Aying wählt:Teilbar durch 19

In der Gemeinde Aying mit ihren vielen Ortsteilen geht es immer auch um die Frage des Zusammenhalts. Ein Faktor ist seit 1996 Bürgermeister Johann Eichler. Er tritt am 16. März wieder als einziger Kandidat an.

Michael Morosow

Wie man aus zwei kleineren Teilen etwas Großes macht, dafür steht in Aying der Maibaum, der schon immer zu den höchsten in Bayern und damit der ganzen Welt zählt. Um der Natur nachzuhelfen, fügen die Burschen zwei Bäume zu einem zusammen; Schifften nennt man diese Technik. Am 1. Mai werde ein besonders hoher Maibaum aufgerichtet, verrät Johann Eichler. Dem Bürgermeister käme es sicher gelegen, wenn sich das Schifften auch in anderen Bereichen anwenden ließe. Zum Beispiel bei dem Versuch, aus 19 Ortsteilen eine verschworene Gemeinschaft zu formen. Wobei es ohnehin seltsam anmutet, dass Aying durch 19 teilbar ist. Gerade einmal 4800 Menschen zählt die Gemeinde, deren Bewohner dann auch noch unter vier verschiedenen Telefon-Vorwahlen zu erreichen sind. Gibt es denn überhaupt das große Ganze in Aying, zumal selbst Bischof Emmeram, der Ortsheilige, nach seinem Martyrium bei Helfendorf zerstückelt worden war?

Eine Votivtafel, die des Bischofs Leidensgeschichte erzählt, ziert die Wand neben dem Besprechungstisch im Bürgermeisterzimmer. Hier residiert seit 1996 Johann Eichler, 56 Jahre alt, Fahrzeugtechnik-Ingenieur, aufgewachsen in Kleinkarolinenfeld, einem der kleinsten der 19 Ortsteile. Vieles kann der Mann in seinen bisherigen drei Amtszeiten nicht falsch gemacht haben, sonst würde er am 16. März nicht zum vierten Mal zum Bürgermeister gewählt werden, voraussichtlich mit einem Ergebnis um die 95 Prozent. Johann Eichler tritt ohne Gegenkandidat an, bereits zum dritten Mal in Folge hat es keine andere politische Gruppierung in Aying gewagt oder für notwendig befunden, einen Herausforderer zu benennen. Dabei werfen heuer gleich fünf Gruppierungen ihren Hut in den Ring: die Freie Wählergemeinschaft Aying (FWGA), mit sechs Sitzen die "Mehrern" im Gemeinderat; die Parteilose Wählergemeinschaft Helfendorf (PWH), der Eichler angehört, mit fünf Sitzen vertreten; die CSU (4), die SPD (1) und erstmals auch die Grünen.

"Wenn nicht der Hans Eichler wieder kandidiert hätte, dann hätten wir mit einer anderen Intensität versucht, einen eigenen Bürgermeisterkandidaten aus dem Boden zu stampfen", sagt Andrea Weinberger, Vorsitzende des Ayinger CSU-Ortsverbandes. Am Ende hatte man es sein lassen. Eichler, so weiß man in Aying, kandidiert zum letzten Mal. Warum solle man sich am 16. März eine blutige Nase holen, wenn 2020 die Karten neu gemischt werden und dann kein König Eichler mehr ganz oben liegt? Und außerdem: "Wir haben mit Eichler einen Bürgermeister, der seine Sache gut macht" , bekennt Weinberger.

Und auch Manfred Renk junior von der Freien Wählergemeinschaft Aying begründet den Verzicht auf einen eigenen Bürgermeisterkandidaten mit der Person Johann Eichler. "Bürgermeister und Verwaltung funktionieren sehr gut, wenn man vergleicht, was so alles im Umland los ist", sagt Fauth, ehe er zu einem Satz ausholt, der die politische Gemengelage in Aying recht treffend beschreibt: "Was das Tolle ist, es gibt eigentlich nur im Wahlkampf verschiedene Gruppierungen, sonst sind wir eine gemeinsame Truppe und zum größten Teil parteiunabhängig." Und offenbar haben die beiden parteifreien Gruppierungen, die FWGA und die PWH, auch programmatische Übereinstimmungen. Als erstes Ziel für die kommende Amtszeit nennt Fauth: "Wir haben bis heute unheimlich viel getan für unsere Jugend, jetzt müssen wir einmal den Fokus auf die Senioren lenken." Gleiches haben auch Johann Eichler und seine PWH vor. "Wesentlich wird sein, wie wir unseren Alten in der Flächengemeinde auch eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen können und dafür Sorge tragen, dass sie so lange wie möglich in ihrem eigenen Haus bleiben können. Aus diesem Grund habe man eine "Umfrage 80 plus" gestartet, um zu erfahren, wo die Probleme der alten Ayinger liegen.

