Berg am Laim wählt:Wie eine Patchwork-Familie

Auch wenn traditionell die SPD dominiert: Alle Parteien arbeiten im Bezirksausschuss Berg am Laim harmonisch zusammen. Nun nehmen einige Altgediente Abschied.

Von Renate Winkler-Schlang

München, Berg-am-Laim, Telekom Tower,

Berg am Laim hat viele Gesichter. Der Telekom-Tower steht für das Moderne, das Neue. Weitere große Bauvorhaben stehen an.

Es gibt Bezirksausschüsse, die sich in stundenlangen Satzungsdebatten zermürben oder bei Abstimmungen stets abschnittsweise votieren wollen, weil jede Fraktion jedes Wort auf die Goldwaage legt und viele Mitglieder sich gerne reden hören und unbedingt profilieren wollen. Andere sind in ständigem Clinch mit den Referaten der Stadtverwaltung. Berg am Laim ist anders: bodenständig, harmonisch, sachorientiert, pragmatisch.

Diesen Stil hat der langjährige Vorsitzende Josef Koch geprägt, ein alter Eisenbahner, der vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat und den Weg frei machte für Robert Kulzer (SPD). Unter Kulzer ist der Ton im Gremium eher noch moderater geworden, denn anders als Koch, der durchaus auch mal lospoltern konnte, wenn ihm irgendwas zuwider war, bemüht sich Kulzer um eher leise Töne. Von Nachteil ist das nicht.

Vor sechs Jahren hatte es erst mal nicht nach einer so friedlichen Amtsperiode ausgesehen. Von 2o02 bis 2008 gab es im BA Berg am Laim eine Allparteienregierung aus Rot und Schwarz, denn die Grünen, für die sich einst sogar der junge Hep Monatzeder in Berg am Laim die ersten Redeschlachten lieferte, hatten im Jahr 2002 gar keine Liste zustande gebracht. Dass dann 2008 plötzlich drei Grüne und dann auch noch die damalige Stadträtin und spätere Europaabgeordnete Nadja Hirsch für die FDP ins Gremium drängten, daran schienen sich die alten Recken erst gewöhnen zu müssen.

Man war nicht mehr unter sich. Die vier Neulinge wurden skeptisch beäugt und mussten dicht gedrängt am Kopfende des CSU-Tisches sitzen wie am Katzentisch. Bei der Wahl zum Vorstand wurde die Grüne Brigitte Schulz sogar für einen Beisitzerposten übergangen, die Mehrheit wählte damals lieber Karl-Heinrich-Schepsmeier von der SPD - obwohl der gar nicht kandidiert hatte. Auch die Unterausschüsse teilten SPD und CSU unter sich auf wie in alten Zeiten.

Doch während bei der FDP das Personal zweimal wechselte und die Liberalen selten Position bezogen, wurstelten sich die neuen Grünen freundlich und unbeleidigt rein ins Gremium. Brigitte Schulz übernahm die arbeitsintensive Aufgabe der Baumschutzbeauftragten mit viel Eifer und erwarb sich damit Respekt, auch wenn nicht alle immer ihrer Meinung waren. Und als nach Kochs Abschied die Karten neu gemischt wurden, hatten die alten Hasen zu den Grünen schon so viel Vertrauen, dass sie Jennifer Brichzin zur Sprecherin des Kulturausschusses wählten.

Damit hatte sie eine noch viel arbeitsintensivere Aufgabe als die Baumschutzbeauftragte, denn 2013 stand die 100-Jahr-Feier der Eingemeindung Berg am Laims nach München an und geplant war aus diesem Anlass ein ganzes Festjahr.

Es war, vor allem dank des großen Engagements von Brichzin und ihres Festausschusses, ein gelungenes Jahr, das die Menschen zusammenbrachte. Längst war die Stimmung im BA wieder locker geworden, auch Grünen-Sprecher Hubert Kragler lobt die gute Zusammenarbeit. Aus "Frau Brichzin" wurde "Jenny": Die Grünen sind wieder angekommen.

