Süddeutsche Zeitung

Aying:Linke und rechte Faust des Bürgermeisters

Klaus Friedrich war mehr als 30 Jahre lang Geschäftsstellenleiter in der kleinen Gemeinde und hat in dieser Zeit fünf Rathauschefs begleitet. Jetzt hat er Zeit für die Hunde, den Garten und Reisen im Wohnmobil

Von Michael Morosow, Aying

"In einer Stunde ist Schluss", sagt Klaus Friedrich und will auf die große, mit privaten Motiven geschmückte Uhr an der Wand seines inzwischen fast komplett geräumten Büros deuten "Ach, die hab' ich ja schon abgenommen", fällt ihm dann ein. Seine Zeit als Geschäftsleiter der Ayinger Rathausverwaltung ist am vergangenen Montag um zwölf abgelaufen, statt in die Mittagspause verabschiedete sich der 60-Jährige in den Ruhestand - nach einunddreißigeinhalb Jahren. Dass er bereits so etwas wie der Methusalem der Rathausmannschaft geworden war, bestätigte sich bei einer seiner letzten Trauungen, die er in seiner Nebenfunktion als Standesbeamter der Gemeinde zelebrierte: Von dem ersten Brautpaar, das er unter die Haube gebracht hatte, stand der Sohn vor ihm.

Dass es Amors Pfeil war, der ihm die berufliche Richtung gewiesen hat, wissen dabei nur wenige. Im Oktober 1988 war es, als Klaus Friedrich und seine Braut Rita in Brunnthal vor dem Standesbeamten, dem damaligen Bürgermeister Josef Rottenhuber (CSU), standen und am Abend im Ayinger Bräustüberl ihre Hochzeit feierten. Rottenhuber habe ihn dann zur Seite genommen und zu ihm gesagt: "Du, in Aying täten'S einen Geschäftsleiter suchen." Das war an einem Freitag, "am Montag schon hab' ich beim Tribilian vorgesprochen", erinnert sich Friedrich. Herrmann Tribilian (CSU) gab dem jungen Mann den Job, den dieser am 1. Februar 1989 antrat.

Fünf Bürgermeister begleitete er seitdem, allen voran Johann Eichler (PWH), der 24 Jahre sein Chef gewesen war, ehe er sich wenige Monate vor ihm ebenfalls in den Ruhestand verabschiedet hat. 400 Mal, so hat er ausgerechnet, vertrat er die Verwaltung in Gemeinderatssitzungen. In dieser Zeit ist Aying von 3000 auf 5600 Einwohnern angewachsen, der Gemeinderat hat sich von 14 auf 20 Mitglieder vergrößert.

800 Mal nahm er Brautpaaren das Eheversprechen ab, darunter auch vielen Auswärtigen, zumeist aus München. Nur einmal ist eine Ehe nicht zustande gekommen. "Da wollte einer unbedingt um 8 Uhr in der Früh heiraten, um Viertel vor acht habe er mitgeteilt, dass er und seine Braut nicht kommen", erzählt der gebürtige Münchner.

Klaus Friedrich ist in München-Milbertshofen groß geworden, in Hof hat er an der Fachhochschule sein Diplom als Verwaltungswirt gemacht, anschließend war er eine Zeit lang bis Herbst 1988 Personalreferent der Stadt München, ehe er im Ayinger Rathaus anheuerte. Es sei immer spannend für ihn gewesen, wenn aus einem ersten Gespräch, etwa einer Idee des Bürgermeisters, ein konkretes Projekt entstanden und mit Leben aufgefüllt worden sei, erinnert sich der 60-Jährige. Als Beispiele nennt er den Bau der Grundschule und der Kindergärten, des Feuerwehrgerätehauses und des Wasserhochbehälters. Mit allen Bürgermeistern und allen Gemeinderäten habe er eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gepflegt, was ihm sehr wichtig gewesen sei. "Sonst bleiben viel Energie und Zeit auf der Strecke."

Klaus Friedrich wohnt mit seiner Frau Rita seit 1987 in deren Heimatort Faistenhaar, damit nah an Aying, "aber am Abend hatte ich am Biertisch meine Ruh'", sagt er. Das heißt, er konnte nach der Arbeit Privatmann sein und wurde nicht in seiner Funktion als Geschäftsstellenleiter von Bürgern ins Gespräch gezogen, so wie es das Schicksal von Bürgermeistern ist. Er sei "die linke und die rechte Faust der Bürgermeister" gewesen, sagt der Ruheständler schmunzelnd.

Angriffe abzuwehren ist dabei auch seine Hauptaufgabe gewesen in seiner aktiven Zeit als Handballtorwart beim MTSV Schwabing. Einmal kam er sogar in der Zweiten Bundesliga zum Einsatz. Der harte Sport hat Spuren hinterlassen, das Knie ist kaputt, hat bereits sieben Operationen hinter sich. Inzwischen kann er es wieder einigermaßen gut gebrauchen, was seinen Vorhaben im Ruhestand entgegenkommt. Dazu zählen Gassigehen und Training mit seinen beiden Border Collies, die in der Hundesportart Agility an den Start gehen und dabei aus mehreren Hindernissen bestehende Parcours überwinden. Mit seiner Frau auf dem Rad oder mit dem Wohnmobil unterwegs sein will er jetzt häufiger, auch im Garten sei einiges liegen geblieben. Es wartet auch noch genug Arbeit in seinem Waldstück bei Faistenhaar auf ihn. Und die Uhr aus seinem Büro im Rathaus muss er auch noch Zuhause aufhängen.

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SZ vom 07.09.2020
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