Wer in Aying und Umgebung wohnt, muss nicht weit fahren, um einen Blick in und vor allem auf die Zukunft werfen zu können. Nur ein paar Kilometer nach der Gemeindegrenze schlängelt sich die Straße hinter Unterlaus den Hang hinauf, von wo aus sich der Blick ins Oberland öffnet. Dort sticht seit Kurzem ein schlanker, grauer Turm vor dem Bergpanorama in die Augen, der weit über die Baumkronen hinausragt und noch ein wenig unfertig wirkt. Schon bald aber wird sich hier, nahe Großhöhenrain, das erste Windrad im Landkreis Rosenheim drehen. Ein paar Monate früher als im Landkreis München, wo im Hofoldinger Forst Rotoren der gleichen Bauart grünen Strom erzeugen sollen.
Etliche Ayingerinnen und Ayinger dürften allerdings schon angenommen haben, dass bereits der Bau ihrer Windräder ansteht. Seit vergangener Woche stehen kurz vor dem Ortsteil Peiß auf einem provisorischen Parkplatz zwei riesige, orangefarbene Kräne, daneben liegt eine mehr als vier Meter breite Röhre aus Stahl. Die aber ist nicht für den Hofoldinger Forst bestimmt, sondern ist das nächste Bauteil des Windrads bei Höhenrain und wurde nur für den Weitertransport in Aying zwischengelagert.
Dass sich bei der Windkraft in Bayern etwas bewegt, wird in ländlich geprägten Regionen wie dem Südosten des Landkreises München und dem Nachbarlandkreis Rosenheim deutlich. Hier ist es nicht die Landespolitik, die die Energiewende vorantreibt, sondern kommunale Initiativen setzen mit finanzieller Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern den Bau von Windrädern um.
Bei Feldkirchen-Westerham etwa baut die Bürgerwind GmbH Riedholz, benannt nach dem gleichnamigen Wald, in dem die Anlage errichtet wird, um die Initiatoren Sepp Forstner und Florian Lechner das erste Windrad im südöstlichen Oberland. Im Hofoldinger Forst sind es die drei Gemeinden Aying, Sauerlach und Otterfing, die gemeinsam unter dem Dach der Windenergie Hofoldinger Forst GmbH insgesamt drei Rotoren errichten – je eines auf jedem Gemeindegebiet im Wald.
Der Hofoldinger Forst ist als Staatsforst prädestiniert für den Bau von Rotoren, hat doch die bayerische Staatsregierung bei ihrer Kehrtwende nach Einführung des Wind-an-Land-Gesetzes insbesondere die staatseigenen Wälder als Standorte für Rotoren ins Visier genommen. Vor allem aber bietet das riesige Waldgebiet im Münchner Süden einen entscheidenden Vorteil: Hier führt die Salzburger Autobahn, die A8, durch, über diese können die riesigen Bauteile mit einer Länge von bis zu 80 Meter angeliefert werden.
Diesen Pluspunkt hat der Standort Großhöhenrain in Feldkirchen-Westerham nicht. Daher müssen die Bauteile im etwa zwölf Kilometer entfernten Ayinger Ortsteil Peiß an der Staatsstraße 2078 zwischengelagert werden. „So können unsere Bürger schon mal sehen, was auch bei uns bald entstehen wird“, sagt Ayings Bürgermeister Peter Wagner (CSU). Und zwar drei gigantische Windräder, die mit einer Nabenhöhe von 166 Metern, einer Gesamthöhe von etwa 250 Metern und einem Rotordurchmesser von 160 Meter weithin sichtbar sein werden.
Ein Windrad soll 9000 Haushalte mit grünem Strom versorgen
Die Anlagen sollen die Energiewende in Süddeutschland voranbringen. Laut der Gemeinde Feldkirchen-Westerham wird etwa das Windrad die Versorgung der Kommune mit regenerativer Energie um etwa zehn Prozent steigern, womit man dem Ziel der Klimaneutralität einen weiteren Schritt näherkommt. Derzeit liegt der Anteil grüner Energie in der Gemeinde nach Angaben der Bayernwerke bei nahezu 70 Prozent, wobei die Gemeinde im unteren Mangfalltal ihren Strombedarf vor allem aus Biomasse, Photovoltaik und dank der Lage am Fluss in geringen Teilen auch aus Wasserkraft deckt.
Die geplanten drei Windräder im Hofoldinger Forst, die sich nacheinander von kommendem März an drehen sollen, werden Strom für etwa 9000 Haushalte erzeugen. Die Fundamente mit einem Durchmesser von jeweils 24 Metern, die eine Last von mehr als 2000 Tonnen tragen müssen, sind bereits gelegt. Bald werden, wie in Höhenrain, auch über den Baumkronen nahe der A 8 die ersten Türme hin den Himmel wachsen.