Betreuung:Dramatische Versorgungslücke

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Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit heilpädagogischem Förderbedarf im Landkreis steigt stetig an, doch es gibt zu wenig Betreuungsplätze. In Haar richtet die Inneren Mission Feldkirchen nun ein Haus mit 36 Plätzen ein

Von Bernhard Lohr, Haar

Auf dem Gelände der Jesuskirche an der Waldluststraße in Haar soll eine Heilpädagogische Einrichtung für bis zu 36 Kinder und Jugendliche entstehen. Es ist eine Tagesstätte für Kinder im Vorschulalter und für Schulkinder geplant, sowie eine Wohngruppe für Jugendliche. Die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Inneren Mission in Feldkirchen steht als Träger hinter dem Projekt, mit dem eine, wie es heißt, "dramatische" Versorgungslücke im Landkreis geschlossen werden soll. Das Bauvorhaben wurde eben auf dem Gemeindefest der Jesuskirche vorgestellt. Noch im Oktober soll es im Bauausschuss des Gemeinderats behandelt werden.

In der nächsten Zeit werden sich die Arbeiter am evangelisch-lutherischen Kirchenzentrum gleich auf mehreren Baustellen tummeln. Das aus den Siebzigerjahren stammende Gemeindezentrum wird generalsaniert, zugleich wird der vor einigen Jahren erneuerte Kindergarten erweitert. Vor allem aber entsteht auf dem Areal ein Neubau, in dem im Erdgeschoss und erstem Obergeschoss heilpädagogische Gruppen unterkommen. Im zweitem Obergeschoss, unter dem Dach, sollen Wohnungen etwa für Erzieherinnen entstehen.

Die Gesamtkirchengemeinde München errichtet für etwa fünf Millionen Euro an der Jesuskirche das Gebäude, das wohl eine Holzfassade erhalten wird. (Foto: Claus Schunk)

Die Kirche investiert in das Gebäude etwa fünf Millionen Euro, sagt Stefan Neukamm, Leiter der Bauabteilung im Kirchengemeindeamt München. Weitere zwei Millionen Euro kommen für den Umbau des Gemeindezentrums dazu, der laut Neukamm möglichst im Herbst beginnen soll. Auch bei der heilpädagogischen Einrichtung soll es möglichst Anfang kommenden Jahres losgehen. Denn als angepeilter Eröffnungstermin steht September 2021 im Raum.

Achim Weiss, Gesamtleiter der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Inneren Mission in Feldkirchen, hat es eilig. Die Plätze für Kinder und Jugendliche mit heilpädagogischem Förderbedarf würden im Landkreis dringend gebraucht, sagt er. Gruppen für Schulkinder bei der Inneren Mission in Feldkirchen und im Salberghaus in Putzbrunn seien voll. Besonders brisant sei die Lage bei Vorschulkindern von drei bis sechs Jahren. Er schildert einen Fall von einem fünfjährigen Kind aus Haar, das jeden Tag nach Garching gefahren werden muss. Haar sei eine Wachstumsgemeinde, die Zahl der Kinder mit heilpädagogischem Förderbedarf in der Region steige. Seit Längerem sehe der zuständige Bezirk Oberbayern die Notwendigkeit für eine weitere Einrichtung, sagt Weiss. Weil die Zeit so drängt, würde er am liebsten sofort eine neue Gruppe eröffnen. Er sucht nach Räumen, um als Provisorium die Tagesstätte eröffnen zu können. Als große, vielleicht die größte Herausforderung sieht Weiss allerdings an, qualifiziertes Personal zu finden.

In der neuen Einrichtung in Haar wird es im ersten Stock eine Wohngruppe für Jugendliche geben, in der auch - in der Region München angeblich einmalig - zwei rollstuhlgerecht ausgestattete Inklusionsplätze vorgesehen sind. Wenn diese belegt sind, werden in der Wohngruppe sieben Jugendliche unterkommen, ansonsten neun. Eine der drei Tagesstätten-Gruppen wird für Schulkinder geschaffen, zwei wird es für Vorschulkinder geben. Eine dieser Gruppen wird mit der Wohngruppe im ersten Stock unterkommen, zwei Gruppen werden im Erdgeschoss Platz finden.

In der heilpädagogischen Einrichtung werden Kinder und Jugendliche betreut, die besonders gefördert werden müssen oder Auffälligkeiten in der Sprache, der Motorik, im Spiel- und Lernverhalten oder in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung zeigen. Es sind manchmal Kinder mit autistischen Störungen oder mit ADHS. Das Ziel der Arbeit in dem Haus soll Weiss zufolge immer sein, Kinder so weit zu bringen, dass sie einen Regelkindergarten oder eine Regelschule besuchen können. Weiss setzt vor diesem Hintergrund auf eine Zusammenarbeit mit dem benachbarten evangelischen Kindergarten, mit dem sich die Einrichtung die Freifläche teilen soll. Aus Sicht von Dagmar Häfner-Becker, Pfarrerin der Jesuskirche, hat das Projekt "Modellcharakter". Zwei solche Einrichtungen direkt in Nachbarschaft gebe es bisher, wenn überhaupt, ganz selten.

Als die Pläne beim Gemeindefest der Jesuskirche präsentiert wurden, waren Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) und Gemeinderäte dabei. Vom Rathaus gebe es Unterstützung, heißt es. Auch haben sich Befürchtungen wohl zerstreut, die Einrichtung könnte in der Nachbarschaft auf Widerstand stoßen. Pfarrerin Häfner-Becker sagt, sie habe auf dem Gemeindefest "durchweg positive Resonanz" auf die Pläne festgestellt. "Wir wollen uns so in die Gesellschaft einbringen", sagt sie, "das füllt das gesamte Gelände mit Leben."

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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