Aying:Geschmack getroffen

Aying: Vier Männer mit Bier und Gitarre: Roland Hefter, Wolfgang Ramadan und Michi Dietmayr (sitzend v. l.) sowie Michl Wöllinger von der Ayinger Gmoa Kultur.

Vier Männer mit Bier und Gitarre: Roland Hefter, Wolfgang Ramadan und Michi Dietmayr (sitzend v. l.) sowie Michl Wöllinger von der Ayinger Gmoa Kultur.

(Foto: Claus Schunk)

In Aying gibt es seit zehn Jahren die beliebte Abo-Reihe "Brotzeit & Spiele"

Von Udo Watter, Aying

Zu den berühmtesten Zitaten des oft zitierten Bertolt Brecht gehört der pfeilgrade Satz: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral". Grob gesagt: Moral kann man sich also erst dann leisten, wenn elementare körperliche Grundbedürfnisse befriedigt seien, und Ähnliches könnte man auch über die Kultur sagen. Nun ist bei den Bewohnern im heutigen Oberbayern die Mangelernährung kein wirkliches Problem mehr, aber vom Fressen allein lebt der Mensch eben auch nicht. Eine Kulturreihe wie "Brotzeit & Spiele" sucht beide Phänomene zu vereinen - wobei die Kulinarik hierzulande inzwischen ohnehin schon eher als Disziplin der Lebenskunst wahrgenommen wird.

In Aying funktioniert das Konzept nun schon seit zehn Jahren - die Jubiläumssaison startet im März 2017 mit dem Auftritt des österreichischen Kabarettisten und Wortakrobaten Ludwig W. Müller. Der umtriebige Veranstalter und kreative Tausendsassa Wolfgang Ramadan hat das Konzept der "kulturellen Grundversorgung" wie er es nennt, zunächst 2004 an seinem Wohnort Dorfen bei Icking etabliert und dann auf etliche südbayerische Städte und Gemeinden ausgeweitet. In Aying von Anfang an dabei war als Unterstützer am Ort der Verein "Ayinger Gmoa Kultur" und Veranstaltungsort war der Gasthof zur Post "Beim Fellner" in Großhelfendorf. Auch die Unterstützung der hiesigen Brauerei ist schon seit Beginn ein Baustein für den Erfolg der Abo-Reihe. Zur Vorstellung des Jubiläumsprogramms waren nun Ramadan, Michl Wöllinger von der "Ayinger Gmoa Kultur", Gerti Ettenhuber und Helmut Erdmann von der Brauerei "Ayinger" sowie der Bürgermeister der Gemeinde Hans Eichler und mit Michi Dietmayr sowie Roland Hefter zwei Mitglieder der Musikkabarett-Gruppe "Drei Männer nur mit Gitarre" nach Großhelfendorf gekommen.

Ramadan lobte die gute, unkomplizierte Zusammenarbeit und betonte, "Brotzeit & Spiele" sei die "Antwort auf die Frage", wie man Leute ins Theater locken könnte. In der Tat sind die pro Jahr sechs bis sieben Veranstaltungen im Gasthof zur Post, der bis zu 300 Besuchern Platz bietet, quasi immer ausverkauft. Auch wer heuer noch ein Abo erwerben will, sollte sich umtun, der Verkauf läuft noch bis 30. Dezember, viele sind nicht mehr erhältlich. "Wir bringen die Kultur aufs Land und sind dankbar, dass es das hier gibt", sagt Wöllinger, der wie andere Ayinger vor allem auch die kurzen Wege schätzt. Ähnlich sieht es Bürgermeister Eichler, der von einer "kulturellen Bereicherung für die Gemeinde" spricht. Das Konzept "Brot für den Bauch, Zeit für das Hirn und Spiele fürs Herz" , wie die Organisatoren es nennen, funktioniert natürlich auch deshalb, weil die Künstler den Geschmack der Mehrheit treffen. So hat das Programm auch diesmal wieder einen starken bayerischen Touch. Neben den "Drei Männern nur mit Gitarre" gastieren etwa der Straubinger Liedermacher Mathias Kellner im südlichen Landkreis München, der ehemalige La-Brass-Banda-Tubist Andreas Martin Hofmeir, der seine musikalische Lesung "Kein Aufwand" präsentiert, und der Hechendorfer Liedermacher Martin Schmitt mit "Aufbassn".

Die ins Auge stechende Prominenz ist im Jubiläumsjahr nicht dabei - in früheren Spielzeiten gastierten etwa Luise Kinseher, Django Asül, Claus von Wagner, Wolfgang Krebs oder "Quadro Nuevo" in Aying und auch die inzwischen verstorbenen Dieter Hildebrandt oder Jörg Hube beehrten den "Gasthof zur Post" mit ihrer Anwesenheit. Aber zum einem geht es Ramadan nicht zuletzt darum, auch nicht ganz so bekannten Protagonisten der Kleinkunst die Chance zu geben, vor großem Publikum aufzutreten. Und zum anderen sind die Auftretenden ja durchaus gestandene und mit Preisen dekorierte Bühnentiere. Roland Hefter und Michi Dietmayr etwa schätzen die Möglichkeit, im Rahmen von Brotzeit & Spiele an mehren Orten zu spielen und besonders den "familiären Touch" mitsamt persönlicher Betreuung. Ramadan will sein Publikum durchaus herausfordern, ihm aber nicht zu viel zumuten. "Die Leute wollen überrascht werden, aber nicht zu sehr." Bei der Ayinger Spielzeit 2017 dürfte der eventuell exotischste Programmpunkt "Caveman" mit Karsten Kaie sein - eine seit vielen Jahren deutschlandweit erfolgreiche Comedyshow, bei der das Missverhältnis zwischen Mann und Frau seit den Zeiten des Neandertalers erklärt wird. Die Kulturgeschichte des Essens hat sich seither auch verändert, obgleich die Schweinshaxe phänotypisch der Mammutkeule durchaus ähneln dürfte. Um rechtzeitig sein Mahl zu ordern und vor der Veranstaltung zu erhalten, sollten die Besucher übrigens pünktlich ins Gasthaus kommen - so die Veranstalter: Erst die Essens-Bestellung, dann die Kultur.

Weitere Informationen gibt es über www.ayinger-gmoa-kultur.de oder www.brotzeitundspiele.de. Auch die Abo-Bestellung ist online möglich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: