Baumschutz:Abgeholzt wird trotzdem

Neubiberg, Baumfällungen im Bereich Hermann-, Kyffhäuser- und Hofbergerstraße

Die Bäume, die in Neubiberg 2015 im Kampf gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfer vorsorglich umgesägt wurden, hätte auch eine Baumschutzverordnung nicht gerettet.

(Foto: Angelika Bardehle)

Zwölf Kommunen im Landkreis haben eine Baumschutzverordnung: Ab einem bestimmten Stammumfang braucht es dort für Fällungen eine Genehmigung. Doch der Nutzen dieser Vorschrift ist umstritten.

Von Von Daniela Bode und Christina Hertel, Ottobrunn/Neubiberg/Taufkirchen

Bäume erhöhen die Lebensqualität, vor allem die alten, großen. Sie produzieren Sauerstoff, spenden Schatten, bieten Vögeln Nistplätze. Nur, wie schützt man sie am besten? Darüber scheiden sich die Geister, in Schweinfurt kam es deshalb kürzlich sogar zum Bürgerentscheid. Im Landkreis München setzen zwölf Kommunen auf Baumschutzverordnungen, ab einem bestimmten Stammumfang dürfen Bäume dort nur mit Genehmigung gefällt werden. Andere vertrauen auf die Selbstverantwortung der Bürger und Regelungen in Bebauungsplänen. Im nächsten halben Jahr allerdings gilt überall das Gleiche: Wegen der Vogelbrut sind Fällungen von 1. März bis 30. September generell verboten.

Grünwald, Haar, Hohenbrunn, Neuried, Ottobrunn, Planegg, Pullach, Schäftlarn, Taufkirchen, Unterföhring, Unterhaching und Unterschleißheim haben eine Baumschutzverordnung erlassen. Naturschützer halten diese für ein wichtiges Instrument, innerörtliche Bäume zu schützen. "Gerade in Zeiten des Klimawandels sind Bäume ein wichtiger Schlüssel für eine gute Lebensqualität der Menschen", sagt Rudolf Nützel, Geschäftsführer der Münchner Kreisgruppe des Bundes Naturschutz. Die Anzahl der heißen Tage und die Temperatur insgesamt werde ansteigen. "Bäume sind in der Lage, durch ihr großes Blätterdach Wasser zu verdunsten und dadurch für Abkühlung zu sorgen", sagt Nützel. Ein 15 bis 20 Meter hoher Baum hat eine Blattfläche von etwa 1000 Quadratmetern und produziert drei Millionen Liter Sauerstoff pro Jahr.

Die einzelnen Verordnungen unterscheiden sich unter anderem darin, ab welchem Stammumfang eine Fällgenehmigung verlangt wird. Im Landkreis reicht die Spanne von 50 bis 100 Zentimeter, jeweils gemessen einen Meter über dem Erdboden. Auch wann Gemeinden eine Genehmigung erteilen, ist unterschiedlich. Wem eine Fällung genehmigt wird, der kann zudem zu einer Ersatzpflanzung oder Ausgleichszahlung verpflichtet werden. Verstöße können mit einem Bußgeld geahndet werden.

Ottobrunn und Taufkirchen diskutiert Lockerung

Die Gemeinde Ottobrunn hat schon seit 1977 eine Baumschutzverordnung. Danach bedarf es einer Genehmigung, wenn ein Stamm mit einem Durchmesser von mehr als 50 Zentimetern abgeholzt werden soll. Es gab aber immer wieder auch Bestrebungen, die Vorschrift abzuschaffen, zuletzt beantragte die FDP dies 2015. Fraktionsvorsitzender Axel Keller verwies damals darauf, dass Nachbargemeinden wie Neubiberg und Putzbrunn, die keine Baumschutzverordnung hätten, auch nicht weniger grün seien. Ein weiteres Argument Kellers, das immer wieder ins Feld geführt wird: Die Baumschutzverordnung führe dazu, dass Bäume gefällt würden, bevor der festgelegte Stammumfang erreicht wird.

