Süddeutsche Zeitung

Autobahn-Südring:Das Projekt ist begraben - die Probleme bleiben

Der Süden jubelt, der Norden ist enttäuscht: Ministerpräsident Seehofer stoppt den Bau des Südrings. Nur: Wie bekommt man nun den Verkehr in den Griff?

M. Völklein und J. Wolfram

Die CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer-Stäblein konnte es gar nicht so richtig begreifen, was die Runde bei Ministerpräsident Horst Seehofer am Dienstagnachmittag beschlossen hatte. "Ich habe es mir extra notiert, damit ich es auch ja nicht falsch verstanden habe", sagte sie.

Der Regierungschef, die drei CSU-Minister Georg Fahrenschon (Finanzen), Joachim Herrmann (Innen) und Markus Söder (Umwelt) sowie einige CSU-Landtagsabgeordnete hatten soeben vereinbart, den Bau des Autobahn-Südrings im Münchner Südwesten nicht weiter voranzutreiben. Herrmann soll einen entsprechenden Beschluss für das Kabinett vorbereiten. Voraussichtlich Mitte Juli, so ist zu hören, wird sich der Ministerrat damit befassen.

Oder nicht befassen, muss man wohl sagen. Denn der Beschluss bedeutet vor allem eines: Bis auf weiteres wird Bayern den Südring nicht für den Bundesverkehrswegeplan anmelden. Das aber wäre Voraussetzung dafür, dass der Bund die 1,2 Milliarden Euro für den Bau bereitstellt und dass die Verkehrsplaner weitere Schritte angehen. "Der Südring rückt damit in weite Ferne", sagt Dietmar Oeliger vom Naturschutzverband Nabu.

Die Trasse sollte ursprünglich die südwestliche Lücke im Münchner Autobahnring zwischen der A96 bei Gräfelfing und der A995 bei Taufkirchen schließen. Mitte Mai wurde eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, die zwei mögliche Varianten vorsah. Nun liegt das Projekt auf Eis.

Die Verkehrsprobleme in der Region München bleiben aber. Da sind zum Beispiel die stark belasteten Abschnitte der A99 im Norden und Osten, über die jeden Tag im Schnitt 140.000 Autos rollen. Da sind der südwestliche Teil des Mittleren Rings und die Fürstenrieder Straße in München, die viel Verkehr aufnehmen müssen. Und nicht zuletzt leiden auch Gemeinden im Süden wie Grünwald oder Schäftlarn unter Durchgangsverkehr. Wie lassen sich die Probleme lösen?

Südring-Gegner wie Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) plädieren dafür, an bestehenden Autobahnen den Schutz der Anwohner zu verbessern. Flüsterasphalt könnte den Lärmpegel senken. Ernst Weidenbusch, CSU-Abgeordneter für den Landkreis München-Nord, fordert, die Lärmschutzwände an der A-99-Ost zu erhöhen oder den Abschnitt mit einem Lärmschutzdeckel zu versehen, also quasi zu überdachen.

Klar ist nämlich auch: Die Strecken im Münchner Norden und Osten werden in Zukunft noch mehr Verkehr aufnehmen müssen. Die Autobahndirektion Südbayern rechnet damit, dass die Zahl der Autos auf der A99 zwischen Haar und dem Autobahnkreuz München-Nord bis zum Jahr 2020 von derzeit 140.000 am Tag auf 170.000 wachsen wird. Um dies zu bewältigen, denken die Planer an einen achtstreifigen Ausbau der A99 in diesem Teil. Bereits in den siebziger Jahren hatten die Planer den A-99-Mittelstreifen entsprechend breit angelegt. Dort wäre nun Platz für je einen Fahrstreifen mehr in beide Richtungen. Zudem ist das Projekt bereits im Bundesverkehrswegeplan als "vordringlicher Bedarf" vermerkt.

"Mit Straßenbau alleine löst man die Probleme aber nicht", warnt Christian Hierneis vom Bund Naturschutz. "Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass die Menschen andere Verkehrsmittel nehmen als das Auto." Christine Kammermeier, Sprecherin des "Aktionsbündnisses Baierbrunn gegen den Südring" plädiert dafür, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Dazu gehörten unter anderem günstigere MVV-Tarife und bessere Takte. Zudem solle man auch wieder über eine Stadt-Umland-Bahn nachdenken - also über die Idee, einen Schienenring rund um die Stadt zu bauen. Die scheiterte bislang nicht zuletzt am Streit über die Finanzierung.

Von Politikern in der Region wird immer wieder auch eine komplette Untertunnelung des Mittleren Rings im Münchner Süden und Südwesten angeführt. Derzeit baut die Stadt ja bereits daran, den Mittleren Ring im Abschnitt zwischen der Lindauer Autobahn und dem Luise-Kiesselbach-Platz unter die Erde zu verlegen. "Dieser Tunnel könnte weitergeführt werden bis zum McGraw-Graben und zur A995", sagt der SPD-Parlamentarier Peter Paul Gantzer.

Damit wäre der Südring geschlossen - nur eben innerhalb der Stadtgrenzen. Der Verkehrsplaner Harald Kurzak nennt einen solchen Vorschlag aber "Unsinn". Um die Stadt vom Verkehr zu entlasten, "müsste der Ring über zahllose Rampen an das städtische Straßennetz angebunden werden", sagt Kurzak. Damit wäre ein solcher Tunnel aber nicht vergleichbar mit einer Autobahn und wenig attraktiv für den Fernverkehr. Zudem würde so noch mehr Verkehr auf den ohnehin stark befahrenen Ring drängen, ergänzt Karl Wiebel von der Obersten Baubehörde.

Über kurz oder lang allerdings rechnen Verkehrsplaner am Mittleren Ring mit weiteren Problemen. Ist der Südwest-Tunnel irgendwann einmal fertiggestellt, werde man darüber nachdenken müssen, wie man den Verkehr und insbesondere die Belastung der Anwohner durch Lärm und Schadstoffe in den Griff bekommt, sagt Horst Mentz vom Planungsreferat der Stadt. Dazu werden weitere Bauten nötig sein. "Mit Sicherheit keine zusätzliche Fahrbahn", sagt Mentz. Dafür sei kein Platz. Denkbar wäre aber zum Beispiel ein Lärmschutzdeckel auf dem McGraw-Graben. Um diese Projekte anzugehen, müsste der Stadtrat die Planer aber beauftragen. "Bislang war uns das kategorisch untersagt", sagt Mentz.

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SZ vom 17.06.2010/hai
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