Aying:Rote Kämpfer

Der Ayinger SPD-Ortsverein zählt 13 Mitglieder. Jetzt feiern die Sozialdemokraten ihr 30-jähriges Bestehen. Ein hinter der Kirche gefundenes Protokollbuch beweist aber: Genossen gab es dort in der Diaspora schon früher

Von Michael Morosow, Aying

Wenn es stimmt, dass die CSU die Alpen erschaffen hat, dann erklärt dies auch ein Phänomen, das die Roten seit jeher bedrückt: Je näher man Watzmann und Zugspitze kommt, desto dünner wird die Luft für Sozialdemokraten. Gerade so, als würde der Föhn alles, was Rot ist, zurückblasen nach München, wenn nicht gar bis nach Hamburg und Berlin. Von Straßlach-Dingharting aus etwa sieht man an schönen Tagen die malerischen Höhenzüge wie zum Greifen nahe, will man aber einen "Sozi" antreffen, muss man lange suchen. Im Gemeinderat sitzt kein einziger, und wie schwer der Stand für SPDler dort ist, davon kann Dieter Reiter ein Lied singen. In Straßlach hatte ihn der SPD-Ortsverein für die Kommunalwahl 2008 auf Listenplatz zwei gesetzt. Reiter fiel durch, zumindest reichte es für ihn Jahre darauf zum Münchner Oberbürgermeister.

Auch Aying hat der Schöpfer quasi zu Füßen der Alpenkette gelegt, doch hier zucken die Sozialdemokraten noch. Mit Bert Nauschütz haben sie sogar einen Vertreter im Gemeinderat sitzen. Die gesamte Ayinger SPD-Familie trifft sich an diesem Freitag, 9. Oktober, um 19 Uhr im Gasthaus Oswald in Kleinhelfendorf, um anzustoßen auf das 30-jährige Bestehen des SPD-Ortsvereins, der 1985 in der Brauereigaststätte Aying aus der Taufe gehoben wurde. Der Wirt wird mehrere Tische decken müssen, stehen doch viele Namen auf der Gästeliste: Natascha Kohnen, Generalsekretärin der bayerischen SPD, Kreisvorsitzende Bela Bach, Vize-Landrätin Annette Gannsmüller-Maluche, Landtagsabgeordneter Peter Paul Gantzer werden kommen, und selbst Ayings Bürgermeister Johann Eichler (PWH) wird seine Aufwartung machen. So ist es sinnvoll, eine größere Lokalität wie den Gasthof Oswald für die Feier zu buchen. Blieben die Ayinger SPD-Mitglieder unter sich, würden locker zwei Tische im Nebenzimmer genügen: gerade mal 13 Mitglieder zählt der vom Gärtnermeister Erich Leiter geführte Ortsverein.

Aying: Fast kitschig: Aying gehört zu den schönsten Flecken im Landkreis München - und ja, dort können sich auch Sozialdemokraten wohlfühlen.

Fast kitschig: Aying gehört zu den schönsten Flecken im Landkreis München - und ja, dort können sich auch Sozialdemokraten wohlfühlen.

(Foto: Claus Schunk)

"Klein, aber oho", fällt Leiter dazu ein, und dass er mächtig stolz darauf sei, dass zu Versammlungen fast alle kämen, wenigstens acht bis neun. Walter Fürsicht erinnert sich an bessere Zeiten: "Wir waren schon einmal wesentlich mehr", sagt der Berufsfeuermann im Ruhestand, der seit 1985 die Geschicke der Ayinger Sozis in unterschiedlichen Positionen begleitet. Einmal, so Fürsicht, habe man den ganzen Ort hinter sich gehabt: 1996, als der Flugplatz Neubiberg aufgelassen wurde, die Fliegerschar nach Aying umsiedeln wollte und von einem Flugplatz zwischen Peiß und Römersiedlung träumte. Unter Federführung der SPD wurden binnen zwei Wochen 1200 Unterschriften gesammelt, die Pläne verschwanden in der Schublade. "Wenn damals Wahlen gewesen wären, wären wir groß rausgekommen", so Fürsicht.

Ach ja, einen Bürgermeister hatte man auch schon einmal in den eigenen Reihen, das allerdings war zu Zeiten, als Peiß noch eine selbständige Gemeinde war und nicht wie heute einer von 19 Ortsteilen Ayings. Johann Mang hieß der Mann, und eigentlich war er kein Sozi, sondern ein Freier Wähler, die er seit Kriegsende und bis 1970 als erster Mann im Rathaus vertrat. Dann wurde er von den Freien Wählern nicht mehr für eine weitere Amtszeit nominiert, so dass er zur SPD wechselte und auch im roten Anzug wiedergewählt wurde. Zwei Jahre lang durfte sich die Ayinger SPD die Bürgermeister-Fraktion nennen.

Aying: Erich Leiter ist Vorsitzender des 13 Mitglieder zählenden SPD-Ortsvereins in der Landgemeinde Aying. Er sagt: "Wir sind klein, aber oho."

Erich Leiter ist Vorsitzender des 13 Mitglieder zählenden SPD-Ortsvereins in der Landgemeinde Aying. Er sagt: "Wir sind klein, aber oho."

(Foto: Claus Schunk)

Wer jetzt darüber stolpert, dass die Sozialdemokraten Anfang der Siebzigerjahre den Bürgermeister von Peiß gestellt haben, da sie doch erst 1985 gegründet wurden, der kennt nicht die ganze Geschichte der Ayinger SPD. Wohl niemand würde heute davon wissen, wenn nicht 1996 der Peißer Landwirt Sebastian Stadler eine fast sensationelle Entdeckung gemacht hätte. Er fand hinter der Peißer Kirche ein altes Protokollbuch. Die erste beschriebene Seite handelt von einer "sozialdemokratischen Parteienversammlung der Sektion Ottobrunn, welche am 10. 12. 1946 in der Bahnhofswirtschaft Höhenkirchen stattfand". Daraus geht hervor, dass sich kein Höhenkirchner für den Gründungsvorsitz bewarb, sodass der Genosse Netsch zum Zuge kam. Netsch war ein Peißer, weshalb sich die Sektion den endgültigen Namen "Höhenkirchen und Umgebung" gab. Am 6. August 1947 trennte sich die damals noch selbständige Gemeinde samt ihrer Ortsteile Dürrnhaar und Aying von Höhenkirchen ab, um als eigene SPD-Sektion in Erscheinung zu treten. Wenn man so will, dann ist der 6. August 1947 das eigentliche Gründungsdatum der Ayinger SPD.

Dass ihr erstes Leben so lang im Dunkeln gelegen hatte, ist ebenso sonderbar wie die Umstände, die zum Verlust des Protokollbuches führten. Letzter Schriftführer war Rudof Friedl, der hinter der Peißer Kirche wohnte, aber unter dubiosen Umständen seinen Wohnsitz Hals über Kopf verlassen musste. Mit ihm verschwand das Protokollbuch, das bei der Feier am Freitag sicher herumgereicht werden wird. Ach ja, nicht nur die Vergangenheit soll dabei eine Rolle spielen, auch die Zukunft des SPD-Ortsvereins Aying. "Wir müssen schauen, dass wir wieder in Erscheinung treten, damit uns die Leute nicht vergessen", sagt Vorsitzender Leiter. Es reicht ja schon, wenn man das Protokollbuch vergisst.

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