Süddeutsche Zeitung

Bahnhof Deisenhofen:Drehkreuz des Südens

Die Haltestelle ist jetzt schon ein Verkehrsknotenpunkt. Wenn der geplante Schulcampus fertig ist, wird die Zahl der Autos dort noch zunehmen. Mit einer Wohnbebauung wäre die Belastung aber noch größer

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Der Bahnhof Deisenhofen ist für die Oberhachinger jetzt schon ein stark frequentierter Verkehrsknotenpunkt. Hier hält nicht nur die S-Bahn nach München und Holzkirchen, sondern auch der Meridian. Es parken viele Autos aus dem Oberland, Pendler nehmen den Weg von Dietramszell und Sauerlach über den Bahnhof Deisenhofen, um weiter nach Grünwald zu fahren. Dazu kommen die Bahnreisenden aus der eigenen Ortschaft.

Aber ist der Verkehr wirklich so enorm, wie er erscheint? Und wie wird er sein, wenn an diesem Standort der geplante Schulcampus seinen Betrieb aufnimmt? Anwohner befürchten Schlimmstes, Einzelne fordern bereits, Realschule und Fachoberschule auf keinen Fall gegenüber dem Bahnhof zu errichten und das Grundstück lieber für Wohnbebauung zu nutzen. Jetzt liegt dem Gemeinderat eine Verkehrsanalyse von Intraplan vor, die bestätigt: Es wird in Zukunft am Deisenhofener Bahnhof mehr Verkehr geben. Die Verkehrsplaner sagen aber auch voraus, dass mit einem neuen Wohngebiet doppelt so viele zusätzliche Autos nach Oberhaching kämen.

Die Experten haben bei ihrer Analyse anhand von Videoaufnahmen an 16 Kreuzungen in Oberhaching sowie durch die Auswertung von Mobilfunkdaten im Oktober 2018 die derzeitige Nutzung der Straßen von den Oberhachingern selbst aber auch von Durchreisenden erhoben. Alle großen Einfallstraßen wurden dabei berücksichtigt. "Das Hauptaugenmerk lag bei den Fahrten über den Bahnhof Deisenhofen, die mit dem Auto abgewickelt wurden ", erläuterte Tobias Kluth von Intraplan in der Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses am Dienstagabend das Vorgehen bei dieser Untersuchung.

So hat sich herausgestellt, dass derzeit etwa 6100 Personen täglich den Bahnhof ansteuern. 520 kommen mit dem Auto, 900 mit dem Bus, 4680 zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Das meiste davon ist sogenannter Ziel- und Quellverkehr, es handelt sich also um Oberhachinger, die zum Bahnhof wollen. "Es ist erstaunlich, dass gar nicht so viele Sauerlacher auf dem Weg nach Grünwald hier durchfahren", sagte Bürgermeister Stefan Schelle (CSU), er habe mit wesentlich mehr Durchgangsverkehr gerechnet. Für ihn bedeutet das auch Entwarnung für die Zukunft, wenn die derzeit recht schmale Sauerlacher Straße ausgebaut ist, was bereits geplant ist. Es sei befürchtet worden, dass sich die Strecke zum "Südring von Oberhaching" entwickele, wenn der Flaschenhals erst einmal beseitigt sei. "Da gibt es jetzt Entwarnung", stellte Schelle fest.

Mit der Umsetzung der MVV-Tarifreform im Dezember dieses Jahres müssen sich die Oberhachinger allerdings bereits auf eine Zunahme des Verkehrs einstellen. Denn dann rückt die S-Bahn-Station Deisenhofen in die günstigere M-Zone, Sauerlach aber bleibt draußen. So wird die Preissenkung von 39 Prozent im Zeitkartentarif und 43 Prozent im Bartarif das Bahnfahren von diesem Bahnhof aus in Richtung Münchner Innenstadt attraktiver machen und 1410 Personen am Tag und auch 390 Autos mehr hierher locken. Einzig die Verbesserung des Buskonzepts in diesem Dezember bei Takt und Streckenführung der Linien 222 und 224 sowie zwei neue Ringbuslinen von Deisenhofen nach Heimstetten und Deisenhofen nach Wolfratshausen frühestens in drei Jahren werden laut Analyse den Autoverkehr um 90 Fahrzeuge verringern und die Busnutzung um 1340 Fahrgäste erhöhen. Insgesamt würden dann 8840 Personen täglich den Bahnhof ansteuern, der Anteil der Autofahrer bleibe stets bei neun Prozent.

Wenn nun zehn Jahre nach Eröffnung des Schulcampus im Jahr 2035 bis zu 1570 Schüler beide Schulen besuchen, wird der Verkehr noch einmal zunehmen. Zu den Schülern kommen 106 Lehrer und weiteres Personal (etwa 60). Die Verkehrsplaner rechnen mit 1000 zusätzlichen Autofahrten an Schultagen. Würde auf dem 45 000 Quadratmeter großen Areal ein Wohngebiet für etwa 1500 Einwohner entstehen, müsse mit 2000 Fahrten gerechnet werden. "Wir sollten nicht noch mehr Autos in unseren Ort holen", warnte Monika Straub von den Grünen. "Wir sind eine fahrradfreundliche Gemeinde." Bürgermeister Schelle versprach, der Bahnhof Deisenhofen werde nicht autogerecht. Keinen Verkehr werde es nicht geben, aber keine Entwicklung an diesem Bahnhof auch nicht.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2019
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