzt der Ottobrunner Jan Murken für die SPD im Bezirkstag - wenn die Bayern an diesem Sonntag, 14. Oktober, aufgefordert sind, neben dem Landtag auch die sieben bayerischen Bezirkstage neu zu wählen, endet für den 84-Jährigen eine Zeit, die er sehr genossen hat - in der das Gremium, so sagt Murken, aber auch viel bewegt hat.

Ilse Weiß, 66, ist das soziale Gewissen der CSU im Landkreis - im Kreistag und seit 2008 im Bezirkstag. Sie war zwölf Jahre Bürgermeisterin in Neuried und stets eine Vertreterin der Schwachen.

Ramona Greiner, 31, SPD, ist Kuratorin und Web-Analystin. Gerade hat sie ihre Promotion abgeschlossen. Themen der Taufkirchnerin sind Digitalisierung und Armutsbekämpfung.

Frauke Schwaiblmair, 55, ist im Behindertenbeirat des Landkreises und sitzt für die Grünen im Kreistag. Dort setzt sich die Gräfelfingerin für Teilhabe und Barrierefreiheit ein.

Die Tierärztin Gabriela Berg, 57, FDP, aus Unterhaching, sitzt seit fünf Jahren im Bezirkstag. Sie setzt sich dort für Umweltschutz, eine Pflegereform sowie gute Altersversorgung ein.

Der Gräfelfinger Anwalt Florian Ernstberger, 58, kandidiert für die Freien Wähler im Landkreis. Als Bezirks- und Kreisrat liegt ihm die medizinische Vorsorge am Herzen.

Der Fotograf Karim El Nour, 22, aus Unterhaching beschäftigte sich als Schülervertreter mit Bildung und Jugendthemen. Der Linke will den Wohnungs- und Pflegenotstand angehen.

Die 36-jährige Katharina Graunke, ÖDP, arbeitet als Hundeverhaltenstrainerin und legt Wert auf nachhaltige Politik in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr und Gesundheit.

Martin Schmid, 38, AfD,aus Taufkirchen war vor seiner politischen Arbeit in der Solarbranche tätig. Er möchte mehr Personal für stationäre Pflegeeinrichtungen und Förderschulen im Bezirk.

Die Arbeit der sieben Bezirkstage im Freistaat ruhen gewissermaßen auf drei Säulen. Den größten Raum nehmen dabei die Bereiche Soziales und Gesundheit ein. Die Arbeit mit psychisch Kranken und die Verantwortung für diese Einrichtungen, die Arbeit mit geistig oder körperlich Behinderten, die Arbeit mit Kindern etwa in heilpädagogischen Einrichtungen oder in Kindertagesstätten. Die Bezirke tragen zudem Verantwortung für einen Großteil der Sozialleistungen. Hinzu kommen die Förderschulen und auch der Schutz der Gewässer.

Auf drei Säulen ruht die Arbeit

Die dritte Säule ist die Förderung der Kultur, die allerdings nur einen kleinen Teil der Arbeit ausmacht, wie Jan Murken sagt, der sich auch aufgrund seiner Arbeit bewusst dafür entschieden hat, sich auf Bezirksebene politisch zu engagieren. Murken ist noch heute einer der führenden Humangenetiker Deutschlands und war als Kinderarzt selbst immer wieder am Klinikum in Haar tätig.

Als einen der großen Erfolge des Bezirks in seinen 40 Jahren als Bezirksrat bezeichnet Murken den Zusammenschluss der oberbayerischen Einrichtungen unter dem Dach "Kliniken des Bezirks Oberbayern", dem neben dem Heckscher-Klinikum in München auch das Klinikum Haar angehört.

Es gibt auch enge Beziehungen der Bezirke zu den Landkreisen; nicht nur aufgrund die Bezirksumlage. Jüngst erst aber ging es tatsächlich ums Geld, als der Bezirk ankündigte, den Bereich der ambulanten Pflege von den Landkreisen zu übernehmen. Für den Landkreis hat das zur Folge, dass ihn dies aufgrund des künftigen, durch die Umlage finanzierten Systems statt bisher 1,9 Millionen Euro nahezu zehn Millionen Euro kosten wird.

Bisher gehören dem Bezirkstag Oberbayern aus den beiden Stimmkreisen des Landkreises vier ehrenamtliche Bezirksräte an: Ilse Weiß und Karin Hobmeier für die CSU, Jan Murken und Günther Rödig für die SPD. Eine Fünf-Prozent-Hürde wie auf Landesebene gibt es nicht.

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SZ vom 13.10.2018
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