Ayinger Kulturverein:Der Helfendorf-Cop übernimmt

Ayinger Kulturverein: Zwei Männer, die mehr verbindet als Lederhosen: Marcus Astroth will als neuer Vorsitzender der Ayinger Gmoa-Kultur das Erbe Michael Wöllingers weiterführen (von links).

Zwei Männer, die mehr verbindet als Lederhosen: Marcus Astroth will als neuer Vorsitzender der Ayinger Gmoa-Kultur das Erbe Michael Wöllingers weiterführen (von links).

(Foto: Claus Schunk)

Marcus Astroth spielte vergangenes Jahr als Neuzugezogener eine Rolle im Theaterstück der "Gmoa-Kultur". Inzwischen ist er Vorsitzender des Vereins und plant gemeinsam mit Regisseur Marcus Everding die nächste Inszenierung.

Von Udo Watter, Aying

Für Menschen, die frisch in die als Wohnort begehrten Gemeinden im schönen Münchner Süden ziehen, ist eine schnelle soziale Integration keine Selbstverständlichkeit. Das liegt nicht selten an den Zugereisten selbst, die mitunter kein großes Interesse an innerörtlichem gesellschaftlichem Engagement haben, aber gerne alle kommunalen Angebote nutzen wollen. Manchmal sind aber auch die Alteingesessenen - pfeilgrad gesagt - ganz schön verschlossene und grantige Büffel.

Als Marcus Astroth 2017 von München-Schwabing in die Gemeinde Aying zog, war er freilich sofort willens, aktiv am kommunalen Leben aktiv teilzunehmen, und er wurde auch schnell herzlich umarmt. "Ich wollte mich engagieren", sagt der gebürtige Münchner. Natürlich landet man da in einem bayerischen Dorf schnell bei der Freiwilligen Feuerwehr, aber Astroth, der in Großhelfendorf wohnt, sah sich bald auch ungewöhnlicheren Herausforderungen gegenüber: Er wurde im Mai 2018 Mitglied der "Ayinger Gmoa-Kultur" und schon bald von der Regieassistentin der Theatergruppe angesprochen und ziemlich spontan verpflichtet, eine Rolle im damals neu zu inszenierenden Stück "Die Helfendorf Cops kommen" zu übernehmen.

Astroth, bis dahin ohne schauspielerische Erfahrung, agierte dann bei den Vorstellungen im Herbst 2018 als ein Polizeiobermeister, der am Ende auch noch entscheidend dazu beiträgt, den Fall zu lösen. Und offenbar überzeugte er. Wie das ging? "Der Everding hat ein Händchen für Schauspieler. Der kann mit ihnen wahnsinnig gut umgehen", sagt er. Marcus Everding - seines Zeichens Regisseur und Träger des Oberbayerischen Kulturpreises 2018 - inszeniert seit 15 Jahren erfolgreich die Theateraufführungen der Ayinger Gmoa-Kultur. Marcus Astroth ist nun ist seit einigen Monaten erster Vorsitzender des Vereins und damit Nachfolger des Gründers Michael Wöllinger.

Die beiden sitzen zusammen im Biergarten des Ayinger Bräustüberls, und wenn sie miteinander parlieren, und immer mal wieder bairisch timbrierten Schmäh einfließen lassen, dann hat man das Gefühl: Die zwei verstehen sich. Oder mundartlich gesprochen: Des passt. Wöllinger, 65, hat den Wechsel im Vorstand des von ihm lange geleiteten Vereins, der im April auf der Jahresversammlung vollzogen wurde, selbst initiiert.

Ayinger Kulturverein: Zu Wöllingers Erbe gehören die Inszenierungen der Theatergruppe. Im Bild: eine Szene aus "Die Helfendorf Cops kommen".

Zu Wöllingers Erbe gehören die Inszenierungen der Theatergruppe. Im Bild: eine Szene aus "Die Helfendorf Cops kommen".

(Foto: Claus Schunk)

Neben Astroth ist dieser mit dem zweiten Vorsitzenden Erich Leiter, der Schriftführerin Dagmar Leiter, sowie der ersten Schatzmeisterin Rosi Riesenberger sowie dem zweiten Schatzmeister Alexander Kloß besetzt. "Es war der richtige Zeitpunkt", sagt Wölllinger, "sich zwischen zwei Stücken zurückzuziehen, beziehungsweise direkt nach der Aufführung eines Stücks."