Die Mehrheit der Ottobrunner Gemeinderäte war gegen eine Abschaffung. Allerdings soll der Stammumfang schützenswerter Bäume auf 80 Zentimeter erhöht und auch Obstbäume als Ersatzpflanzungen erlaubt werden, anders als in den meisten Satzungen. Die Änderung wird gerade bearbeitet und ist noch nicht in Kraft.

Freilich waren die Grünen gegen eine Abschaffung. "Wir verlieren durch die Klimaveränderung so viele Baumarten, dass wir das, was da ist an Bäumen, unbedingt schützen müssen", findet Doris Popp von den Ottobrunner Grünen. Die Baumschutzverordnung sei nötig, damit "nicht einfach Bäume gefällt werden ohne Not", sagt sie.

In Taufkirchen diskutiert der Gemeinderat seit einigen Monaten ebenfalls über eine Lockerung der bestehenden Baumschutzverordnung. Momentan muss jeder, der in Taufkirchen auf seinem Grundstück einen Baum mit mehr als 60 Zentimeter Stammumfang fällen will, bei der Gemeinde eine Genehmigung beantragen. Doch die Menschen halten sich nicht immer daran. Im Riegerweg etwa könnten Bäume unrechtmäßig gefällt worden sein. Die Gemeinde hat die Grundstückseigentümer dazu aufgefordert, zu der Fällung Stellung zu nehmen. Bis jetzt sind diese dem noch nicht nachgekommen. Es könnte ihnen ein Bußgeld drohen - für einen Baum kann es bis zu 1000 Euro betragen.

Fällungen auch wegen Asiatischen Laubholzbockkäfer

Nicht zuletzt wegen der Bekämpfung des Asiatischen Laubholzbockkäfers mussten in Neubiberg in den vergangen Jahren sehr viele, auch alte, große Bäume vorsorglich gefällt werden. Immer wieder kam auch das Thema Baumschutzverordnung zur Sprache. Doch bisher setzt die Gemeinde auf die Eigenverantwortung der Bürger. Bürgermeister Günter Heyland von den örtlichen Freien Wählern hält es ohnehin für ungewiss, wie wirksam so eine Verordnung für die Gemeinde wäre.

Denn schon die Diskussion spalte Bürger und ebenso die Politik in zwei Lager. "Die einen argumentieren damit, dass die Bürger doch selbst ein Interesse am Erhalt des Grüns auf ihrem Grundstück hätten", sagt er. Die anderen seien der Meinung, "dass das Grün einer Gemeinde nur erhalten werden könne, wenn erhaltenswerte Bäume ab einem bestimmten Stammumfang registriert und geschützt würden", sagt er. Gemeinderat Kilian Körner von den Grünen ist beispielsweise ein Befürworter der Regelung: "Eine Baumschutzverordnung ist eines der wenigen Mittel, um große, alte Bäume zu schützen", sagt er. Wenn Pflanzen wie die ortsbildprägende Kastanie bei der Feuerwehrzufahrt in Unterbiberg oder die alte Linde an der Ecke Kaiser-/Tannenstraße gefällt würden - beides ist geschehen - , sei das einfach frustrierend.

Völlig ungeschützt sind große, alte Bäume in Neubiberg aber nicht. Überall, wo ein qualifizierter Bebauungsplan besteht, sind erhaltenswerte Bäume kartiert. Wer einen davon fällen will, muss bei der Gemeinde einen Antrag stellen und gegebenenfalls nachpflanzen. Bei den Fällungen im Kampf gegen den Laubholzbockkäfer hätte auch eine Baumschutzverordnung nicht geholfen, betont Heyland. Ein Trost war immerhin: Bürger, die nachpflanzten, wurden mit einen Zuschuss unterstützt. Auch die Gemeinde pflanzte neue Bäume. Heylands Fazit ist, dass für die Mehrheit der Bevölkerung der Erhalt des Grüns ein Merkmal gesunder Lebensqualität ist. "Darüber freue ich mich sehr."

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