Süddeutsche Zeitung

Ayinger Theater über NS-Zeit:Vorschneller Verdacht

Ein Bürger erstattet Anzeige, weil er im Plakat für das neue Stück der "Ayinger Gmoa Kultur" die strafbare Verwendung von NS-Kennzeichen vermutet. Der empörte Verein kann den Vorwurf entkräften.

Von Michael Morosow

Grundsätzlich ist es ja wünschenswert, wenn Menschen nicht wegschauen, sobald sie einer Verherrlichung des Naziregimes gewahr werden. Und so schlug denn auch ein aufmerksamer Bürger aus Aying Alarm, nachdem er auf einem Werbeplakat für das neue Theaterstück des Kulturvereins "Ayinger Gmoa Kultur" die strafbare Verwendung von Kennzeichen einer ehemaligen NS-Organisation entdeckt zu haben glaubte, und zwar im Titel des Theaterstücks: "AbschuSS - Wilderer und Bauernopfer", die beiden "S" in Versalien, wohlgemerkt.

Hat sich die Ayinger Gmoa Kultur, seit 2004 fester Bestandteil im Kulturleben der Gemeinde, in einen braunen Sumpf ziehen lassen? Allein die Tatsache, dass jemand dem Kulturverein dieses zutraut, empfinden die Theatermacher als verletzend. "Wer annimmt, dass wir eine Verherrlichung des Naziregimes auf die Bühne bringen, dem kann man nicht helfen", sagt Vorsitzender Marcus Astroth. Er finde diesen Vorwurf befremdlich, erklärt Marcus Everding, Regisseur und Autor des Stücks.

Wenn der Anzeigeerstatter sich dieses Theaterstück anschaut, Premiere ist am 15. Oktober, spätestens dann würde er merken, dass er vorschnell Alarm geschlagen hatte. "AbschuSS - Wilderer und Bauernopfer" thematisiert die in der Öffentlichkeit wenig bekannte Zwangsrekrutierung von in KZ inhaftierten Wilderern für eine Spezialeinheit der Waffen-SS, eine Idee von Adolf Hitler und SS-Chef Heinrich Himmler. Erzählt wird die tragische Geschichte eines Wirtesohns, der sich dafür nicht hergeben wollte.

Keine Verherrlichung, sondern geschichtliche Aufarbeitung

Keine Verherrlichung des Naziregimes also, sondern eine geschichtliche Aufarbeitung eines "sehr ernsten und brutalen Themas", wie Astroth sagt. Mit den beiden großen "S", die bewusst nicht in Runenschrift geschrieben sind, wolle man auf den Ernst des Stücks aufmerksam machen, "nicht dass jemand glaubt, hier werde eine Art Jennerwein von Aying" aufgeführt, so Everding. Die Ähnlichkeit aber sei gewollt.

Für die Theatermacher ist die Aufregung um ihr Stück zwar auch eine Werbung, bedauerlich finden sie indes, wie vorschnell sie in falschen Verdacht geraten seien. "Ich bin also ein Nazivorstand eines Nazivereins", ereifert sich Astroth. Erst urteilen, dann richten und erst dann nachfragen - diese Reihenfolge gefalle ihm gar nicht. "Auf den Plakaten steht sogar die Telefonnummer des Veranstalters drauf, da hätte er doch seine Bedenken äußern können", sagt auch Erich Leiter, stellvertretender Vorsitzender der Ayinger Gmoa Kultur.

Stattdessen hat sich der Mann bei der Ottobrunner Polizeiinspektion gemeldet - und kurz darauf die sich bei Astroth. Er habe der Polizei eine kurze Inhaltsangabe des Stücks gegeben, danach sei alles wieder gut gewesen. Nicht ganz, die Anzeige ist zwar fallen gelassen worden, weil die Plakatgestaltung in den Bereich der künstlerischen Freiheit fällt, aber nicht alle der 40 in Gemeinden im Südlandkreis platzierten Plakate hängen noch. Im Brunnthaler Ortsteil Dürrnhaar wurde ein Plakat entfernt, in Putzbrunn waren es zwei.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2020/belo
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