Im Frühjahr 1632 fällt der schwedische König Gustav Adolf mit seinen Söldnertruppen in Bayern ein, mit einer Brutalität, die man zuvor nicht kannte. Die Soldaten plündern, vergewaltigen und brandschatzen, und am Ende ist die Hälfte der Bevölkerung tot. Das neue Theaterstück der Ayinger Gmoa Kultur spielt während des Dreißigjährigen Krieges, der als Religionskrieg begann und in einen Krieg um Territorien endete. Und wäre es nicht ohnehin kühl an diesem grauen Montagnachmittag in einem Café im Münchner Westen, man würde frösteln bei den Dingen, die Marcus Everding von diesem düsteren Kapitel Menschheitsgeschichte zu berichten weiß.
„Das Leid war unbeschreiblich“, sagt der Regisseur und Autor. Doch genau damit wurde Everding, 20 Jahre nachdem das Ensemble der Ayinger Gmoa Kultur das erste Mal auf der Bühne stand, wieder einmal beauftragt: Auf Basis von historischen Fakten ein Bühnenstück zu schreiben.
„Und morgen kommt der Schwed“, lautet der Titel der jüngsten Produktion, die am 17. Oktober im Sixthof in Aying ihre Premiere erleben wird. Alle zwei Jahre realisiert der Kulturverein in Zusammenarbeit mit Everding als Autor und Regisseur ein Stück mit Bezug zum Ort. Ein Amateurtheater, das sich einen eigenen Drehbuchautor leistet. Ein Profi, der mit Laien arbeitet. Das ist eine Konstellation, die es nicht so oft gibt. Und die vielleicht gerade deshalb Bestand hat: Mit der aktuellen Produktion sind es mittlerweile nämlich zwölf Uraufführungen, seit die Ayinger Gmoa Kultur im Jahr 2004 den Kirchplatz von Kleinhelfendorf mit einer Inszenierung über das Leben des Heiligen Emmeram zur Bühne machte.
Zu jeder Vorstellung kamen damals 600 Besucher, die Inszenierung fand einen Zuspruch, mit der niemand gerechnet hatte. „Man hat sofort gesehen, hier findet eine andere Art von Theater statt“, sagt Everding. Die engagierten Ayinger hatten eine Marktlücke aufgetan. Und sie ergriffen die Chance, Amateurtheater in einer anderen Form zu präsentieren: weg von leicht verdaulichen Komödien, hin zu eigens für den Verein geschriebenen Stücken historischen Ursprungs, die auf gründlicher Recherche basieren.
Obwohl Everding sich bereits einmal für eine Oper mit dem Dreißigjährigen Krieg befasst hat, vergrub er sich auch diesmal wieder in historischen Dokumenten, las die Tagebücher von Söldnern und Äbten. Die Idee für ein Thema kommt in der Regel aus den Reihen des Vorstands, meist war es Michael Wöllinger, der im März verstorbene Gründer und langjährige Vorsitzende des Vereins, der auf spannende Faktum Ortsgeschichte aufmerksam geworden war – etwa in dem kleinen Zeitungsartikel über Wilderer in Aying, aus dem Everding unter dem Titel „Abschuss – Wilderer und Bauernopfer“ (2020) ein komplexes Drama zur Zeit des Nationalsozialismus entwickelte.
Diesmal war es ein Zitat aus der Chronik der Kirche St. Andreas in Aying, das zu einem Bühnenstück inspirierte. „Während des Dreißigjährigen Krieges setzte 1632 ein schwedischer Soldat den Dachstuhl in Brand.“ Das lese sich so lapidar, man müsse sich aber klarmachen, dass die Kirche als letztes angezündet worden sei, erläutert Everding. Im Mittelpunkt der jüngsten Inszenierung steht ein junges Liebespaar, das kurz vor der Eheschließung steht, als die schwedischen Truppen Aying überfallen. Das allein trage die Geschichte natürlich nicht, da bestehe die Gefahr, ein Rührstück zu schreiben. „Und es soll ja kein Romeo und Julia auf dem Lande werden“, betont Everding.
Also gestaltete der Autor auch das Umfeld des jungen Paares sorgfältig aus, legte insgesamt 28 Rollen an. Es gibt einen Schmied und einen Pfarrer, einen Bäcker und eine Bettlerin, eine komplette Dorfgemeinschaft eben, die auf der Bühne im Übrigen hauptsächlich als Chor agiert. Mittlerweile könne er auf einen Pool an 40 Schauspielern zurückgreifen, manche kommen aus München oder dem Landkreis Rosenheim zu den Proben, um in Aying mitzuspielen.
Premiere im Ayinger Sixthof ist am 17. Oktober
Von der Handlung selbst verrät Evering nicht viel, doch dass man sich als Zuschauer nicht auf leichte Kost einstellen sollte, ja dass es auch um sexualisierte Gewalt gehen wird auf der Bühne, das liegt nahe bei einer Geschichte, die im Krieg spielt. „Der jungen Frau widerfährt Leid durch einen schwedischen Soldaten“, erzählt der Theatermann und studierte Philosoph. Und die Frage werde sein, ob der Ehemann in spe zu ihr steht oder eben nicht. Die Interessen von Kirche und Politik werden eine Rolle auf der Bühne spielen, und wenn am Ende der Vorhang fällt, werden manche Zuschauer noch eine ganze Weile über den Machthunger und Zynismus nachdenken, mit dem Kriege geführt werden.
Nein, er glaube nicht, dass Theater die Welt verändert, sagt Everding. Aber Theater könne zum Austausch anregen, es könne berühren, nah und direkt sein. Auch wenn die Ereignisse auf der Bühne beinahe 400 Jahre zurückliegen.
„Und morgen kommt der Schwed“, Uraufführung am Donnerstag, 17. Oktober, um 20 Uhr im Theater im Sixthof in Aying, weitere Vorstellungen am 19./20. Oktober, am 25./26./27. Oktober, am 31. Oktober sowie am 1./2. November. Beginn jeweils um 20 bzw. 19 Uhr (sonntags). Karten zu 23 Euro unter Telefon 0700/25250025 oder info@ayinger-gmoa-kultur.de.