Flüchtlingsunterkunft in Baierbrunn:Der Bürgerentscheid ist abgesagt

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Als Bürgermeisterkandidaten zogen Felix Maiwald (CSU, links) und Uwe Harfich (SPD, Mitte) 2020 den Kürzeren gegen Patrick Ott (ÜWG). Jetzt haben sie andere Vorstellungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Baierbrunn. (Foto: Claus Schunk)

Eine Gruppe von Gemeinderäten der CSU und SPD wollte die Einwohner über die geplante Unterkunft für Geflüchtete abstimmen lassen. Weil ein Rechtsgutachten die Fragestellung für unzulässig erklärt, ziehen sie ihren Antrag zurück. Ausgestanden ist die Sache damit aber nicht.

Von Udo Watter, Baierbrunn

Die geplante Flüchtlingsunterkunft am Wirthsfeld in Baierbrunn bleibt ein kontroverses Thema am Ort. Der Antrag auf ein Ratsbegehren, das bei einer Annahme einen Bürgerentscheid in dieser brisanten Frage zur Folge gehabt hätte, ist von den Initiatoren aber in der Gemeinderatssitzung am Dienstag zurückgezogen worden. Grund dafür: ein juristisches Gutachten, welches die Gemeinde kurzfristig eingeholt hat. Die Kanzlei Döring Spieß Rechtsanwälte kam bei ihrer Überprüfung zu dem Schluss, dass das Ratsbegehren „unzulässig“ sei.

Letzteres hängt vor allem damit zusammen, dass es sich nicht nur auf die Angelegenheiten des „eigenen Wirkungskreises der Gemeinde“ beschränke. Sprich: Die Unterbringung von Flüchtlingen ist grundsätzlich Staatsaufgabe und wird im besagten Fall vom Landratsamt übernommen, die Kommune wirkt nur unterstützend mit. Die konkrete Fragestellung des von den Gemeinderäten Uwe Harfich, Toni Ley (beide SPD), Felix Maiwald, Martina Fellermeier und Christoph Zühlcke (alle CSU) signierten Antrags lautete: „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde ein eigenes Grundstück am Wirthsfeld vor dem Sport- und Bürgerzentrum sowie neben der Kindertagesstätte und der geplanten Grundschüler-Betreuungsstätte dem Landratsamt zur Verfügung stellt, um dort für mindestens 15 Jahre eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten?“

Felix Maiwald merkte bei Bekanntgabe der Rücknahme kritisch an: „Diese Kanzlei ist bekannt dafür, dass sie Bürgerbegehren und Ratsbegehren ablehnt.“ Er monierte auch, dass man das Gutachten erst am Montagabend – rund 24 Stunden vor der Gemeinderatssitzung – bekommen habe. Nach Rücksprache mit der eigenen Rechtsberatung habe man sich aber entschlossen, den Antrag zurückzuziehen. Gleichwohl behalte man sich weitere Schritte vor.

Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG), der keine ernsthafte Standortalternative zur Unterkunft am Wirthsfeld sieht, konstatierte, dass es keinen Grund gebe, die Entscheidung darüber „außer Haus“ zu geben: „Dafür ist der Gemeinderat gewählt worden.“ Weitere konkrete Erkenntnisse und Diskussionen zu der Unterkunft blieben an diesem Abend aus, da ein entsprechender Tagesordnungspunkt abgesetzt wurde.

Generell geht es dabei zum einen um die Bedenken der jetzt mit dem Ratsbegehren gescheiterten Gemeinderäte und besorgter Bürger, die – vereinfacht gesagt – kein Flüchtlingsheim neben einer Kita und der geplanten Mittagsbetreuung sehen wollen. Zudem gibt es da noch die Frage der Verteilungsquote: Wie viele Flüchtlinge muss oder soll die Gemeinde aufnehmen? Und dann argumentieren die Kritiker noch, das Areal am Wirthsfeld sei das letzte gemeindeeigene Premium-Grundstück. Mit der Bebauung dort nehme sich die Gemeinde „für die nächsten zwei Jahrzehnte jeglichen Gestaltungsspielraum für eine aktive Ortsentwicklung“, heißt es in einem Flugblatt, das unter dem Logo von CSU und SPD am Wochenende in der Gemeinde verteilt wurde.

Darin wird auch gefordert – nach der Korrektur der ursprünglich im Raum stehenden Zahlen –, Alternativen zum Standort Wirthsfeld zu suchen und den damit zusammenhängenden Grundsatzbeschluss des Gemeinderats von 2022 neu zu bewerten. „Wir wollen nichts anderes als eine offene Diskussion, Transparenz und konkrete Zahlen“, sagt Maiwald.

„Das hätte böses Blut gegeben“, findet Alt-Bürgermeisterin Kammermeier

Von den Zahlen hänge in der Tat vieles ab, meint auch Alt-Bürgermeisterin Christine Kammermeier von der SPD, die anders als ihre Parteifreunde Ley und Harfich das Ratsbegehren nicht unterstützt hat. „Ich bin auch froh, dass sie es zurückgezogen haben. Das hätte sonst böses Blut gegeben“, sagt sie. Zum anderen halte sie es für das in diesem Fall falsche Instrument, obgleich sie den Initiatoren nicht den guten Willen abspreche. Es gehe jetzt vor allem um Vertrauen, sagt Kammermeier – darum, den nicht gerade kleinen Teil der Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen, die skeptisch sind – auch im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit und der Integration. Ein Punkt könnte sein, dass die lang erwünschte Straßenanbindung von der Bundesstraße 11 zum Wirthsfeld (Am Sportpark) nach Aussagen von Landrat Christoph Göbel (CSU) und Einschätzungen des zuständigen Staatlichen Bauamts Freising realistischer anmutet, wenn dort eine Flüchtlingsunterkunft gebaut würde.

Ob es realistisch anmutet, dass sich die Debatte bis zur kommenden Septembersitzung abkühlt? Ott äußerte zwar ein wenig Bedauern, dass der Antrag für das Ratsbegehren zurückgezogen worden und somit eine Diskussion darüber ausgefallen ist; er zeigte sich aber erfreut, dass „der Gemeinderat seine Entscheidungskompetenz nicht ohne Not aus der Hand“ gegeben hat. Diesem Argument konnte auch Felix Maiwald letztlich etwas abgewinnen, ihm und seinen Mitstreitern sei es ja primär darum gegangen, eine transparente Diskussion anzustoßen, bei der die Sorgen der Bürger ernst genommen würden. Die könne jetzt durchaus auch im Gemeinderat geführt werden. „Vielleicht regen wir eine Klausur an und finden dann einen Kompromiss.“

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