Wenn Johann Eichler über den 16-köpfigen Gemeinderat spricht, dann schwingen Stolz und Zufriedenheit in der Stimme mit. Es gebe keine Fraktionsbildung innerhalb des Gremiums, so Manches sei strittig, aber Mehrheitsentscheidungen würden akzeptiert, ohne Nachtarrock. "Das ist eine gewaltige Stärke des Gemeinderats, wir haben ein Demokratieverständnis, von dem sich andere eine Scheibe abschneiden können", lobt Eichler sich und die Anderen. Wie unkompliziert der Ayinger Gemeinderat und sein Bürgermeister wichtige Entscheidungen herbeiführen können, davon zeugt eine Sitzung anno 2002. Die Vorgeschichte: Die Gemeinde Sauerlach wollte ursprünglich ein Senioren-Pflegeheim alleine auf einem Kirchengrundstück bauen. Dann aber, so berichtet Eichler, rief der damalige Sauerlacher Bürgermeister Walter Gigl bei ihm an und sagte, ein Pflegehaus mit 120 Plätzen sei für seine Gemeinde zu groß, ob Aying nicht mit ins Boot wollte. Aber es pressiere, die Entscheidung müsse innerhalb der nächsten 14 Tage fallen. In dieser Sitzung im April 2002 fanden sich die kurz zuvor gewählten Mitglieder des neuen Gemeinderates und der alte Gemeinderat zusammen, der ja noch im Amt war. Dazu Vertreter der Arbeiterwohlfahrt und der Bräu Franz Inselkammer. Kurz: Das Gremium goutierte den Sauerlacher Vorschlag, statt ein großes Pflegeheim in Sauerlach je ein kleines mit je 60 Betten in beiden Gemeinden zu bauen. Noch während der Sitzung wurde der notwendige Grundstückskauf mit Franz Inselkammer besiegelt - per Handschlag, wohlgemerkt.

"Wir haben wenig Blindleistung, mehr Wirkleistung", sagt Eichler und verwendet bewusst die Terminologie eines Fahrzeugtechnik-Ingenieurs. Dass im Ayinger Gemeinderat Sachpolitik deutlich mehr gilt als mögliche Eifersüchteleien unter den Ortsteilen, davon zeugt ein Projekt, das Eichler als das Wichtigste seiner bisherigen Amtszeit bezeichnet, "die Geschichte mit unserer Grundschule." Nach langen Diskussionen wurde ein Beschluss gefasst, der wenige Jahrzehnte davor undenkbar gewesen wäre. Es wurde aus bis dahin zwei Schulstandorten einer gemacht. Die Ayinger akzeptierten, dass dieser in Großhelfendorf sein werde. Die Argumente seien überzeugend gewesen. "Es stand nicht unsere Befindlichkeit im Mittelpunkt, sondern die unserer Kinder", erinnert sich der Bürgermeister.

16 Gemeinderäte, 19 Ortsteile - wie schafft man einen verträglichen Proporz? Im Gemeinderat spricht man von vier großen Ortsteilen (Aying, Großhelfendof, Dürrnhaar und Peiß), die gewöhnlich andere Problematiken haben als die restlichen kleinen, abgelegenen Ortsteile mit nicht einmal 200 Bewohnern. "Die haben ganz andere Probleme, liegen oft weit weg von der S-Bahn und haben keinen Einzelhandel", sagt Eichler, dem die Problembewältigung auch im 18. Amtsjahr noch Freude bereitet. Nur einmal habe er ans Aufhören gedacht, das sei nach dem Unfalltod seines Sohnes im Vorjahr gewesen.

Dass die Gemeinde Aying seit mehreren Jahren immer häufiger prominente Gäste empfängt, sieht Eichler gelassen. Wladimir Putin war hier, Wiktor Subkow zusammen mit Edmund Stoiber, Kronprinzessin Victoria und Prinz Daniel von Schweden. Philipp Lahm hat hier geheiratet. Aying solle zu keiner Schicki-Micki-Gemeinde werden. Die Prominenz, die regelmäßig hier absteigt, tue dem Image zwar gut. "Aba mia bleim Dorf", sagt der alte und neue Bürgermeister einer Gemeinde mit 19 Ortsteilen und vier Vorwahlnummern.

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