Überhaupt wird viel geduzt in dem Gremium, in dem manche sich schon aus dem Gymnasium kennen, andere aus dem Eisenbahnersportverein. Und sogar aus der eigenen Familie: Bei der CSU ist der Name Anton Spitlbauer doppelt vertreten, Vater und Sohn sorgen für politische Kontinuität. Bei der SPD ist nach dem Weggang Josef Kochs immerhin noch dessen Tochter Alexandra vertreten.

Diese tritt weit hinten an für 2014, dafür aber vorne ihr Mann, Kochs Schwiegersohn Thorsten Bötzow, der BA-Erfahrung von früher mitbringt. Kulzers Frau Anna von Chossy war im Gremium, bis sie Babypause machte.

Seit sein ursprüngliches Tagungslokal im ehrwürdigen, inzwischen aber abgerissenen Gasthof Humplmayer geschlossen hatte, war der BA in der Taverne Odyssee in der Maikäfersiedlung im kalten Hinterzimmer, direkt vor der Volksbühne, zu Hause. Doch dort wird saniert und das neue Tagungslokal, die Mensa der Ludwig-Thoma-Realschule an der Fehwiesenstraße, trägt zur sachlichen Arbeitsatmosphäre bei.

Da bleibt man, bis irgendwann ein Berg am Laimer Bürgerhaus steht. Dass Kulzer sich dafür stark macht, unterscheidet ihn von seinem eher bescheidenen, und sich mit Vorhandenem arrangierenden Vorgänger Koch. Kulzer nimmt die Dinge in die Hand, wird aktiv, führt Gespräche zieht an Strippen. Berg am Laim hat mit der CSU-Frontfrau Eva Caim nur eine einzige Stadträtin.

Auch die Berg am Laimer Grüne Petra Tuttas hat mit Platz 31 schlechte Karten. Kulzer selbst kandidiert auch für den Stadtrat, doch die SPD hat ihm mit 39 einen fast aussichtslosen Listenplatz zugedacht: Wenn "seine" Berg am Laimer ihn nicht weit vorhäufeln, wird das nichts.

Dabei hätte er zum Wohle des Viertels gerne einen noch direkteren Draht zur Stadtverwaltung. Momentan kommen alle, die ein Anliegen haben, erst mal zu ihm, etwa Investoren, die an der Neumarkter Straße Wohnungen bauen wollen.

Kulzer, der zuvor schon den BA-Planungsausschuss geleitet hat, zeigt Gestaltungswillen. Und vieles sieht gut aus. Anton Spitlbauer senior hat zwar Sascha Multerer den CSU-Sprecherposten überlassen, ist aber der erfahrenste in der CSU. Er bescheinigt Kulzer ebenfalls einen kollegialen Stil. Kulzer müsse nur erst merken, dass nicht alles, was angekündigt ist, auch schon ein realisierter Erfolg sei.

Kulzer will als Vorsitzender weitermachen und Kragler gibt zu erkennen, dass die Grünen bei der Kür helfen würden. Und der CSU wäre das vielleicht sogar recht: Stadträtin Caim steht zwar als Zugpferd an erster Stelle der BA-Liste, doch in der vergangenen Sitzungsperiode fiel die Gesundheitspolitikerin im BA nicht durch viel Engagement fürs Viertel auf. Spitlbauer wagt keine Prognose, wer von der CSU kandidieren würde - sein Sohn, er selbst, der Ortsverbandsvorsitzende Franz Xaver Geis - sollte, was eher überraschend wäre, die Mehrheit danach sein. Dass man dann dem inzwischen bewährten Kulzer von der SPD den Vorsitz nicht überlassen würde, sei aber auch klar.

Wie auch immer, die Wahl wird den Abschied bringen von einigen der BA-Urgesteine. Bei der CSU wird man etwa Sascha Multerer oder Franz Weiß vermissen. Die SPD wird wohl ohne den bisherigen "Alterspräsidenten" Helmut Kolmeder auskommen müssen. Er kandidiert ganz hinten. Auch Peter Baier, Bernd Stütze oder Karl-Heinrich Schepsmeier wollen sich zurückziehen. Auf jeden Fall dürfte das neue Gremium weiblicher werden. Die bisherige stellvertretende Vorsitzende Daniela Schäfer zum Beispiel will weitermachen.

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