Wohnungsnot:Der Boden für sozialen Fortschritt

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SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Eine Studie zeigt, dass viele Kommunen im Landkreis die Möglichkeiten nicht ausschöpfen, die die Wertsteigerung von Grundstücken bietet.

Von Iris Hilberth, Landkreis München

Bis zum Jahr 2023 werden im Landkreis München etwa 80 000 Wohnungen fehlen. Das hat der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum berechnet. Mal angenommen, all diese Wohnungen würden bis dahin gebaut sein, bleibt die Frage: Wer kann es sich überhaupt noch leisten, sie zu mieten oder gar zu kaufen? Nach einer Analyse von Empirica aus dem Jahr 2018 liegt der Landkreis München auf Rang vier der teuersten Regionen Deutschlands. Wie in allen Metropolen ist bezahlbarer Wohnraum eines der großen Themen, das Problem ständig steigender Immobilienpreise betrifft längst auch das Umland. Der Quadratmeterpreis für Bauland ist im Landkreis zwischen 2009 und 2019 im Durchschnitt um 214,1 Prozent gestiegen. Die Stadt München steuert seit 1994 mit dem Instrument der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) den Wohnungsbau und hat die Regelungen gerade erst wieder verschärft. Doch lässt sich dieses Modell zur Abschöpfung von Planungsgewinnen aus neu geschaffenem Baurecht auch auf den Landkreis übertragen?

Dieser Frage sind Tina Haller und Florian Schardt vom Managerkreis Bayern der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung nachgegangen und haben für ihre Studie in 16 der 29 Gemeinden und Städte des Landkreises die Instrumente der Wohnraumbeschaffung analysiert. Sie haben festgestellt: Nur sechs Kommunen haben bislang eine kodifizierte Sobon-Regelung. Die legt fest, dass bei neuem Baurecht ein Teil der Fläche von der Gemeinde erworben werden kann, um dort günstigen Wohnraum zu errichten. Es gibt auch die Möglichkeit, den Investor zu verpflichten, auf einem bestimmten Anteil der Fläche, etwa 30 Prozent, geförderte beziehungsweise soziale Wohnungen zu bauen und eine lange Bindungsfrist zu akzeptieren. Planegg, Putzbrunn, Kirchheim, Garching, Unterföhring und Unterschleißheim haben sich der Studie zufolge in den vergangenen fünf bis zehn Jahren unterschiedlich ausgestaltete Sobon-Regelungen gegeben.

"Es ist nicht so einfach wie in der Stadt, wo die Grundstückseigentümer oft anonym bleiben", sagt Schardt. Er ist SPD-Kreisvorsitzender und wohnt selbst in Ottobrunn, einer flächenmäßig kleinen Gemeinde, die zum überwiegenden Teil bebaut ist. Schardt kann sich die Zurückhaltung in vielen Gemeinden, mit einem solchen Schlüsselelement wie der Sobon den Wohnungsbau zu regulieren, erklären: "Im Landkreis gehören die Grundstücke oft den Landwirten, die man am nächsten Tag beim Bäcker trifft, oder die selbst in den Gemeinderäten sitzen." Das habe schon eine "andere Würze", da es ja ein Eingriff ins Eigentum sei.

Die Zahl öffentlich geförderter Wohneinheiten sinkt seit Jahren

Fakt ist allerdings auch, dass der Rückgang öffentlich geförderter Wohneinheiten das Problem noch verschärft. Schardt und Haller notieren in ihrer Studie die Zahlen aus dem Landratsamt: Demnach waren im Jahr 2012 in 20 Kommunen 1706 solcher Wohnungen verzeichnet, 2020 waren es nur noch 1201. Das entspricht einem Rückgang von etwa 30 Prozent. Die demografische Entwicklung werde die Wohnungsknappheit zusätzlich verstärken, mahnen die beiden Ersteller der Studie. Denn die Wohnungsbelegung, gemessen in Einwohner pro Wohnung, nehme in alternden Gesellschaften tendenziell ab. Als wesentliche Ursache dafür wird gesehen, dass viele Eltern auch dann in ihren Häusern oder Wohnungen bleiben, wenn die Kinder bereits ausgezogen sind. "Insofern dürfte sich der Trend einer steigenden Wohnfläche je Einwohner auch in den kommenden Jahren fortsetzen", schreiben Haller und Schardt. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, denn die Gruppe der Erwerbstätigen wird abnehmen, während die Senioren über 65 Jahre sowie die Kinder und Jugendlichen mehr werden. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern gibt es eine Fachkräftelücke in Bayern bis 2030 von 1,33 Millionen Erwerbspersonen. Im Landkreis München entspreche dies einer Lücke von rund 35 000 Erwerbstätigen, also zehn Prozent der Landkreisbevölkerung, heißt es in der Studie.

Bei ihren Befragungen von Bürgermeistern, Bürgermeisterinnen und Gemeinderatsmitgliedern wurde aber auch deutlich, dass die Gemeinden aufgrund des anhaltenden Zuzugs mit der oft notwendigen Nachverdichtung auf eheblichen Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Die Orte im Landkreis München sind durch einen hohen Anteil an Einfamilienhäusern geprägt, Geschoss- und sozialer Wohnungsbau wird abgelehnt, da eine Ghettoisierung befürchtet wird. Besonders groß scheine der Widerstand in Gemeinden zu sein, die ein eher niedriges relatives Wachstum aufwiesen. Dies führe dazu, dass zwar Baugrund vorhanden sei, aber kein neues Baurecht durch die Gemeinderäte ausgewiesen werde.

Die Macher der Studien sehen in gut gestalteten Sobon-Regeln durchaus ein geeignetes Instrument, im Landkreis aktiv die Schaffung bezahlbaren Wohnraums zu forcieren. Sie böten nicht nur die Möglichkeit, zur Durchmischung der Wohnquartiere in der Gemeinde beizutragen, sondern auch die Bauträger an der Finanzierung von Infrastruktur, Kinderbetreuungsstätten, Schulen und Straßen zu beteiligen. Größte Herausforderung sei dabei für die Gemeinden, die immer teurer werdenden Grundstücke zu erwerben, zumal attraktive Förderungen wie das nur noch bis Ende 2023 geltende Kommunale Wohnraumförderungsprogramms des Freistaates auslaufen, gab Haller zu bedenken.

In der Studie werden aber auch Alternativen aufgezeigt. Zwar wird das schon lange bekannte Einheimischenmodell eher als Auslaufmodell gesehen, da eine wirtschaftliche Realisierung aufgrund der Grundstückspreise für die förderberechtigten Personen gerade im Großraum München nahezu unmöglich ist. Genossenschaftliches Wohnen hingegen, das im Landkreis München bislang kaum ein Rolle spielt, stößt in den Gemeinden zunehmend auf Interesse. Noch fehle es in den meisten Fällen jedoch an Kapazitäten und lokalem Know-how.

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