Moderne Kunst:Idylle und Avantgarde

Moderne Kunst: Der Maler Bernhard Pankok mit seiner Familie im Garten des Baierbrunner Sommerhauses.

Der Maler Bernhard Pankok mit seiner Familie im Garten des Baierbrunner Sommerhauses.

(Foto: Galerie Ostendorff, Münster)

Der bedeutende, aber weitgehend vergessene Maler, Grafiker und Designer Bernhard Pankok, der lange in Baierbrunn lebte, wäre heuer 150 Jahre alt geworden. Er gehört zu einer Reihe von Künstlern, die das Isartal immer wieder angezogen hat.

Von Udo Watter, Baierbrunn

Das Isartal südlich von München ist ein Sehnsuchtsraum und Bürgertraum - und doch ist es ein Unterschied, ob man rechts oder links des Flusses sein Häuschen (respektive seine Villa) bewohnt. Auf der Grünwalder Seite hat man selten bis nie einen freien Blick hinab zum Wasser, mit den eindeutig schöneren Aussichten auf das Isarflimmern kann die Hangkante entlang dem Pullacher oder Baierbrunner Gemeindegebiet aufwarten.

Der Maler Bernhard Pankok hatte von seinem idyllischen Sommerhaus im Süden Baierbrunns aus einen grandiosen Blick: auf den mal grünen, mal leuchtenden Mischwald, den blau funkelnden, leicht mäandernden Fluss - und im Hintergrund die Galerie der bayerischen Alpen. Kein Wunder, dass ein Augenmensch, wie der 1872 in Münster geborene Künstler, diesen Anblick immer wieder mal auf Leinwand bannte. Sein Sommerhaus am Rand des steil abfallenden Waldes hatte das Multitalent aus Münster, das in den 1890ern nach München kam und später auch das Isartal entdeckte, in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts selbst entworfen. Pankok war nicht nur Maler, sondern auch Architekt, Grafiker, Bühnenausstatter und Designer. Der Mann, der von 1902 an seinen Lebensmittelpunkt in Stuttgart hatte, die letzten Jahre seines Lebens aber wieder vornehmlich in Baierbrunn verbrachte, wäre heuer 150 Jahre alt geworden.

Moderne Kunst: Pankoks "Blick ins Isartal", Öl auf Holz von 1923, im Originalrahmen, nach dem Entwurf des Künstlers gefertigt.

Pankoks "Blick ins Isartal", Öl auf Holz von 1923, im Originalrahmen, nach dem Entwurf des Künstlers gefertigt.

(Foto: Galerie Ostendorff, Münster)

In der kleinen Isartalgemeinde, die er immer wieder malerisch fest gehalten hat, erinnert nicht viel an ihn. Es gibt einen Bernhard-Pankok-Weg, aber das war's im Wesentlichen. Monika Limmer, selbst Malerin und seit vielen Jahren in Baierbrunn lebend, weiß freilich eine Menge über den Künstler, der als früher Mitarbeiter der Zeitschrift "Jugend" in München, als Gestalter des deutschen Katalogs zur Weltausstellung in Paris 1900, aber vor allem auch als langjähriger Direktor der Kunstgewerbeschule Stuttgart eine prägende Figur war für die deutsche Kunstgeschichte. "Er hat sich nicht festgelegt", sagt Limmer, die sich selbst auch als künstlerische Allrounderin begreift, "er hat gemalt, Möbel entworfen, Kerzen, Personenkabinen für Zeppeline, ein Bodenseedampfschiff eingerichtet und herausragende druckgrafische Werke gemacht". Sie erzählt von dem einen oder anderen alten Baierbrunner, der als Kind Bernhard Pankok noch kennengelernt hatte. Gestorben ist der Künstler 1943, laut Limmer wahrscheinlich in München und nicht in Baierbrunn (wie auf seiner Wikipedia-Seite zu lesen ist); sicher ist, dass er in dem kleinen Isartaldorf begraben wurde.

Das Grab ist inzwischen aufgelöst - es gibt aktuell Bemühungen, die Urne in seiner Geburtsstadt Münster angemessen unterzubringen - und das einstige Sommerhaus, in dem er auch während seiner Stuttgarter Zeit immer wieder gewesen ist, gibt es auch nicht mehr. Obwohl es dort, am Isarhochufer am südlichen Ausgang der Gemeinde beim Friedhof, sogar mal Bestrebungen nach dem Krieg gab, ein Museum einzurichten, wie Monika Limmer und der Münsteraner Galerist und Pankok-Experte Andreas Gattinger erklären, wurde es letztlich doch abgerissen. Heute steht dort eine Villa, von der man ebenfalls einen atemberaubenden Blick in das Isartal werfen kann und in der unter anderem mal ein Fußballstar des FC Bayern kurzzeitig gewohnt haben soll.

