Baierbrunn:Einfach fett

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Der Sonderpreis geht heuer an den 15-jährigen Timo Schuster. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Stiftung Rufzeichen Gesundheit verleiht Medienpreis zum Thema Übergewicht

Von Ulrike Schuster, Baierbrunn

Die Welt ist so groß, die Maus hat Angst, endlich sieht sie Mauern, sie freut sich, überschaubare Grenzen. Irgendwann steht sie im hintersten Winkel im letzten Zimmer, bewegen geht nicht mehr. Sie steckt in der Falle. Die Katze frisst die Maus. "Die kleine Fabel" heißt die Geschichte, geschrieben hat sie Franz Kafka 1920. Am Donnerstagabend erzählte sie Marc Becker, Vorsitzender der Stiftung Rufzeichen Gesundheit in Baierbrunn. "Glücklicherweise müssen wir nicht warten, bis wir gefressen werden", sagt er. "Wir haben gute Journalisten, die uns vor tödlichen Gefahren warnen."

Marc Becker meint den Herzinfarkt, den Schlaganfall, die Diabetes. Alles Folgen des Metabolischen Syndroms, dieser böse Mix aus falscher Ernährung und zu wenig Bewegung, einst Grund für die Stiftung, die sein Großvater, Rolf Becker, der Gründer des Wort & Bild-Verlags und der Apotheken Umschau, 2005 ins Leben gerufen hat. Die Stiftung kämpft dafür, dass sich der Mensch nicht allzu oft von Currywurst, Nougat-Creme, Rolltreppe und Aufzug verführen lässt. Sie klärt auf, über das Dicksein, die Fettleibigkeit, zu hohen Blutdruck, gestörten Fett- und Zuckerstoffwechsel. Und sie will diejenigen unterstützen, die mit ihr auf der Seite "Pro gesundes Leben" stehen und auch etwas zum Besseren verändern wollen.

Drei Journalisten, die heuer besonders gute Beiträge zum Thema verfasst haben, hat die Stiftung am Donnerstag mit ihrem Medienpreis geehrt. 5000 Euro gab es für jeden, dazu eine Bronzefigur für die Vitrine. In drei Kategorien zeichnete die Jury aus. Als bester Online-Beitrag wurde die Multimedia-Reportage "Die schlanken Kinder von Seinäjoki" von Spiegel-Online-Redakteur Jörg Römer prämiert. Darin erzählt er über ein finnisches Präventions-Programm gegen das Übergewicht bei Kindern.

Mit Kurzfilmen, Grafiken, Fotos und Text zeigt Römer, wie es der 60 000-Einwohner-Stadt gelungen ist, die Zahl der dicken Kinder von 17 auf neun Prozent zu senken; mit wenig Geld, ohne großen bürokratischen Aufwand, dafür mit zielgerichtetem Willen und gemeinsamem Anpacken von Eltern, Erziehern, Lehrern und Politikern.

In der Kategorie Fernsehen wurde das WDR-Team von Quarks & Co. für den Beitrag "Zucker - 7 Dinge, die Sie wissen sollten!" ausgezeichnet. Das Wissenschaftsmagazin erklärt mit Animation und leichtem Humor, warum Zucker so unwiderstehlich ist, und mit welchen ausgeklügelten Strategien die Werber schon die Kleinsten zu den besten Kunden von morgen machen. "Infotainment vom Feinsten", wie BR-Laudatorin Jeanne Turczinsky sagte. Selten habe sie in 45 Minuten Wissenschaft so viel gelacht. Im Bereich Hörfunk wurde Regine Hauch für "Ein Heim für dicke Menschen - mehr als nur Abspecken" ausgezeichnet. In ihrer Reportage geht es um ein Pflegeheim für adipöse Menschen und deren Kampf gegen das Fett. Dass viele nicht mehr ihre Zähne selber putzen, weil sie den Arm nicht mehr heben können, ist das eine. Das andere ist der Mensch, der immer noch kämpft, hofft und träumt. Eine 26-jährige Frau sagt: "Ich bin zu jung, um zu sterben. Ich will Hebamme werden." Sie wiegt mehr als 200 Kilogramm. Hauch zeigt beides schonungslos ehrlich: die animalische Sucht und die Würde des Menschen.

Den mit 1 000 Euro dotierten Sonderpreis erhielt der Augsburger Timo Schuster für "Mediminder", die intelligente Tablettendose. Die Oma des 15-jährigen Schülers vergaß oft, ihre Pillen zu schlucken. Also programmierte der Enkel eine Dose und ein Armband, die zusammen wirken. Sie erinnern per Pieps nicht nur an die Pille, sie kontrollieren auch die Entnahmezeit. Manchmal sind die fetten Ideen die besseren.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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