Bade- und Bootsverordnung:Im Strudel der Paragraphen

Die Stadt München erneuert jetzt die Bade- und Bootsverordnung. Eigentlich sollten die Regeln gelockert werden, aber nun entbrennt ein Streit darüber, was erlaubt werden soll.

Michael Ruhland

Den Termin ließ sich Christian Ude natürlich nicht durch die Lappen gehen. Die Interessengemeinschaft Surfen in München hatte eigens für den Oberbürgermeister ein schwarzes T-Shirt bedrucken lassen. "Retter der Eisbachwelle" prangte da in güldenen Lettern auf der Brust. Ude hängte sich das Shirt übers Hemd und lächelte breit in die Kameras. Nun muss man wissen, dass es in der Tat ein geschickter Schachzug der Stadt war, durch einen Grundstückstausch mit dem Freistaat zum Hausherren am Eisbach zu werden. Erst damit konnte die Verwaltung die versicherungsrechtlichen Fragen klären und das Surfen legalisieren.

Badende im Eisbach in München, 2009

Um die Isar und ihre Seitenbäche und -kanäle gibt es seit ein paar Jahren Gerangel.

(Foto: sz.lokales)

Der Hype um die Surfer, befeuert durch den Kinofilm Keep Surfing, zeigt aber auch eines: Um die Isar und ihre Seitenbäche und -kanäle gibt es seit ein paar Jahren ein regelrechtes Gerangel. Von allen Seiten prasseln Wünsche auf die Stadt ein, mal sind es die Surfer, die an der Floßlände mehr Wasser wollen, mal die Kanuten, die gerne durch Stadtgebiet paddeln würden; mal sind es Bezirksausschüsse, die das Baden an bestimmten Stellen wie der Kleinen Isar erlauben möchten.

Dass die Ansprüche der Münchner an ihren Fluss größer geworden sind, wundert den Umweltreferenten der Stadt nicht. "Es ist eine direkte Folge der Renaturierung der Isar", sagt Joachim Lorenz (Grüne). Die Isar sei für viele Menschen erlebbarer geworden, seit man sie aus dem starren Kanalbett gelassen habe. Doch nun ergeht es der Stadt ein wenig so wie einem Lehrer, der im Unterricht freies Arbeiten einführt und plötzlich merkt, dass er die Kontrolle über die Klasse verliert.

Was auf und mit der Isar erlaubt ist, regelt die sogenannte Bade- und Bootsverordnung. Die stammt aus dem Jahr 1976, ist also ziemlich überaltert - das Surfen kommt zum Beispiel gar nicht vor, es gab damals erst Vorläufer der heutigen Eisbachszene. Nun soll die Verordnung novelliert werden, am kommenden Dienstag berät darüber der Umweltausschuss. An dem Entwurf der Verwaltung reiben sich jedoch Interessengruppen genauso wie Parteien. Denn eigentlich, gibt Joachim Lorenz zu verstehen, habe man die Absicht gehabt, die Regeln zu lockern.

Dann kamen die Juristen

Eigentlich. Doch dann kamen die Juristen. Die Verwaltung ließ einen Versicherungsexperten die 14 Kilometer Isar prüfen, weil bei Unfällen eventuelle zivilrechtliche oder sogar strafrechtliche Klagen drohten. Nun zeigt sich, dass die Renaturierung des Flusses Konsequenzen für die Haftung der Stadt haben könnte, die offenbar kaum einer vorher bedacht hatte. "Gefahrenstellen wie Tothölzer und Störsteine wurden ja regelrecht in den Fluss eingebaut", sagt Lorenz - für mehr Artenreichtum in der Isar.

"Das Thema Freizeit spielte bei der Renaturierung keine große Rolle", sagt er. Der Entwurf der neuen Verordnung erzürnt besonders Münchens Kanuten. Ihnen wäre zum Beispiel untersagt, die Floßrutsche an der Marienklause zu nutzen. Aus Haftungsgründen. Bislang war das erlaubt. "Ich kann dieses Verbot auch nicht nachvollziehen", sagt der Umweltreferent, "aber mir sind die Hände gebunden." Denn sollte ein Unfall passieren, könnte schlimmstenfalls ein städtischer Mitarbeiter strafrechtlich belangt werden.

"Wenn die Verordnung so kommt, dann ist das ein herber Schlag für den Kanusport in München", klagt Rudolf Renner, Ressortleiter Umwelt beim Bayerischen Kanuverband. Auch Gregor Boneff von der Wassersportabteilung des TSV 1860 München ist sauer. "Seit Menschengedenken wird die Isar befahren. Die Isar zu blockieren, wäre ein historischer Schritt", echauffiert er sich. An diesem Freitag wollen Münchens neun Kanuvereine gemeinsam an der Marienklause gegen die geplante Bade- und Bootsverordnung protestieren.

Unterstützung kommt aus den Reihen von SPD und Grünen, die mit dem Vorschlag der Verwaltung nicht einverstanden sind. Nikolaus Gradl (SPD) arbeitet eifrig an Änderungsanträgen. "Wir wollen auf keinen Fall eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Verordnung", sagt er. Gradl hat recherchiert: Einen Fall, dass ein kommunaler Mitarbeiter strafrechtlich belangt wurde, habe es in Deutschland noch nie gegeben.

Statt die Kanuten stärker zu gängeln, wollen SPD und Grüne sie künftig bis zur Reichenbachbrücke paddeln lassen - nur der Flaucher bleibt tabu. "Mit Schlauchbooten darf man aber definitiv nicht auf der Isar fahren", sagt Gradl. Baden soll künftig in der Innenstadt an der östlichen Isarseite generell erlaubt sein. Ausgenommen davon sind, wie auch bislang schon, Gefahrenstellen, zum Beispiel Wehre. Auch das Biotop "Kleine Isar" soll unangetastet bleiben.

Nach den jüngsten tödlichen Unfällen bei Hochwasser denkt die SPD über eine Beschilderung nach, die über Gefahren aufklärt. "Die Isar bleibt ein Wildfluss, man darf sein Kind nicht einfach alleine reinlassen", sagt Gradl. Konsens gibt es quer durch die Fraktionen in einem Punkt: Bei Hochwasser sollen Surfen, Baden und Bootfahren verboten bleiben.

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