Süddeutsche Zeitung

Belastete Straßennamen:Mehrheit gegen Hindenburgplatz wackelt

CSU und Unabhängige im Feldkirchner Gemeinderat lehnen die von SPD und Bürgerversammlung befürwortete Umbenennung ab. Grüne und Parteifreie wollen sich vor der Sitzung am Donnerstag nicht festlegen

Von Anna-Maria Salmen, Feldkirchen

Wie soll Feldkirchen mit der Erinnerung an die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte umgehen? Um diese Frage geht es am Donnerstag im Gemeinderat. Zur Abstimmung steht ein Antrag des ehemaligen SPD-Gemeinderats Karl-Heinz Schmidt, den Hindenburgplatz in der Ortsmitte umzubenennen. Auf der Bürgerversammlung im Oktober hatte eine große Mehrheit für den Antrag gestimmt. Ob dieser allerdings auch eine Mehrheit im Rathaus findet, ist fraglich. Zwei Tage vor der Sitzung erklärte nur die SPD ihre Unterstützung. CSU und Unabhängige Wählervereinigung (UWV) wollen gegen eine Umbenennung votieren, Grüne und Parteifreie sich vorab nicht festlegen.

Der Platz gegenüber Rathaus und evangelischer Kirche ist seit den Dreißigerjahren nach dem Generalfeldmarschall des Ersten Weltkriegs und späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg benannt, der 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. "Ich finde es völlig unsäglich, dass wir in der heutigen Zeit noch so einen braunen Namen im Zentrum von Feldkirchen haben", sagt Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck (SPD). Er hatte bereits 2012 einen Vorstoß für die Umbenennung unternommen, war aber an der CSU-Mehrheit im Gemeinderat gescheitert. Die Benennung eines Platzes oder einer Straße sei eine Ehrung, der Name Hindenburg dafür fehl am Platz. "Wenn man sich überlegt, wie viele Menschen im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen sind, ist das heute unvorstellbar." Für den Fall, dass der Gemeinderat einer Namensänderung zustimmt, hat der Rathauschef einen persönlichen Favoriten: "Ich würde den Namen Europaplatz bevorzugen, gerade angesichts der aktuellen Situation." Rückendeckung erhält van der Weck von seiner eigenen Partei. "Die SPD ist für eine Umbenennung", sagt Gemeinderat Franz Reinheimer. Er selbst hält Hindenburg für einen "Steigbügelhalter Hitlers" und ist der Meinung, "dass man den Namen aus der Geschichte heraus ändern müsste".

Doch nicht alle Gemeinderäte teilen diese Ansicht. So kündigte CSU-Fraktionssprecher Ulrich Rüßmann am Dienstag an, seine Partei werde gegen den Antrag stimmen. "Wir sehen einfach keinen Bedarf." Ihm sei durchaus bewusst, dass viele Historiker Hindenburg negativ bewerten. Seiner Meinung nach könne man allerdings ein einziges Ereignis - die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler - nicht auf das ganze Leben des Menschen übertragen. Rüßmann weist außerdem auf die Folgen hin: "Es gibt in Feldkirchen auch eine Zeppelin- und eine Richthofenstraße. Die müssten wir dann ja auch umbenennen."

Thomas Zimmermann von der Unabhängigen Wählervereinigung (UWV) stimmt in dieser Hinsicht zu. "Wenn wir den Hindenburgplatz umbenennen, müssten wir das bei allen Straßen tun, die einen solchen Namen tragen." Er habe sich zudem im Ort umgehört; vor allem die Älteren seien gegen eine Namensänderung. "Ich werde also dagegen stimmen." Es handele sich ohnehin nicht um einen "herausragenden Platz". Reinhard Mulzer von der parteifreien Fraktion Bürgervereinigung ist noch unentschlossen. Er weist darauf hin, dass der Platz bei der Bevölkerung nicht als Hindenburgplatz bekannt sei, "sondern als Maibaumplatz oder bei der Jugend als Center Park". Außerdem gebe es auch in anderen Städten noch Straßen, die nach dem ehemaligen Reichspräsidenten und Oberbefehlshaber im Ersten Weltkrieg benannt sind. "Grundsätzlich ist es mir egal, wie der Platz heißt", sagt Mulzer. Seine Entscheidung werde er daher spontan in der Sitzung fällen - "je nachdem, wie sich die Diskussion entwickelt. Vielleicht höre ich da ja noch das ein oder andere Argument." Keine Vorfestlegung gibt es auch von den Grünen. Da es sich um ein "heikles Thema" handele, wolle sie sich nicht vorab äußern, sagt Silvia Pahl-Leclerque, eine von zwei Grünen-Rätinnen.

Für eine Umbenennung müssten mindestens zehn der 20 Gemeinderäte mit Bürgermeister van der Weck stimmen. Da die SPD und ihr Bürgermeister nur auf acht Stimmen kommen, fehlen ihr drei Unterstützer. Sollten CSU und UWV wie angekündigt geschlossen abstimmen, geben Grüne und Parteifreie den Ausschlag. Die Entscheidung wird knapp.

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SZ vom 16.01.2019/lb
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