Im Urlaub, in den jetzt wieder viele starten, wie auch in der Wahl des Urlaubszieles offenbart sich das wahre Ich. Das gilt für unsereins wie für Politiker. So passte kaum eine Destination besser zu Helmut Kohl als der Wolfgangsee. Seine Nachfolgerin Angela Merkel zog es vornehmlich immerhin bis Südtirol. Von deren Nachfolger Olaf Scholz wiederum ist nicht einmal vorstellbar, dass er überhaupt Urlaub macht. Könnte ja sein, dass ihm jemand an seinem Stuhl sägt, während er gerade durch Brandenburg wandert. Einer könnte der - zumindest zu normalen, friedlicheren Zeiten - unerklärlich beliebte Verteidigungsminister sein, den man sich im Urlaub eigentlich nur auf einem Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide vorstellen kann. Doch Irrtum! Wie diese Woche überliefert wurde, soll Boris Pistorius in vertrauter Runde gedonnert haben, er müsse "das (also seinen Job) hier nicht machen".
Das ist natürlich grober Unfug. Mit solchen vermeintlichen Drohungen wollen Männer - und um solche handelt es sich ausnahmslos - nur ihre selbst empfundene Wichtigkeit und Unersetzbarkeit unterstreichen. Deshalb werden Scholz und sein Finanzminister Christian Lindner dem Umfrageliebling noch länger Steine in den Weg legen müssen. Und auch Florian Hahn, der CSU-Abgeordnete aus Ottobrunn und verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, wird sich noch mindestens bis nächstes Jahr damit begnügen müssen, im Frühstücksfernsehen und Mittagsmagazin mehr Geld und Waffen für die Ukraine im Speziellen und die Bundeswehr im Allgemeinen zu fordern. Frühestens nach der Bundestagswahl im September 2025 darf er das dann statt Pistorius mit dem Finanzminister diskutieren, der dann womöglich wieder Lindner heißt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Dass Boris Pistorius jedoch zumindest zeitweise den olivgrünen Parka im Schrank hängen und das Gerede von der Kriegstüchtigkeit daneben einmotten kann, war unlängst in Aying zu erleben. Da saß, so überliefern es jedenfalls glaubwürdige Augenzeugen, der Reservekanzler leibhaftig und ganz leger im Biergarten des Brauereigasthofs, und zwar zusammen mit seiner Frau. (Nein, das ist nicht Marie-Agnes Strack-Zimmermann!) Wie es heißt, war er auf der Durchreise in den Urlaub. Wohin blieb geheim. Fotobeweise von dem Zwischenstopp gibt es keine, denn der oberste Flecktarnträger wollte unerkannt bleiben.
Nachdem dieses Geheimnis nun etwa zwei Wochen gut gehütet wurde und der Kurzreisende Boris P. inzwischen erkennbar wieder in Amt und Bürden ist, kann es gelüftet werden, ohne dass dem Ayinger Biergarten eine Invasion Autogramm jagender Fans droht. Nicht ohne allerdings auf eine delikate Verbindung hinzuweisen: Vor 18 Jahren war schon mal ein prominenter Gast in Aying - kein Geringerer als ausgerechnet Wladimir Putin. Aber das waren andere Zeiten.