"Baierbrunn war eine Art Künstlerkolonie."

Wie kam Pankok, der ein universell interessierter Künstler war, welcher in seinem Arbeiten auch immer Handwerk und Gewerbe im Blick hatte, überhaupt ins Isartal? Nicht zuletzt über einen befreundeten Künstler, den ebenfalls aus Münster stammenden Landschaftsmaler und Grafiker Ferdinand Coppenrath, der lange in Baierbrunn lebte und dort eine 1906 erbaute Jugendstilvilla an der Hermann-Roth-Straße besaß. "Baierbrunn war damals so eine Art Künstlerkolonie" sagt Limmer. Die Münsteraner Männer-Künstlerfreundschaft zeitigte auch einen romantischen "Neben"-Effekt: Pankok heiratete 1901 Ferdinands Schwester Antonette "Toni" Coppenrath. Nachfahren der Coppenraths wohnen noch immer in Baierbrunn - ganz in der Nähe der Villa übrigens, wo Christel Fischer lebt, die Witwe des 2004 verstorbenen Bildhauers Lothar Fischer, der mit dem lange in Pullach wohnenden Maler Helmut Sturm die wichtige avantgardistische Künstlergruppe "SPUR" in den Fünfzigern mitbegründete.

Moderne Kunst: Monika Limmer, selbst Malerin und im Heimatverein Baierbrunn aktiv, hat sich in diesem Jubiläumsjahr ausführlich mit Bernhard Pankok befasst.

Monika Limmer, selbst Malerin und im Heimatverein Baierbrunn aktiv, hat sich in diesem Jubiläumsjahr ausführlich mit Bernhard Pankok befasst.

(Foto: Claus Schunk)

Monika Limmer, die heuer schon mit ihrer Buchenhainer Atelierpartnerin Petra Keil in den Räumen des Vereins "Mittendrin in Baierbrunn" Arbeiten ausgestellt hat ("Impression Gmoid"), kann also quasi aus einer reichen kunsthistorischen Vergangenheit am Ort schöpfen - aber nicht nur das, das Vermächtnis des Verlegers und Kunstmäzens Rolf Becker (Apotheken-Umschau) ist ja auch aktuell und jeden Tag im Ortzentrum rund um die Wort & Bild Verlagsgebäude zu sehen: moderne Skulpturen von Lothar Fischer über Eduardo Chillida, Jaume Plensa und Fritz Koenig bis hin zu Magdalena Abakanowicz.

Bernhard Pankok gilt hingegen als der wichtigste und erfolgreichste aus Münster stammende Künstler, wie Andreas Gattinger von der dortigen Galerie Ostendorff erklärt. In Westfalen ist er in diesem Jubiläumsjahr auch schon ausgiebig gefeiert und gewürdigt worden. Für Gattinger ist Pankok vor allem wegen seiner langjährigen Tätigkeit an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart ein Protagonist in der Entwicklung der künstlerischen Moderne: "Er hat dort mit seiner Lehrtätigkeit ganz neue Maßstäbe gesetzt und die Kunst ins Handwerk reingebracht." Und wurde so gleichsam auch zu einem der Vorväter der 1919 von Walter Gropius gegründeten "Bauhaus"-Bewegung. Auch als einer der mitgestaltenden Figuren des "Jugendstils" (Arbeiten für die Zeitschriften "Jugend" und "Pan") war er wichtig, seine Buchgrafiken und Möbel fanden und finden noch heute Anerkennung. "Auch das Museum of Modern Art hat Möbel von ihm", so Gattinger. Als Maler war Pankok indes eher kein Avantgardist und vom Expressionismus oder Kubismus nicht übermäßig beeinflusst. 1937 hat er schließlich als Direktor der Kunstgewerbeschule aufgehört - er war wohl kein Freund des NS-Regimes und nie Parteimitglied der NSDAP, hat sich aber vermutlich angemessen arrangiert. Seine letzten Lebensjahre hat er wieder in seinem Baierbrunner Haus verbracht.

Monika Limmer, die auch einige kleinere Werke von Pankok besitzt, mag vor allen seine Radierungen und Lithografien. Den Künstler wieder bekannter in Baierbrunn zu machen, wünscht man sich auch beim örtlichen Verein für Heimatpflege, wo Limmer aktiv ist und sich im Jubiläumsjahr ausführlich mit ihm befasst hat. Eine Möglichkeit, dies zu forcieren, wäre es, eines der zahlreichen Bilder Pankoks mit Baierbrunner Motiven und Ortsansichten zu erwerben - und vielleicht sogar im Rathaus aufzuhängen. Beim Heimatverein spielt man jedenfalls mit diesem Gedanken. Hat ja nicht jede Gemeinde das Glück, Sujet eines bedeutenden Malers gewesen zu sein.

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