Süddeutsche Zeitung

Protestierende Nachbarn:Perlacher Biomasse stinkt Neubiberg

Lesezeit: 2 min

Gemeinderat lehnt Pläne für eine Anlage im benachbarten Stadtteil ab.

Von Angela Boschert, Neubiberg

Sachlich kühl hat sich der Neubiberger Gemeinderat gegen ein Vorhaben ausgesprochen, das am Ort und im Münchner Stadtteil Perlach heiß diskutiert wird. Eine Firma will an der Carl-Wery-Straße 63 eine Biomasse-Aufbereitungsanlage errichten.

Dazu hat sie einen Antrag nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt. Gibt das Münchner Umweltreferat dem Antrag statt, ist eine Baugenehmigung nicht mehr nötig, der Bau der Anlage auf dem Grundstück der Baumschule Werner wäre nicht aufzuhalten. Das will Neubiberg verhindern und schloss sich mit einem Nein dem Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach an, der den Antrag im April abgelehnt hat.

Die Anlage, in der biologische Reststoffe zu Heizpellets aufbereitet oder kompostiert werden, wäre rund 80 Meter von den ersten Wohnhäusern an der Mangfallstraße in Neubiberg entfernt. Anwohner Oliver Hellmund hatte vor der Sitzung im Namen seiner Nachbarn aus der Mangfall-, Ilm- und Isarstraße die Ablehnung des Antrags gefordert. Mit ihm waren 15 Anwohner in die Aula der Grundschule gekommen. Sie alle befürchten Gestank durch großflächige Kompostierungsanlagen, Lärm wegen der Häcksler und Gebläse der Trocknungsanlagen sowie Staub durch den innerbetrieblichen Verkehr. Die Anlage liege zu dicht am Wohngebiet und dem Umweltgarten. "Aus Münchner Sicht mag das der Stadtrand sein, wo man solche Anlagen errichten kann. Dieser Stadtrand grenzt aber unmittelbar an dicht bebautes Wohngebiet von Neubiberg", sagte Hellmund.

Ganzjähriger Betrieb von Montag bis Samstag

Auf der Gesamtanlage, die mit Lagerhallen 5500 Quadratmeter Fläche umfasst, sollen Materialien wie Gras, Feuchtwiesenschnitt, Straßenbegleitgrün, Laub, Silage und Fermentierungsabfälle angeliefert, abgeladen, gelagert und gesichtet werden. Für das sogenannte Florafuel-Verfahren geeignetes Material soll anschließend in die Aufbereitungshalle kommen, wo es gewaschen, zerkleinert, gepresst, getrocknet und schließlich verdichtet, also zu Pellets gepresst wird. Der Rest wird gehäckselt und innerhalb von zwölf Wochen kompostiert. Unbrauchbares Material landet in einer Abfallmulde. Die Anlage wäre ganzjährig von Montag bis Samstag in Betrieb, der Anlieferverkehr wochentags auf 7 bis 17 Uhr beschränkt.

Laut Antragsunterlagen würde die Geruchsbelästigung innerhalb der zulässigen Grenzen für Wohn- und Mischgebiete liegen. Das bezweifelt aber die Neubiberger Rathausverwaltung. Sie befürchtet massive Lärm-, Geruchs- und Staubauswirkungen auf die Anwohner und das Sportzentrum Zwergerstraße. Diese öffentlichen Belange stünden dem Bau der Anlage entgegen, begründet die Gemeinde ihre Ablehnung. Auch sei zusätzlicher Schwerlastverkehr auf der Carl-Wery-Straße zu erwarten. Laut Wolfgang Thalmeir, Mitglied im Ramersdorfer Bezirksausschuss und dort Vorsitzender des Unterausschusses Bau, ist davon auszugehen, dass jährlich 12 000 Tonnen Material für die Biomasse-Aufbereitungsanlage und rund 2000 Tonnen für die Kompostieranlage angeliefert werden. Er besucht nächste Woche mit dem Unterausschuss eine Pilotanlage in Grasbrunn.

Der Bezirksausschuss hat den Antrag zwar abgelehnt, aber darauf hingewiesen, dass im Falle einer Genehmigung die Öffentlichkeit an dem Verfahren ausreichend beteiligt werden müsse. Auch müsse erneut die Umweltverträglichkeit geprüft und ein aktuelles Verkehrsgutachten erstellt werden. Die Situation ist auch für den Antragssteller knifflig: Für das Verfahren interessieren sich nicht nur eine deutsche Millionenstadt und die Gemeinde Neubiberg, sondern nach seinen Angaben auch Städte aus Indien, Italien und weiteren Ländern.

"Gerne würde ich eine größere Anlage zuerst in München betreiben, bevor sie in andere Städte und die Welt hinausgeht", sagt Hans Werner, der das Verfahren entwickelt hat und Geschäftsführer der Baumschule ist.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2018
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