Süddeutsche Zeitung

Baierbrunn:Vom Wehr zum Öko-Wasserkraftwerk

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Nach dem Einbau einer Spezialturbine erzeugt Uniper an der Isar bei Baierbrunn Strom für 700 Haushalte. Eine großflächige Rampe neben der Anlage soll die Durchlässigkeit des Flusses für Fische garantieren.

Von Iris Hilberth, Baierbrunn

Gute Nachrichten für Huchen, Barbe und Nase: Mit dem Umbau der Wehranlage Baierbrunn in ein Öko-Wasserkraftwerk haben die Wanderfische in der Isar nun freie Bahn. Denn es wurde nicht nur eine Turbine zur regenerativen Stromerzeugung eingebaut. Zwei zusätzliche Bauwerke ermöglichen es nun Fischen und anderen Lebewesen im Wasser, wieder flussauf- und flussabwärts zu wandern. Nach 18 Monaten Bauzeit wurde das neue Kraftwerk am Mittwochvormittag eingeweiht. Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) sprach bei der Zeremonie von einem "Leutturmprojekt für die Wasserkraft". Zudem könnten Fische nun wieder "barrierefrei durchwandern". Knapp sechs Millionen Euro haben die Bayernwerk Natur GmbH und die Bayerischen Landeskraftwerke in das Projekte investiert.

Es ist schon einiges Wasser die Isar hinuntergeflossen, seit in Baierbrunn 1892 das alte Wehr errichtet wurde. Es diente bislang dazu, der Isar etwa 80 Kubikmeter Wasser pro Sekunde für die Kraftwerke Höllriegelskreuth und Pullach abzuzweigen. Mit dem Einbau einer hochmodernen Turbine mit sogenanntem Very-low-Head-Betrieb (VLH) ist es nun auch möglich, das Restwasser zur Stromgewinnung zu nutzen. Einen Durchmesser von 1,5 Meter hat das gute Stück und soll künftig bis zu 1,8 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Etwa 700 Haushalte können damit versorgt werden. "Das ist ein Musterbeispiel für die Energiewende", sagte Ministerin Scharf. Hier zeige sich eine optimale Verbindung von Gewässerökologie und Energieversorgung. Fischschutz und Wasserkraft müssten in keinem Widerspruch stehen. Scharf findet: "Dieses dritte Öko-Wasserkraftwerk in Bayern ist der beste Beweis für eine sinnvolle Balance zwischen Ökologie und Ökonomie."

Die in Baierbrunn eingebaute Turbine ist deutschlandweit erst die zweite dieser Art und ein kleines Wunderding. Sie ermöglicht die Stromproduktion bei geringen Fallhöhen (bis zu 4,4 Meter), kleinen Wassermengen (3,5 bis 14,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde) und ist mit ihren rund 18 bis maximal 52 Umdrehungen pro Minute so langsam, dass sie als fischverträglich gilt. Zumal auch die Abstände der Schaufelräder relativ groß zueinander sind. So sollten die Fische ihre Wanderung flussabwärts unbeschadet überstehen können.

Um auch in der Gegenrichtung voranzukommen, wurde eine schräge Fläche mit etwa 40 Metern Breite und 110 Metern Länge neben dem Wehr angelegt, die raue Rampe. Mit verschieden großen Steinen, die fest fixiert nebeneinander aufgereiht aus dem Wasser herausragen und aussehen, als hätte Obelix hier aufgeräumt, soll die Fließgeschwindigkeit reduziert und so den Fischen ermöglicht werden, den Höhenunterschied zu überwinden. Für Isarbewohner, die den unteren Einstieg in die Rampe verpassen, bleibt ein zusätzlicher Raugerinne-Beckenpass, um die Reise fortzusetzen. Terrassenförmig wurden hier sechs einzelne Becken für den Weg nach oben angelegt.

"Wir investieren in die Akzeptanz unseres Treibens."

"Im 19. Jahrhundert hat noch keiner an Flussökologie gedacht, doch heute stellen wir uns diese Herausforderung, obwohl sie uns viel Geld kostet", sagte Klaus Engels, der Direktor Wasserkraft Deutschland der Uniper Kraftwerke, ehemals Eon, die das gesamte Projekt geleitet hat und nun die Anlage betreibt. Knapp 2,3 Millionen Euro hat Uniper für die Durchlässigkeit der Isar an dieser Stelle ausgegeben. "Wir investieren in die Akzeptanz unseres Treibens", sagte Engels. Allerdings müsse man das Ganze auch markwirtschaftlich stemmen können: "Wir müssen das Geld im Markt verdienen." Auch der Bayernwerk-Vorstandsvorsitzender Raimund Gotzel betonte die Bedeutung der Akzeptanz der Bürger bei derartigen Projekten. Dezentrale Energieerzeugung habe eine stetig wachsende Bedeutung. "Energiezukunft heißt auch, im lokalen Umfeld ökologisch sinnvolle Potenziale zur Energieerzeugung aktiv zu nutzen", sagte Gotzel. In Baierbrunn sei ein Brückenschlag zwischen der Energie der Vergangenheit aus Zeiten von Oskar von Miller hin zur Energie der Zukunft gelungen.

Gotzel warb in Baierbrunn auch für eine Beteiligung von Bürgern und Kommunen an der eigens für das neue Kraftwerk geschaffenen Gesellschaft Wasserkraft Baierbrunn GmbH. Ganz abwegig scheint das nicht. Baierbrunns parteifreie Bürgermeisterin Barbara Angermaier bestätigte, der Gemeinderat denke bereits darüber nach, sich in irgendeiner Weise zu beteiligen. "Die Anlage ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur regenerativen Energiegewinnung", betonte auch die Bürgermeisterin und sprach von einem "überaus gelungenem Bauwerk". Ganz einfach war die Umsetzung offenbar aber nicht, und das lag insbesondere an den ungewöhnlich vielen Hochwassern im Frühjahr des vergangenen Jahres. "Es war teilweise ein Sisyphos-Arbeit", sagte Uniper-Direktor Engels, "kaum hatte wir etwa gerichtet, kam die nächste Welle".

Wie erfolgreich das Projekt nun tatsächlich für die Fische ist, soll ein dreijähriges Monitoring durch das Landesamt für Umwelt und die Technischen Universität München zeigen.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2017
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