Badeunfälle:Auch Urlaub daheim ist gefährlich

Wasserwacht

Dennis Poyda von der Wasserwacht hat am Unterschleißheimer See heuer viel zu tun.

(Foto: Robert Haas)

Die Wasserwacht muss angesichts des coronabedingten Ansturms auf die heimischen Seen und die Isar mehr Menschen aus dem Wasser retten als in anderen Jahren.

Von Christina Hertel

Ende Juni: Ein Zwölfjähriger kündigt an, einmal durch den See zu schwimmen. Danach finden ihn seine Eltern nicht mehr. Feuerwehr und Notarzt, Krankenwagen und Hubschrauber rücken an. Am selben Tag paddelt eine Frau, die nicht schwimmen kann, mit einem Schwimmring auf dem See herum. Sie verliert ihn, bekommt Angst, geht beinahe unter. Mitte Juli: Zwei Kinder, acht und zwölf Jahre alt, rutschen von ihrer Luftmatratze ins Wasser. Weil sie nicht mehr stehen können, geraten sie in Panik und drücken sich gegenseitig unter Wasser. Anfang August: Einer Frau geht es im Wasser plötzlich schlecht. Sie ruft um Hilfe, sie droht zu ertrinken.

Alle diese Einsätze, die sich diesen Sommer am Unterschleißheimer See ereigneten, gingen am Ende gut aus. Der Junge wurde wieder gefunden, auch bei den anderen sei nur ein Schrecken zurückgeblieben, sagt Dennis Poyda, der Jugendleiter der Wasserwacht dort. Es seien Fälle gewesen, wie sie jedes Jahr ein, zwei Mal in Unterschleißheim vorkommen. Doch dass die Wasserwachtler gleich viermal um das Leben von Menschen bangten, sei ungewöhnlich.

Nicht nur in Unterschleißheim kam es dieses Jahr zu mehr Badeunfällen, sondern in der ganzen Region. Nach Angaben des stellvertretenden Vorsitzenden Michael Welzel musste die Kreiswasserwacht 28 Mal an Seen und Flüssen in Stadt und Landkreis München ausrücken, um Menschen aus dem Wasser zu retten - fast doppelt so häufig wie sonst. "In den Fällen, in denen es noch eine Chance gab, konnten wir das Menschenleben immer retten", sagt Welzel.

Schlauchbootfahrer wagen sich trotz Hochwassers auf die Isar

Eine mögliche Erklärung für den Anstieg: Weil diesen Sommer mehr Menschen Urlaub zu Hause machten statt an den Stränden in der Ferne, passierte in der Heimat eben auch mehr. "Der Feringasee war immer wahnsinnig gut besucht", sagt Welzel, der dort jedes zweite Wochenende Dienst hat. Mindestens 30 000 Menschen seien an vielen Tagen zum Baden an den Baggersee gekommen und auch an den anderen Gewässern sei immer viel los gewesen. Ein weiterer Grund für die vielen Einsätze sei das Hochwasser gewesen. Denn besonders häufig retteten die Wasserwachtler in Not geratene Schlauchbootfahrer.

Doch auch am Ufer mussten die Retter - zumindest am Feringasee - häufiger helfen als sonst. Insgesamt leistete die Wasserwacht alleine in Unterföhring laut Welzel hundert Mal erste Hilfe. Unter den Anlässen waren 40 Insektenstiche, sieben Kreislaufzusammenbrüche und Sportverletzungen, 24 Schnitt- und Schürfwunden und eine allergische Reaktion. Das ist die Bilanz bis Ende August, und schon jetzt übersteigen die Zahlen die des gesamten Jahres 2019. Im vergangenen Jahr half die Wasserwacht 80 Mal bei Bienenstichen, Verletzungen und Kreislaufzusammenbrüchen, doch da waren auch Einsätze bei großen Festen dabei, und die fielen dieses Jahr alle aus.

"Die Stimmung am Feringasee war trotzdem gut", sagt Welzel. "Die Menschen haben den Sommer genossen." Obwohl mehr Leute da gewesen sind als sonst, sei es zu weniger Konflikten gekommen. Welzel glaubt, dass das an dem Grillverbot gelegen haben könnte, das dieses Jahr wegen Corona herrschte. Auch am See in Unterschleißheim sei besonders im August mehr los gewesen als sonst, sagt Dennis Poyda.

"Normalerweise ist der Andrang im Juni und Juli am größten. Dann fahren die Menschen in den Urlaub." Doch heuer seien auch während der Sommerferien immer ein paar hundert Menschen mehr da gewesen als sonst. Kein massenhafter Andrang und aus Sicht des Wasserwachtlers auch keine alleinige Erklärung für die gestiegenen Einsatzzahlen. Denn die schwanken ohnehin von Jahr zu Jahr stark: 120 Mal musste die Unterschleißheimer Wasserwacht 2017 am Ufer Erste Hilfe leisten, 2019 bloß 30 Mal und dieses Jahr plötzlich wieder 50 Mal.

Michael Welzel hat am Feringasee auch bezüglich der Einsätze im Wasser eine etwas andere Erfahrung gemacht als Poyda am Unterschleißheimer See. "Bei dem Andrang, der dieses Jahr an dem See herrschte, hätte ich ehrlich gesagt damit gerechnet, dass wir häufiger Leben retten müssen", sagt Welzel. Am Feringasee musste die Wasserwacht nur einmal einer Frau aus dem Wasser helfen, der die Kraft ausgegangen war.

"Ich habe das Gefühl, dass den Menschen die Gefahren wieder etwas bewusster sind als noch vor ein paar Jahren." 2020 mussten seine Kollegen und er viermal nach Vermissten suchen - das sei weniger als in den Vorjahren, obwohl mehr los gewesen sei. "Vielleicht", meint Welzel, "werden die Menschen tatsächlich vorsichtiger."

Zur SZ-Startseite
Hollerner See bei Unterschleißheim

Erholungsgebiete
:Ballermann daheim

Dass heuer für viele der Urlaub ausfällt und Partys nach draußen verlegt werden, ist an den Seen und der Isar deutlich zu spüren. Die Wasserwacht rückt öfter aus, Badegäste und Naturschützer klagen über Lärm und Müll.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: