Aying:Die Handschrift eines Kriegstreibers

Aying: Wladimir Putin trägt sich im Jahr 2006 im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in das Goldene Buch der Gemeinde Aying ein.

Wladimir Putin trägt sich im Jahr 2006 im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in das Goldene Buch der Gemeinde Aying ein.

(Foto: Claus Schunk)

Im Jahr 2006 besucht Wladimir Putin die Gemeinde Aying und trägt sich in das Goldene Buch ein. Den Eintrag will Bürgermeister Peter Wagner nicht herausreißen, er gehöre zur Ortsgeschichte.

Von Michael Morosow, Aying

Was war das für ein Spektakel gewesen an jenem Mittwoch, 11. Oktober, im Jahr 2006 in der kleinen Gemeinde Aying. Der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin stellte das ganze Dorf auf den Kopf. Fahnenmasten, Flutlichtanlage, Pressetribünen, Polizei an allen Ecken und ein Auflauf von unzähligen Menschen prägten das Bild im Zentrum des Ortes. Im Kirchturm hatten sich Scharfschützen postiert, im Gasthof Inselkammer, wo ein großes Festbankett mit reichlich Ayinger Bier, Gamsrücken und Weißwürsten stattfand, hatte der russischen Geheimdienst eine abhörsichere Telefonleitung installiert, das schmucke Dorf war für einen Tag eine Hochsicherheitsidylle. Böllerschützen und ein Spalier aus Trachtlern begrüßten den hochrangigen Gast, für den der damalige Bürgermeister Johann Eichler auch noch den roten Teppich ausrollen ließ - und extra für diesen Tag ein Goldenes Buch angeschafft hatte. Auf dessen ersten Seite prangen seither die Unterschriften von Putin und des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.

Die Gemeinde sonnte sich damals im Glanze dieses epochalen Ereignisses. Heute, da der russische Machthaber seine Nachbarin, die Ukraine, mit Bomben übersät, liegt ein großer schwarzer Schatten darüber. Die Unterschrift Putins, einst als prächtiges Entree in das Goldene Buch der Gemeinde betrachtet, wird heute eher als Schandfleck gesehen. Eichlers Nachfolger Peter Wagner (CSU) ist alles andere als stolz auf Putins handschriftlichen Eintrag, aber die erste Seite herausreißen, wird er nicht. "Ich bin wirklich nicht glücklich darüber", sagt der Rathauschef. Aber der Empfang des russischen Präsidenten sei damals nicht verwerflich gewesen und dieses Ereignis gehöre einfach zur Geschichte Ayings, dazu müsse die Gemeinde stehen. "In der Gemeindechronik stehen auch Sachen drin, die heute nicht mehr lustig sind", sagt der Rathauschef. Außerdem habe sich ja auch Edmund Stoiber neben Putin im Goldenen Buch verewigt und würde dessen Unterschrift ebenfalls im Papierkorb landen. Es leben heute noch Menschen, die Adolf Hitler als Taufpaten hatten, "die schmeißen auch nicht ihre Taufurkunden weg", sagte Wagner und spricht von einem Dokument, das man nicht zerstören soll.

Aying: Ayings Bürgermeister Peter Wagner sagt, Wladimir Putin sei heute kein gern gesehener Mann mehr in seiner Gemeinde.

Ayings Bürgermeister Peter Wagner sagt, Wladimir Putin sei heute kein gern gesehener Mann mehr in seiner Gemeinde.

(Foto: Claus Schunk)

Peter Wagner lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass Wladimir Putin heute kein gern gesehener Gast mehr in Aying wäre als mittlerweile weltweit geächteter Kriegstreiber. "Dieser Mensch, der damals bei uns war, ist heute nicht mehr zu vergleichen mit dem verrückten und menschenverachtenden Mann, der jetzt einen Krieg angezettelt hat", sagt der Bürgermeister, der damals 21 Jahre alt war und sich noch gut daran erinnern kann, dass wegen Putins Besuch er und seine Schützenkameraden auf einen auf diesen Tag terminierten Schieß-Wettbewerb im ersten Stock des Bräustüberls verzichten mussten und den Wettkampf bei der Gastmannschaft austragen mussten. Seine Entscheidung, die erste Seite des Goldenen Buches zu belassen, teilt im Übrigen auch sein Vorgänger Hans Eichler. "Das ist einfach Geschichte, und die sieht in der Gegenwart oft anders aus als in der Zukunft, und die Zeit lässt sich halt nicht zurückdrehen", sagt Eichler.

Am Freitag bekam Peter Wagner im Rathaus Besuch von Radio Gong. Tags zuvor hatte ihn eine Radioreporterin angerufen und gefragt, was er davon halte, statt die erste Seite rauszureißen, Putins Signet ganz einfach mit einem Bild zu überdecken, gemalt von einem am selben Tag mit seinen Eltern in München angekommenen ukrainischen Kind. Wagner stimmte zu.

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