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Angriff auf Schiri:Skandalspiel in der B-Jugend: Jetzt ermittelt das Sportgericht

Nach einem Spiel in Murnau bedrängen Spieler des Kirchheimer SC den Schiedsrichter. Dann gibt es einen Bericht in der Lokalpresse, der aus verschiedenen Gründen für Unruhe sorgt.

Von Stefan Galler, Kirchheim

Es ist keineswegs ein Einzelfall, wenn ein Jugendfußballspiel in wüste Auseinandersetzungen zwischen Spielern, Trainern und anwesenden Eltern mündet. Auch das Bezirksoberligaspiel der U17 des Kirchheimer SC beim TSV Murnau am vergangenen Wochenende endete unschön, nachdem der Trainer des KSC, Hüseyin Sözer, wegen Kritik am Schiedsrichter des Feldes verwiesen worden war. Referee Dominik Otte aus Oberammergau brach die Partie schließlich sogar ab, weil Sözer angab, keinen Co-Trainer zu haben, der die Heranwachsenden in der verbleibenden Spielzeit hätte betreuen können.

Die Kirchheimer bedrängten daraufhin den Unparteiischen, es kam zu Schubsereien und verbalen Übergriffen, der Spielleiter zeigte einem der Kirchheimer die rote Karte, ehe er, begleitet vom Schiedsrichter-Obmann der Gruppe Weilheim und der Murnauer Trainerin, vom Feld ging. So weit, so unstrittig.

Einer Lokalzeitung beschrieb Schiedsrichter Otte später allerdings, wie ihm ein Spieler an den Hals gegriffen und zugedrückt habe, "sodass ich keine Luft mehr bekam". Wegen dieses Angriffs habe er "Angst wie noch nie in meinem Leben" gehabt. Schiedsrichter-Obmann Klemens Wind stützt die Aussagen des Referees und spricht, der Zeitung zufolge, von einer "Treibjagd".

Der Spielleiter begab sich nach dem Spiel in ein Krankenhaus, dort sei eine "Quetschung der Halsweichteile" diagnostiziert worden. Anschließend erstattete Otte Anzeige bei der Polizei gegen den vermeintlichen Täter, den er nach eigener Aussage deutlich identifiziert hat.

Der türkischstämmige KSC-Trainer wird im Netz heftig rassistisch beleidigt

Die Kirchheimer Seite schildert den Vorfall indes völlig anders. In einem Video, das der SZ vorliegt, ist in der Tat nicht zu erkennen, dass der Schiedsrichter am Hals berührt wird. Er wird von einigen Kirchheimern bedrängt, dann führen der Schiedsrichter-Obmann und die Trainerin den Unparteiischen vom Platz. "Es geht uns nicht um die drei Punkte aus diesem Spiel, sondern darum, die Dinge klarzustellen", sagt Robert Eckerl, der Leiter des KSC-Talentausbildungszentrums. Man erwäge daher zivilrechtliche Schritte wegen Rufschädigung.

Vor allem der Bericht in der Lokalzeitung habe massive Konsequenzen gehabt: So sei der türkischstämmige Trainer in Leserkommentaren und den sozialen Medien massiv rassistisch beleidigt worden. "Gut, dass Hüseyin ein gefestigter Charakter ist, solche Anfeindungen steht nicht jeder durch", sagt Eckerl.

Frappierend sei zudem, dass zahlreiche Internetportale die Geschichte einfach übernommen hätten, ohne mit dem Kirchheimer SC zu sprechen, sagt der Nachwuchschef. Dabei seien sogar Details hinzugedichtet worden. Sogar ein lokaler Münchner Radiosender habe den Vorgang aufgegriffen.

Das Jugendsportgericht Oberbayern hat Ermittlungen aufgenommen

Beim KSC hofft man nun, dass das Video für eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe sorgt. "Man sieht hier, dass einer unserer Spieler den Schiedsrichter schubst, was unentschuldbar ist und intern bei uns aufgearbeitet wird", sagt Eckerl. "Dann will sich der Schiedsrichter wehren und setzt zu einem Kopfstoß an, prallt dabei aber mit seinem Hals an einen Spieler." Abgesehen davon sei zu sehen, dass jener Fußballer, den der Referee als Täter identifiziert haben will, abseits der Übergriffe steht.

Ein Sprecher des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) teilt auf Nachfrage mit, dass das Jugendsportgericht Oberbayern die Ermittlungen aufgenommen habe und der Verband Schiedsrichter Otte "unterstützend zur Seite" stehe. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, werde man bis zum Urteil keine Stellungnahme abgeben. Das für Donnerstag angesetzte Derby der Kirchheimer U17 gegen Heimstetten sagte der BFV kurzfristig ab.

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