Betreutes Wohnen:Wenn der Ehrenamtliche den Enkel ersetzt

Die Ottobrunner Nachbarschaftshilfe bietet seit kurzem betreutes Wohnen zuhause an. Der Service soll alten Menschen helfen, möglichst lange ein selbständiges Leben zu führen. In Garching gibt es das Projekt schon länger

Von Daniela Bode, Ottobrunn/Garching

Wohnen für Hilfe

In speziellen Wohngemeinschaften leben alte und junge Menschen unter einem Dach zusammen.

(Foto: Susann Prautsch/dpa)

Immer mehr Menschen sind bis ins hohe Alter gut auf den Beinen und wollen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Damit das auch funktioniert, wenn keine Angehörigen in der Nähe wohnen und mal nach dem Rechten schauen können, bieten einige Nachbarschaftshilfen im Landkreis München betreutes Wohnen zuhause an. Die Awo-Nachbarschaftshilfe Ottobrunn-Hohenbrunn-Neubiberg hat vor kurzem ein solches Projekt gestartet. Dass es andernorts mit dem Dienst nicht so läuft wie geplant, entmutigt die Verantwortlichen in Ottobrunn keineswegs.

"Ein paar Verträge über einzelne Leistungen haben wir mittlerweile abgeschlossen", sagt Veronika Meßner, Leiterin der Ottobrunner Nachbarschaftshilfe. Beispielsweise hatte sich eine 92-Jährige an sie gewandt, die alleine wohnt. Konkret interessierte sie sich für das Angebot, dass sie sich bei Bedarf bei der Nachbarschaftshilfe meldet, wenn sie etwa eine Hilfe beim Einkaufen braucht oder eine Begleitung zum Arzt. "Sie macht noch alles allein, wollte sich aber rechtzeitig erkundigen, welche Möglichkeiten sie hat", sagt Meßner.

Welche Leistungen ein Kunde bei der Nachbarschaftshilfe in Ottobrunn-Hohenbrunn-Neubiberg in Anspruch nimmt, kann er individuell in einem Vertrag zusammenstellen. Manche wünschen eine engmaschigere Betreuung mit regelmäßigen Besuchen und Telefonanrufen, andere brauchen nur einzelne Dienstleistungen wie eine Einkaufshilfe, die Begleitung zum Arzt, wieder andere benötigen vor allem eine Haushaltshilfe. "Bei unserem Standard-Basis-Betreuungsvertrag zahlt der Kunde nur, was er aktuell braucht, es wird stundenweise abgerechnet", sagt Meßner. Wer die persönliche Betreuung wünscht und den Service, dass sich jede Woche jemand telefonisch meldet, zahlt unabhängig von weiteren Leistungen einen monatlichen Beitrag von 25 Euro.

Ähnlich flexibel wird das auch bei anderen Nachbarschaftshilfen wie in Haar und Garching gehandhabt, die betreutes Wohnen zuhause schon länger anbieten. Wer in Haar etwa einen zweimaligen Besuch im Monat und telefonischen Kontakt wünscht, schließt einen Betreuungsvertrag mit der Nachbarschaftshilfe ab und zahlt einen monatlichen Beitrag. Ebenso kann man einzelne Leistungen wie Putz- oder Einkaufshilfe in Anspruch nehmen oder eine allgemeine Betreuung, die etwa Spaziergänge oder Unterhaltung zuhause umfasst. "Was sich der Kunde gerade wünscht", sagt Angelika Bosnjak, Ressortleiterin "Betreutes Wohnen zuhause" der Nachbarschaftshilfe Haar.

Die Anbieter schauen dabei auch darauf, dass die ehrenamtlichen Helfer und die Kunden etwas miteinander anfangen können. "Die regelmäßigen persönlichen Besuche übernimmt bei der jeweiligen Person immer der gleiche qualifizierte Helfer, wir schauen, wie die Biografie ist, dass das zusammenpasst", sagt Maria Esterlechner, Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe Garching, die das Angebot "Betreut zuhause wohnen bleiben" schon seit 2007 vorhält.

Die Ehrenamtlichen werden geschult und bekommen eine Aufwandsentschädigung für ihr Engagement. Immer wieder suchen die Einrichtungen Freiwillige, die gerne einen solchen Unterstützungsdienst für ältere oder beeinträchtigte Menschen leisten wollen. Die Nachbarschaftshilfe Ottobrunn-Hohenbrunn-Neubiberg würde sich beispielsweise über weitere Ehrenamtliche freuen (Telefon 089/99 01 66 96).

