Freizeit in Bayern:Ist das hier der Isarradweg?

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Die beliebte Fernroute ist im Norden und Süden von München mitunter schwer zu finden. Das liegt an der spärlichen Beschilderung - und an der Vielzahl von Strecken für Radler am Fluss.

Von Bernhard Lohr

Das Erlebnis beginnt mit den ersten Metern. Gleich ein kurzes Stück rechts von der Hauptstraße in Dietersheim geht es hinein in das Grün aus Wiesen, Maisfeldern und Wäldern. Wer dem ausgeschilderten, verschlungenen Weg zum Isarradweg folgt, stößt bald auf den derzeit viel Wasser führenden Fluss, der dem Freizeitradler auf den nächsten etwa 50 Kilometern vorbei an Garching, Ismaning und Unterföhring, durch die Landeshauptstadt und weiter bis nach Grünwald, Straßlach und Schäftlarn ein Begleiter sein wird. Und sofort wird klar, warum die Isar oft als Wildfluss gepriesen wird. Auf dem Isarradweg sind Abwechslung und Urlaubsfeeling garantiert, ohne dass man weit reisen muss.

Am Morgen um 8 Uhr ist es noch angenehm kühl. Einige sind da schon unterwegs. Ein sportlicher Radler in voller Montur macht von München kommend Tempo, während eine junge Frau mit Badetuch im Fahrradkorb wohl ein ruhiges Plätzchen sucht. Der gut befahrbare Kiesweg führt leicht gewunden unter dem Blätterdach dahin, bis man das erste Mal neugierig an einer Fußgängerbrücke anhält, wo eine Erinnerungstafel darauf hinweist, dass der Verein zur Sicherstellung überörtlicher Erholungsgebiete 1979 die Erschließung der nördlichen Isarauen vorangetrieben hat.

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Nachts bei Hochwasser auf den Fluss? Das ist unverantwortlich - nicht nur sich selbst, sondern auch den Einsatzkräften gegenüber. Und oft genug spiegelt sich dieser Egoismus auch gegenüber der Isar wider.

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Während man den Planern von damals innerlich noch dankt, freut man sich am Anblick eines älteren Paares, das auf einer Halbinsel auf einem umgestürzten Baum Rast macht. Und man begegnet bald denen, die heute die Wege instandhalten. Denn 50 Meter nach der Grenze der Landkreise Freising und München ist der Radweg halb gesperrt, weil das jüngste Isarhochwasser den Weg unterspült hat. Risse im Boden zeigen, dass der Weg abzurutschen droht. Ein kleiner Bagger ist im Einsatz, ein Fahrzeug des Wasserwirtschaftsamts kommt auf dem Radweg angefahren.

Die Tourenplanung war für den Gelegenheitsradler nicht ganz einfach. Die digitale Karte zum Isarradweg, die auf der Homepage www.isarradweg.de zu finden ist, hilft nur bei der groben Orientierung. Also verlässt man sich auf die Beschilderung. Und das wird dann zum Problem. Denn die Schilder helfen nicht immer und können in die Irre führen. So radelt man fröhlich links der Isar flussaufwärts dahin unter der B 471 hindurch, wo in der Unterführung ein Obdachloser sein Quartier aufgeschlagen hat. Einen halben Meter vor seinen Füßen flitzen die Radler wild klingelnd um die Ecke und durch die Röhre. Der junge Mann, der am Boden kauert, ist freundlich, aber wortkarg. Auf die Frage, ob er schon Radlunfälle erlebt habe, nickt er heftig und sagt offenbar "Ja" in einer fremden Sprache.

Nach der Unterquerung der Autobahn kommt man an einer der Silhouette eines Isarwächters nachempfundenen Infotafel vorbei, die einem den Beruf des Flussmeisters erklärt und auf der zu erfahren ist, dass an der Stelle bis 2009 das Unterföhringer Wehr stand. Dieses wurde durch eine naturnahe "Raue Rampe" ersetzt, die Fische überqueren können. 23 000 Tonnen Steine wurden dafür verbaut, was 1150 Lkw-Ladungen entspricht. Ein Gedenkstein erinnert an zwölf Arbeiter, die beim Bau der Isarbrücke am 18. Juni 1924 bei einem Fährunglück ertranken.

Der Weg geht weiter, schöne Badeplätze tun sich auf, bis sich beim Aumeister in München am Nordende des Englischen Gartens die Frage stellt, ob man überhaupt noch richtig ist. Klar könnte man jetzt weiterradeln. Doch der Blick auf die Karte zeigt: Der Isarradweg ist das dann nicht mehr. Man hätte längst die Flussseite wechseln müssen. Also zurück. Und beim Blick auf die Beschilderungen, wo man denn nun was übersehen hat, ärgert man sich schon bisschen. Die typischen Isarradweg-Schilder gibt es da nicht mehr, dennoch wird der Radler auf einer schwer leserlichen Tafel weiter links der Isar in Richtung München geführt, wo man intuitiv sowieso gefahren ist.

Am Grünwalder Berg werden die Radler sogar auf die Straße geschickt und müssen sich mühsam neben Autos nach oben kämpfen. (Foto: Claus Schunk)

Doch die digitale Karte gilt. Also über die Fußgänger- und Fahrradbrücke aufs andere Ufer, wo eine große Hinweistafel zum "Münchner Radlnetz" zeigt, dass man jetzt richtig ist. 1200 Kilometer ist das Netz lang, lernt man da - mit 250 beschilderten Radlrouten. Aha. Auch der Isarradweg ist wie auf einem S-Bahnfahrplan ausgewiesen - mit den Endstationen in Freising im Norden und Wolfratshausen im Süden für die Münchner Etappe.

