Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Eine Schule rockt

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Schüler trommeln unter Anleitung von Phil und Alex von "Double Drums" in der Turnhalle. Und langsam schwingt sich das alles zu einem stimmigen Sound ein.

Schüler trommeln unter Anleitung von Phil und Alex von "Double Drums" in der Turnhalle. Und langsam schwingt sich das alles zu einem stimmigen Sound ein.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Die Erich-Kästner-Schule führt eine Bandklasse ein, in der die Schüler E-Gitarre, Bass und Schlagzeug erlernen. Was sie aber auch lernen: mehr Selbstbewusstsein und weniger Gewaltbereitschaft.

Von Patrik Stäbler, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Im Takt des Rhythmus nickt Mirjam mit dem Kopf, während ihr Mund lautlos die Silben "bumm-bumm-tschak, bumm-bumm-tschak" formt. Bei jedem Bumm hämmert die Fünftklässlerin den Schlegel in ihrer rechten Hand gegen eine blaue Mülltonne, deren Deckel sie wiederum bei jedem Tschak mit der linken Hand öffnet und zu donnert. Die Geräusche, die Mirjam so erzeugt, hallen zusammen mit zahllosen weiteren Klängen durch die Turnhalle der Erich-Kästner-Schule in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Denn neben dem Mädchen stehen und sitzen gut 20 andere Kinder der Ganztagsklasse 5a im Kreis und schlagen mit ihren Händen oder Schlegeln auf verschiedene Utensilien ein - vom Plastikeimer bis zur Mülltonne.

"Trommeln macht Schule" heißt dieser Workshop des Münchner Percussionsduos "Double Drums", bei dem die Schülerinnen und Schüler zunächst unter Anleitung ein Konzertprogramm einstudieren. Anschließend bringen sie dieses zwei Mal auf die Bühne - erst für die Grund- und danach für die Mittelschüler der Erich-Kästner-Schule. Schon bei den Proben an diesem Vormittag sind die Zehn- und Elfjährigen sichtlich mit Begeisterung dabei, was auch mit Blick auf die kommenden zwei Jahre ein gutes Zeichen ist. Schließlich ist dieser Workshop für die Klasse 5a der Auftakt für ein längerfristiges Musikprojekt, bei dem jedes Kind ein Instrument erlernen oder eine systematische Stimmbildung erhalten soll.

Der Rektor ist selbst ein leidenschaftlicher Drummer

"Klasse.im.puls" heißt dieses musikpädagogische Förderprogramm, das 2009 auf Initiative der Professur Musikpädagogik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg aus der Taufe gehoben wurde. Seither unterstützt das Projekt Mittel- und Realschulen im Freistaat bei der Gründung von speziellen Musikklassen mit dem Schwerpunkt Bläser-, Chor-, Keyboard-, Percussions-, Streicher-, Zupf- oder Bandinstrumente. Für Letzteres hat sich die Erich-Kästner-Schule erfolgreich beworben, weshalb die Kinder dort in den kommenden zwei Jahren entweder eine Stimmbildung erhalten oder wahlweise E-Gitarre, Schlagzeug, Bass oder Keyboard erlernen - "also die Instrumente einer klassischen Rockband", wie Rektor Torsten Bergmühl sagt, selbst ein leidenschaftlicher Drummer.

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Neue Unterrichtsmaterialien: Sticks liegen in einer Kiste, aus der sich die Schüler bedienen, um auf Behältern zu trommeln.

Neue Unterrichtsmaterialien: Sticks liegen in einer Kiste, aus der sich die Schüler bedienen, um auf Behältern zu trommeln.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Entsprechend wird er in der neuen Bandklasse den Schlagzeugunterricht übernehmen; für die übrigen vier Instrumente kommen jeweils externe Kräfte von der Musikschule "Dreiklang" an die Schule. Geplant sei, sagt Bergmühl, dass alle Kinder sowohl Einzelunterricht in ihrem Instrument erhalten als auch zweimal zwei Stunden pro Woche gemeinsam proben. Hierzu werde man die Klasse in zwei Bands aufteilen, die dann von einer externen Kraft sowie von dem Musiklehrer Mark Keane betreut werden.

"Jedes Kind in der Bandklasse bekommt ein Instrument zur Verfügung gestellt", betont Torsten Bergmühl. Dieses dürfe dann mit nach Hause genommen werden, schließlich solle nicht nur in der Schule, sondern auch daheim geübt werden. Um die Eltern ins Boot zu holen, habe er kürzlich einen Elternabend zur neuen Bandklasse veranstaltet, berichtet der Rektor. "Alle Eltern waren da, und die Reaktionen auf das Programm waren begeistert." Für die Schule bedeutet das Projekt, das in zwei Jahren wieder mit einer neuen 5. Klasse anlaufen soll, freilich einen großen Aufwand - zeitlich, logistisch und finanziell. So müssen nicht nur zwei Räume zu Musikzimmern umgebaut, sondern auch Instrumente angeschafft werden. Hier hilft der Schule die Förderung von "klasse.im.puls"; darüber hinaus braucht es aber auch Spendengelder.

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Rektor Torsten Bergmühl spielt selbst gerne Schlagzeug.

Rektor Torsten Bergmühl spielt selbst gerne Schlagzeug.

(Foto: Birgit Helwich)

Das Interesse der Kinder für die Musik und für Instrumente zu wecken - das stehe bei dem Projekt im Vordergrund, sagt Rektor Torsten Bergmühl. Zugleich würden in der Bandklasse aber auch soziale Kompetenzen aufgebaut und trainiert. Laut dem Konzept von "klasse.im.puls" stärkt das Instrumentenspiel das Vertrauen der Kinder in ihre eigenen Fähigkeiten. Überdies würden Gewaltbereitschaft ab- und Selbstbewusstsein aufgebaut. "Außerdem lernen die Schülerinnen und Schüler, gemeinsam etwas zu erarbeiten und sich gegenseitig zuzuhören", betont Torsten Bergmühl. "Das ist in der Musik wahnsinnig wichtig."

Wie das in der Praxis aussieht, zeigt sich bei dem Workshop in der Turnhalle. Nachdem die Kinder anfangs noch wild durcheinander gelärmt haben, verschmelzen ihr Trommeln, Klappern, Hämmern und Klatschen inzwischen zu einem aufeinander abgestimmten Rhythmus. Und diesen wiederum hat mittlerweile nicht nur Mirjam verinnerlicht, sondern auch Kaan und Tiara neben ihr. Und so schlägt das Trio nun in perfekter Synchronität auf die drei Mülltonnen vor ihnen ein - im Takt zu "bumm-bumm-tschak, bumm-bumm-tschak".

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