Mit Blick auf den großen Erfolg der "Helfendorf Cops" - alle Vorstellungen waren ausverkauft - frotzelt Astroth: "Er hat die Latte für mich als Nachfolger sehr hoch gelegt und diese unglaubliche Verantwortung weiter gereicht." Ganz zieht sich der gesundheitlich angeschlagene Wöllinger, der seit der ersten Inszenierung "Emmerami" im Jahr 2004 als organisatorischer Spiritus Rector der Ayinger Festspiele fungiert, allerdings nicht zurück.

Der gebürtige Münchner, der auch regelmäßig die Stoffe (mit historisch-thematischem Bezug zum Gemeindegebiet) ausgräbt und recherchiert, auf deren Grundlage dann Everding die Stücke schreibt, bleibt gleichsam als Intendant erhalten. Auch das neueste Stück, das im kommenden Jahr gezeigt wird - die Aufführungen sind für den Verein stets ein organisatorischer und finanzieller Kraftakt - ist Wöllingers Recherchen zu verdanken: Es geht darin um einen Fall von Wilderei und Fischfrevel an der Mangfall aus dem Jahr 1938. Wöllinger hat eine Zeitungsnotiz dazu im Fundus seines Großvaters gefunden.

"Das macht es geschichtlich natürlich sehr interessant" sagt Wöllinger, der im Bräustüberl passend zur Geschichte ein T-Shirt mit der Aufschrift "Wuidara" trägt. "Da kann man ein tolles Stück drum herum schreiben und das ganze vermengen mit der NS-Zeit, mit dem Regime, mit Denunzianten, Mitläufern Widerständlern." Man merkt wie sehr Wöllinger, der auch schon Stoffe für die folgenden Aufführungen im Kopf hat, für seine Gmoa-Kultur noch brennt. Wie sehr ihm, der immer hochkarätige Kultur aufs Land zu bringen wollte, die Weiterentwicklung seines Vereins am Herzen liegt.

Er selbst hat eine dramatische Krankheitsgeschichte hinter sich und ist nicht mehr so belastbar: "Auch psychisch" , wie er sagt. Ostern 2016 wurde bei ihm Rachenkrebs diagnostiziert, und ein langer Kampf gegen einen bösartigen Gegner begann. Unter anderem ist es etlichen Bestrahlungen und sechs Chemotherapien zu verdanken, dass der Krebs momentan "eliminiert" ist, wie er erklärt.

Für immer bezwungen ist die Krankheit derzeit freilich noch nicht. Wöllinger, der natürlich hagerer als früher aussieht, muss auch in den kommenden Jahren noch regelmäßig zu Untersuchungen. Posaune und Tuba spielen kann der leidenschaftliche Hobbymusiker wegen der Krankheit nicht mehr, dafür tobt er sich virtuos am Schlagzeug aus - und das gleich in vier Bands: "Das macht mir sehr viel Spaß."

Dass sich mit dem 52-jährigen Astroth, und den anderen neuen Vorstandsmitgliedern ein motiviertes Team gefunden hat, freut ihn natürlich - Theater made in Aying soll es ja noch länger geben. Die langjährige Zusammenarbeit mit Veranstalter Wolfgang Ramadan ("Brotzeit & Spiele"), der mit der Gmoa-Kultur zahlreiche Kabarettabende und Konzerte im Kleinhelfendorfer Gasthaus Fellner "Zur Post" organisiert hat, ist dagegen 2018 zu Ende gegangen. Die Theatervorstellungen der Gmoa-Kultur, die dort einst stattfanden, werden seit 2016 im Sixthof in Aying aufgeführt.

Für Marcus Astroth, der selbständig ist und eine Firma im Bereich Sicherheitstechnik leitet, hat sich der Umzug tief in den Münchner Süden als Glücksfall erwiesen. Der 52-Jährige, der schon früher mal im Landkreis, in Hohenbrunn, gewohnt hat, fühlt sich hier deutlich wohler als in der Stadt. Zu tun gibt es in den kommenden Monaten für ihn genug: Neben dem allmonatliche Kulturstammtisch soll eine neue Vereins-Homepage entstehen und im Herbst beginnt dann das Casting fürs neue Stück und zudem warten auf ihn zahlreiche organisatorische Aufgaben, die damit verbunden sind.

Er und sicher auch im Hintergrund Wöllinger wollen dann dafür verantwortlich zeichnen, dass die Theatergruppe der Ayinger Gmoa-Kultur den Ruf, den sie sich in etlichen Inszenierungen erworben hat, 2020 erneut bestätigen kann. Oder in den Worten Wöllingers: "Du kannst mit Laien wunderbar Theater machen, wenn du einen Profi an der Spitze hast."

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Theaterstück
:Tatort Saliterstraße

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