Bisweilen wird den Oberhachingern Hang zum Widerstand attestiert. Eigen bis eigensinnig sei man hier, ganz egal ob es um das Eintreiben einer Abgabe für Straßensanierungen geht, um Bauvorschriften oder Garagensatzungen. Das Mia-san-mia-Gefühl ist ganz besonders ausgeprägt, und dass durch diesen "Oberhachinger Weg", wie sie diese Haltung hier nennen, Vergleiche mit dem kleinen gallischen Dorf der Unbeugsamen nicht gescheut werden, empfindet auch Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) eher als Kompliment. Jetzt hat er in der jüngsten Bauausschusssitzung selbst auf den Asterix-Band "Die Trabantenstadt" verwiesen, in dem sich die Gallier erfolgreich dagegen wehren, zu einem unbedeutenden Vorort inmitten einer gigantischen Römersiedlung zu werden. Als deren Erben sieht man sich in etwa in Oberhaching. Auf der Tagesordnung am Dienstagabend im Rathaus stand die Überarbeitung der Ortsgestaltungssatzung - für die Oberhachinger das schärfste Schwert gegen die Verunstaltung ihres schönen Ortes. Ihr Zaubertrank gegen unlautere Vorhaben geschmackloser Bauträger.
Bereits in den Sechzigerjahren, erinnerte Schelle in der Sitzung, habe sich Oberhaching gegen die Münchner Überplanung der gesamten Region gestemmt, die vorgesehen habe, aus der kleinen Gemeinde im Hachinger Tal bis zur Jahrtausendwende eine Wohnstätte für 60 000 Einwohner zu machen. "Wir wollten nicht so werden wie Neuperlach, Taufkirchen am Wald oder der Fasanenpark in Unterhaching", sagte Schelle. Gleichwohl hatten große Bauträger damals alle großen Grundstücke in Oberhaching aufgekauft, "die wir erst jetzt zum Teil wieder zurückkaufen konnten", so der Bürgermeister. Damit die Bauwut aber nicht zügellos um sich greift, hat die Gemeinde in einer Ortsgestaltungssatzung detailliert geregelt, was erwünscht, was erlaubt ist und vor allem was gar nicht geht. Nicht alle waren begeistert davon, aber die Vorschriften bestanden vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Nach diversen Fortschreibungen steht nun eine komplette Überarbeitung des Regelwerks an. Wer aber darauf gehofft hatte, fortan mehr eigene kreative, architektonische Ideen in Oberhaching verwirklichen zu können, wird enttäuscht sein. Nach einem Jahr intensiver Diskussion und juristischer Überprüfung liegt jetzt ein Entwurf vor, in dem weiterhin ein Ortsbild voralpenländischer Prägung als Ziel formuliert ist. "Wir wollen keine Villa aus der Toskana und auch keine Tiroler Jodelbude", betont Schelle. Es gehe bei den örtlichen Bauvorschriften darum, die eigene Identität des Orts zu bewahren, die lebendigen Ortsmitten zu erhalten und nur moderat zu wachsen. Das erarbeitete Leitbild erinnere daran, "wo wir herkommen", und orientiere sich daher an historischen Bauten wie dem Wagnerhaus. Nur dass eben moderne Formen zugelassen würden.
Weil sich die Ortsplanung weiter entwickelt hat, mussten auch die einzelnen Abschnitte der Satzung auf den Prüfstand: Es geht um Dachüberstände und naturfarbene, nicht glasierte rote Tonziegel, um matte Oberflächen bei Dachrinnen, weißen Putz, Garagenzufahrten im Farbton natürlicher Steine, Werbeanlage in horizontaler Ausrichtung, durchgehende Hinterpflanzung von Maschendraht mit heimischen Gehölzen gemischter Art und das Verbot von Glasbausteinen, Waschbeton und Gabionen.
"Es geht uns um ruhige Baukörper, regionale Baustoffe, flachgeneigte Satteldächer und um eine offene Gestaltung zum Straßenraum", fasst Schelle zusammen. Abgrenzungen mit Mauern und dichten Hecken werde es in Oberhaching nicht geben. Alles soll in Einklang gebracht werden und sich harmonisch in die ganze Umgebung einfügen. Ziel seien keine uniformen Häuser, sondern Familien von Gebäuden, die sich zu einem guten Ortsbild zusammenfügten. "Ich finde es traurig, dass manche Oberhachinger diese Regelungen nicht immer schätzen", sagte Schelle. Lob erhielt er hingegen oft von Auswärtigen, denen es gerade wegen dieser Gestaltung hier so gut gefalle. Die überarbeitete Fassung der Bauvorschrift wird nun in den Fraktionen beraten. Bis zur Sommerpause soll das neue Regelwerk zur Abstimmung im Gemeinderat vorliegen.