Das hilft. Im weiteren Verlauf, jetzt rechts der Isar, kann man sich an der Wolfratshausen-Beschilderung orientieren. Vom Isarradweg ist nur noch hier und da die Rede auf einem Schild, das aus früheren Zeiten stammt. Ein einheitliches Konzept fehlt, was auch der ADFC-Beauftragte im Landkreis München, Hartmut Schüler, beklagt und was man im Münchner Landratsamt erkannt hat. Bis Ende des Jahres soll ein mit den Kommunen abgestimmtes Radverkehrs- und Beschilderungskonzept vorliegen, bestätigt die Kreisbehörde.

Der Weg durch die Großstadt, die im Grün der Isarauen weit weg scheint, erschließt sich derweil auch so. Und es wird deutlich, was es heißt, einen Wildfluss in der Metropole zu haben. Die Strecke führt durch Bogenhausen den idyllischen, stangengeraden Heinrich-Mann-Weg entlang, wo am späten Vormittag Jogger unterwegs sind und Spaziergänger mit Hund. Man passiert das Maximilianeum, bis es beim Müllerschen Volksbad und Deutschen Museum städtisch wird. Enge Unterführungen mit Graffiti sind zu passieren und man sieht weite Wiesen, auf denen sich ein paar Sonnenhungrige dort ausgebreitet haben, wo abends die Feiernden zusammenfinden.

"Sobald der Fisch drin ist, geht es wieder heim"

Das forderndste Teilstück aber steht noch bevor. Nach dem Tierpark und nach der Menterschwaige, wo man den Blick auf schöne Badeplätze auf den Kiesbänken genießt, die sich nach dem Hochwasser wieder auftun, wird es unerwartet wild. Mächtige Baumstämme liegen quer auf dem Fernradweg, eine rot-weiß markierte Absperrung steht dort, daran das Schild "Durchgang gesperrt - Steinschlaggefahr". Es folgen zwei weitere solche Stellen.

Der Weg ist uneben, es geht auf und ab, Steine und Furchen erschweren die Fahrt. Eine geführte Radlgruppe kommt entgegen, mit älteren Radlern, die mit den widrigen Umständen kämpfen. An einer ebenfalls mit einer Absperrung versehenen Gabelung kurz vor Grünwald sieht keiner der beiden Wege vertrauenswürdig aus. Auf den Rat eines kundigen Radlers geht es nach links, wo sich die Strecke bald wieder als besser befahrbar erweist.

Gerade das Teilstück bei Grünwald und Straßlach-Dingharting ist problematisch und auf Abschnitten unattraktiv. Am Radlertreff-Kiosk "Mini-Brückenwirt" werden die Radler auf die Serpentinenstraße hinauf ins Zentrum von Grünwald geführt. Zwischen den Autos keucht man da hoch. Hartmut Schüler vom ADFC beklagt den ramponierten Weg im Auwald und die Streckenführung, die Kindern und Senioren nicht gut zuzumuten sei. Grünwald könnte sich von seiner besseren Seite zeigen, findet Schüler. Und wer mit dem Radl einen Schlenker zur Grünwalder Burg macht, kann das nur bestätigen. Gleich hinter der Burgmauer existiert dort sogar ein Pfad, den man als Verbindung zum Radweg in den Isarauen nutzen könnte.

"Bisserl steil", ruft ein Radler, der beobachtet, wie man sich das anschaut. Es ist Ingolf Schwaldt, 58, aus Erfurt, der mit seiner in München lebenden Cousine Monika Kayser mit dem Rad unterwegs ist. Beide fahren zum Wirtshaus Bruckenfischer am Isarkanal nahe Straßlach, wo sie Pause machen und in der Kühltasche Fisch mitnehmen wollen. "Sobald der Fisch drin ist, geht es wieder heim", sagt Monika Kayser.

Mit den beiden geht es ein Stück weiter auf dem Isarradweg, der durch Grünwald auf einem kombinierten Fuß- und Radweg gen Süden führt und an der Ortsgrenze rechts in der langsam drückenden Mittagshitze durch den Wald vorbei an Straßlach bis zu einer Bank, die als Aussichtsplatz übers grüne Isartal den vorletzten Rastplatz abgibt.

Nur ein Windrad ist in der Ferne über den Baumwipfeln zu sehen und ein Kirchturm. Radler kämpfen sich den steilen Kiesweg hinauf. In umgekehrter Richtung ist der gut zu bewältigen, wenn man viel bremst und das Tempo entsprechend drosselt. Unten geht es auf den asphaltierten Weg, der zum Gasthaus "Zur Mühle" führt und auf dem Radler so schnell angeschossen kamen, dass für sie ein Fahrverbot verhängt wurde, gegen das ein Radler derzeit klagt.

Dabei verbietet sich Rasen, wenn man die Schönheit der Natur genießen will. Die totale Entspannung kehrt bei einer Radlerhalbe am Gasthof "Zur Mühle" neben dem Kraftwerk mit der längsten Floßrutsche auf der Isar ein, wo in Nicht-Corona-Zeiten Ausflugsgruppen von Flößern gen München geschippert werden. Wer sich die Belohnung für die Radtour noch nicht gegönnt hat, bekommt nach kurzer Fahrt Gelegenheit beim Bruckenfischer oder dann - nach dem Ausstieg aus dem Isarradweg - im Biergarten am Kloster Schäftlarn. Ein letzter Tipp: Gar nicht mehr rauf aufs Radl, sondern hinterm Kloster den sehr, sehr steilen, recht kurzen Weg schieben bis zur S-Bahn an der Station Ebenhausen-Schäftlarn, von wo es ohne Muskelkraft zurück nach München geht.

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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