Süddeutsche Zeitung

Bahn-Ärger:Auf Kante geplant

Seit einem Jahr wird die Station in Unterschleißheim umgebaut. Nun stellt sich heraus: Die neuen Bahnsteige sind zu schmal. Die Stadt wird wohl selbst nachbessern - auf eigene Kosten und frühestens 2023.

Von Klaus Bachhuber und Lars Brunckhorst, Unterschleißheim

Seit einem Jahr wird am Bahnhof in Unterschleißheim gebaut. Barrierefrei sollen die Bahnsteige werden und teilweise überdacht. 20 Millionen Euro gibt die Bahn dafür aus. Doch kurz vor dem für April geplanten Abschluss der Bauarbeiten zeichnet sich ab, dass die Bahnsteige möglicherweise in Teilen wieder abgerissen und neu gebaut werden. Die Stadt erwägt, die Verschlechterungen, die der aktuelle Umbau für Bahnreisende gebracht hat, im Nachgang auf eigene Kosten zu korrigieren. Im Zentrum der Kritik: die geringe Breite der neuen Bahnsteige.

Bei dem Umbau hat die Bahn die Bahnsteige in großen Teilen verschmälert. Wo diese bislang vier Meter breit waren, wurde auf das Normmaß von 2,80 Metern zurückgestutzt. Schon im Herbst wiesen Bürger die Bahn und die Stadt auf diesen Umstand hin. Gerade zur Hauptverkehrszeit am Morgen komme es wegen der Enge zu gefährlichen Situationen: Wartende müssten zwangsweise auf den Sicherheitsstreifen an der Bahnsteigkante ausweichen. Der Fahrkartenautomat sei zudem so platziert, dass ein Kunde beim Stempeln den halben Bahnsteig belege.

In einem offenen Brief rechneten Martin Kluge und Hans Hirn vor, welcher Platzbedarf nötig sei. Im Januar griffen CSU und FDP in einem gemeinsamen Antrag die Beschwerden auf. Abzüglich des Sicherheitsstreifens blieben nur noch 1,70 Meter für wartende Fahrgäste übrig, argumentierten die Stadträte Stefan Krimmer und Brigitte Weinzierl (beide CSU) sowie FDP-Ortschef Manfred Riederle in ihrem gemeinsamen Antrag. Angesichts von mehreren hundert Fahrgästen zu Stoßzeiten sei diese Bahnsteigbreite "völlig unzureichend". Zu Jahresbeginn soll es bereits zu einem Personenunfall mit einem vorbeifahrenden Zug gekommen sein.

Stadt will zusätzliche Wartehäuschen aufstellen

Wie die Stadtverwaltung jetzt im Bauausschuss des Stadtrats mitteilte, kann die Bahn in der laufenden Bauphase nicht mehr umsteuern. Teilweise müssten sogar Genehmigungen neu eingeholt und Auftragsvergaben neu ausgeschrieben werden. Denkbar wäre demnach nur, nach Abschluss der Baumaßnahme unverzüglich mit der Korrektur zu beginnen - dann aber ausschließlich auf Kosten der Stadt. Wegen der nötigen Genehmigungsverfahren könnten die Korrekturen frühestens 2023 umgesetzt werden.

Als spontane Verbesserung will die Stadt daher zusätzliche Wartehäuschen aufstellen. Auch hier hat die Bahn nur das Minimalmaß umgesetzt und je Bahnsteigseite einen Wetterschutz mit vier Sitzen installiert. Zwei weitere Häuschen auf jeder Seite sind laut Bahn noch während der Bauarbeiten nachzurüsten, sofern die Stadt sie bezahlt.

Der Bauausschuss des Stadtrats hat daraufhin einstimmig beschlossen, die zusätzlichen Wartehäuschen zu finanzieren und dafür rund 250 000 Euro freigegeben. Im Stadtbauamt wird zudem erwartet, dass sich mit dem Abschluss der Bauarbeiten die Situation an den Bahnsteigen weiter entspannen wird. Durch die Einschränkungen während der Bauarbeiten dränge sich derzeit alles an den Schmalstellen, was den tatsächlichen Raumverlust in der Wahrnehmung noch verschärfe. Sobald die zusätzlichen Wartehäuschen stehen, will man abwarten, wie sich die Situation auf den Bahnsteigen entwickelt. Sollte sich herausstellen, dass die Raumnot weiter akut bleibt, will die Stadt nachträgliche Arbeiten angehen. Nachfordern will das Rathaus bei der Bahn aber auf jeden Fall die Aufstellung eines weiteren Fahrkartenautomaten. Jener am östlichen Bahnsteig wurde im Zuge des Umbaus wegrationalisiert. Dadurch gibt es auf der kompletten Länge aktuell nur noch einen Automaten.

Eisenbahnbundesamt spricht von "Luxus"

Als Reaktion auf die öffentliche Kritik hat die Stadtverwaltung genau dokumentiert, dass in allen Verfahren vom Rathaus wie auch von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft die Beibehaltung der vier Meter Bahnsteigbreite gefordert worden war. Das Eisenbahnbundesamt habe diese Wünsche jedoch als "Luxus" vom Tisch gewischt und die Normbreite zur Planungsgrundlage gemacht, heißt es aus dem Rathaus. Breitere Bahnsteige seien erst vorgesehen, wenn Züge mit mehr als 160 Stundenkilometern vorbeifahren. Das sei in Unterschleißheim nicht der Fall.

Der Ärger mit der geringen Bahnsteigbreite ist nicht der erste Verdruss, den Unterschleißheim mit der Baustelle am Bahnhof erlebt. Kurz nach Beginn der Bauarbeiten war es im März vorigen Jahres wegen eines Rohrbruchs, den ein Bagger bei Erdarbeiten verursachte, zu einer Überschwemmung gekommen. Dann verzögerten sich die Bauarbeiten massiv. Ursprünglich sollten sie bereits zum Ende der Schulferien im September abgeschlossen sein. Nun ist die - vorläufige - Fertigstellung für April terminiert.

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SZ vom 21.02.2019/hilb
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