Die meisten Nachbarschaftshilfen verzeichnen ein reges Interesse an der Betreuung zuhause. "Wir sind zufrieden mit der Nachfrage und bekommen auch gute Rückmeldungen", sagt Bosnjak. Sie haben derzeit etwa vier Verträge über persönliche Betreuung laufen und etwa 80 über sonstige Leistungen wie Einkaufs- oder Haushaltshilfe. Auch bei der Nachbarschaftshilfe Garching bestehen laut Esterlechner derzeit etwa 100 Verträge über Betreuung bis hin zu Leistungen wie Einkaufshilfe, Verträge über ambulante Pflege, die die Nachbarschaftshilfe Garching ebenfalls anbietet, nicht eingerechnet. "Die Zahlen ändern sich immer wieder, aber die Nachfrage steigt", sagt die Geschäftsführerin.

Teilweise ist offenbar bei den nachgefragten Leistungen ein Wandel zu beobachten. "Früher war der Fokus auf der Betreuung und der Entlastung der Angehörigen, der Mensch war im Mittelpunkt", sagt Esterlechner. "Jetzt ist der Fokus der Kunden teilweise auf dem Haushalt", beobachtet die Geschäftsführerin. Sie vermutet, dass die Entwicklung auch mit einer Gesetzesänderung zu tun hat. Denn mittlerweile können Pflegebedürftige den sogenannten Entlastungsbetrag auch für Hilfe im Haushalt verwenden und über den Anbieter bei der Pflegekasse abrechnen. Zudem seien es heute mehr Pflegebedürftige, die diese Leistung erhalten.

Die vermehrte Nachfrage nach Hilfe im Haushalt kennt auch Bosnjak. "Da können wir uns kaum noch retten", sagt sie. Da gehe es ums Putzen und Kochen, aber auch um Dinge wie Hilfe beim Gemüse-Kleinschneiden, weil die Hände nicht mehr so beweglich seien. Ein Problem sehen die Leiterinnen der Nachbarschaftshilfen darin allerdings nicht. "Das gehört zu unserem Angebot dazu", sagt Bosnjak. Ähnlich formuliert es Esterlechner. "Wir orientieren uns am Bedarf der Kunden und sind auch bereit, uns auf Neuerungen einzustellen, natürlich gemäß der gesetzlichen Vorgaben." Das Angebot der Nachbarschaftshilfe Garching, die eben selbst auch einen ambulanten Pflegedienst hat, ist ohnehin sehr breit gefächert. "Unser Ziel ist, dass alles aus einer Hand kommt - wir wollen mithelfen, dass ältere Menschen länger in ihren vier Wänden leben können", sagt sie.

Für die Einrichtung "Betreutes Wohnen zu Hause" der Gemeinden Gräfelfing, Planegg und Krailling hingegen stellt die verstärkte Nachfrage nach Putzleistungen offenbar ein Problem dar. Der Hauptausschuss des Planegger Gemeinderats hat im November beschlossen, das Konzept der Einrichtung "gründlich zu überdenken" und auf "seine Zeitgemäßheit" zu überprüfen. Den Antrag hatte Cornelia David (parteifrei, SPD-Fraktion) gestellt. Im Vorfeld war im Lauf der Haushaltsberatungen für 2018 vor allem kritisiert worden, dass offenbar keine Hausbesuche mehr gewünscht seien, sondern sehr viele sich lediglich die Vermittlung einer Haushaltshilfe wünschten. "Aber das ist nicht die Aufgabe des Vereins", sagte David. Er war 2004 ins Leben gerufen worden.

Die Nachbarschaftshilfe Ottobrunn-Hohenbrunn-Neubiberg schreckt die Entwicklung jedenfalls nicht ab. Zumal sie sich für sie bisher auch nicht abzeichnet. "Bei uns rufen Leute an, die einen persönlichen Besuchsdienst brauchen, Haushalt ist schon ein großes Thema, aber ich glaube nicht, dass die Leute sich nur nach Putzhilfen erkundigen werden", sagt Meßner. Ohnehin wolle die Einrichtung Putzhilfen nur vermitteln und dafür keine eigenen Helfer schicken. Wichtig ist Meßner vor allem eines: "Wir wollen ein niederschwelliges Betreuungsangebot zur Verfügung stellen", sagt sie.

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