Betrugsprozess um Hubschrauberprojekt:Unter Beschuss

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Eurocopter sieht sich über den Tisch gezogen, wegen fehlerhafter Schutzpanzerung. (Foto: Johannes Simon)

Ein Geschäftsmann steht wegen Betrugs vor Gericht. Er soll Eurocopter mangelhafte Schutzschilde verkauft haben.

Von Bernhard Lohr, Grünwald/Unterschleißheim

Gleich beginnt die Verhandlung. Jeden Moment kann sich die Tür öffnen, durch die der Richter und die Schöffen den Saal 275 im Landgericht betreten. Da fasst sich Matthias R. (Name geändert) plötzlich ins Gesicht. Die Nase blutet, einfach so. Die Gerichtsschreiberin, die bereits auf ihrem Platz sitzt, sieht es und fragt: "Brauchen Sie Hilfe? Wollen Sie ein Tempo?" Der Angeklagte nickt nur und nimmt das Taschentuch an. Er wirkt dankbar für die kleine Geste, die zu seiner neuen Rolle passt. Er war ein Macher, einer, der vor Ideen sprühte und als Vortragsreisender anderen die Welt erklärte. Doch das ist vorbei. Der ehemalige Geschäftsmann, der Firmen in Grünwald und Unterschleißheim hatte, sitzt vor Gericht, wegen zwei Fällen des Betrugs, einmal in besonders schwerem Fall. Er ist auf andere angewiesen.

Matthias R., der für einige Firmen im Münchner Umland als Fachmann im Bereich der Luft- und Raumfahrt tätig war, hatte sich mit einem eigenen Unternehmen auf ein Geschäft mit Eurocopter eingelassen. Er galt durch seine früheren Tätigkeiten in Fachkreisen als Experte für schwierige Aufträge. Er war mit Ministerien, mit dem BND, dem Militärischen Abschirmdienst und dem BKA schon in Geschäftsbeziehungen getreten. Hatte diverse Sicherheitschecks durchlaufen und galt und gilt manchem vielleicht auch noch bis heute als vertrauenswürdig und kompetent. Geschätzt wurde vor allem sein Wissen im Bereich Keramik, das zum Beispiel in der Raumfahrt als robustes und hitzebeständiges Material Anwendung findet. Und er hatte gezeigt, dass sich damit Schutzschilde entwickeln lassen, etwa auch für Hubschrauber. Für Eurocopter sollte Matthias R. also für den EC 135 und den EC 635 ein System entwickeln und auch produzieren, das die Besatzung durch feindlichen Beschuss schützt.

Doch statt andere zu schützen, geriet schließlich der heute 53-Jährige unter Beschuss. Er soll mangelhafte Keramikelemente geliefert haben, die statt von seiner Firma von einem Subunternehmer hergestellt worden sein sollen. Laut Anklageschrift soll er über zwei Rechnungen im Jahr 2008 dafür in betrügerischer Absicht 120 000 Euro kassiert haben. Bevor Richter Anton Winkler in die Erörterung des Sachverhalts einsteigt, kommt auch er dem Angeklagten erst einmal entgegen. Der hatte seinem Verteidiger Walter Schmidt deutlich gemacht, dass er nicht mehr in der Lage sei, ihn zu bezahlen. Deshalb bittet Schmidt darum, als Pflichtverteidiger installiert zu werden. Richter Winkler lässt die Formalie zu Protokoll geben.

Leben von Arbeitslosengeld II

An der Bedürftigkeit des Angeklagten zweifelt er nicht. Dieser bekennt, von gut 400 Euro Arbeitslosengeld II zu leben. Seine Firma, mit der er mit Eurocopter ins Geschäft gekommen war, ging infolge der Auseinandersetzung mit dem übermächtigen, einzigen Kunden insolvent. Die Bank setzte ihm wegen Bürgschaften in sechsstelliger Höhe das Messer auf die Brust. Seitdem ist er verschuldet.

Einen Job findet er nicht mehr. Er habe mehr als 80 Bewerbungen geschrieben, sagt der 53-Jährige vor Gericht. Alles vergeblich. "Eigentlich unvorstellbar", sagt Richter Winkler, "dass ein Mensch mit solch einem Wissen keinen Job bekommt."

Unabhängig von dem Betrugsvorwurf, über den sich das Gericht im weiteren Verfahren mit Hilfe von Zeugen ein Bild machen will, zeigt sich, dass Matthias R. tatsächlich ein findiger und auch kämpferischer Mensch ist. Nach einer Lehre zum Glasmaler machte er auf dem zweiten Bildungsweg das Fachabitur und arbeitete in der Keramikbranche. Unter anderem entwickelte er Herzklappen aus Keramik. Für seine Arbeitgeber war er offenbar ein Gewinn. 18 Patente, die auf ihn zurückgingen, hätten Firmen angemeldet, sagt er. Von einer schweren Krebserkrankung ließ er sich nicht entmutigen. Als er zuletzt keinen Job fand, suchte er mit einem von ihm konstruierten Windrad für Hausdächer sein Glück. Doch Geldgeber blieben aus.

Den Betrugsvorwurf weist Matthias R. am Mittwoch indirekt zurück. Er sagt, dass Eurocopter über alles in seiner Firma im Bilde gewesen sei. Andererseits: Eurocopter musste gelieferte Keramik-Bauteile wieder aus Hubschraubern ausbauen, weil sie luftfahrtrechtlich nicht zulässig gewesen sein sollen.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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