Ausstellung:Vögel, Farben und Fantastisches

Ausstellung: Seit Mitte der Siebzigerjahre lebt Monika Rousselle in Unterschleißheim. Als Lehrerin brachte sie Generationen von Schülern die Kunst näher.

Seit Mitte der Siebzigerjahre lebt Monika Rousselle in Unterschleißheim. Als Lehrerin brachte sie Generationen von Schülern die Kunst näher.

(Foto: Robert Haas)

Das Unterschleißheimer Bürgerhaus zeigt in einer Retrospektive Ausschnitte aus dem vielschichtigen Werk der Künstlerin Monika Rousselle, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit wandelt

Von Franziska Gerlach, Unterschleißheim

Ihren Schuh hat sie verloren, die Frau mit den fuchsroten Haaren, vielleicht weil sie vor etwas geflohen ist. Dabei wirkt sie gar nicht ängstlich, eher forsch, und dennoch muss sie sich vor den Blicken schützen, die der kahlköpfige Mann mit der Schnabelmaske ihr zuwirft - oder weshalb sonst hat Monika Rousselle sie hinter einem Gebirgsbild verschanzt? Damals, als sie das Bild gemalt hat, das sie selbst besonders gern mag.

1988 war das. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits etliche Jahre kreativen Schaffens hinter, aber auch noch einige vor der heute 85 Jahre alten Künstlerin, die seit Mitte der Siebzigerjahre in Unterschleißheim lebt und lange am Garchinger Gymnasium unterrichtet hat. "Phantastisches" lautet der Titel der Retrospektive, die in dieser Woche im Unterschleißheimer Bürgerhaus eröffnet hat, und die den Besucher mitnimmt auf eine Entdeckungsreise durchs Rousselles Werk, das Malerei, Druckgrafiken, Arbeiten auf Papier und solche mit Spiegeln beinhaltet.

Geboren 1931 in Frankfurt am Main, studiert Rousselle von 1950 bis 1956 an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ihre Lehrer waren die Maler und Grafiker Walter Teutsch, Ernst Geitlinger und Xaver Fuhr, deren Kunst während des Nationalsozialismus als entartet diffamiert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sie sich gemeinsam mit Max Beckmann und Karl Schmidt-Rottluff der "Neuen Gruppe" an, einer Münchner Künstlervereinigung, "die sich im Besonderen um die modernen bildnerischen Probleme bemühen, ohne sich dabei doktrinär auf eine Kunstrichtung festzulegen", wie es im Vorwort des Ausstellungskatalogs von 1947 heißt.

Der jungen Rousselle öffneten diese Lehrer die Augen für die moderne Kunst, sagte der Kunsthistoriker Lothar Altmann in seiner Laudatio, der Expressionist Teutsch etwa habe seinen Studenten "die Betonung der Kontur unter weitgehendem Verzicht auf Raumillusion und der Körpermodellierung sowie die Loslösung der Farbe vom Gegenstand" beigebracht. Insgesamt bewege sich Rousselles Kunst auf dem schmalen Grad zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, befand Altmann, sie könne sich mal dem Surrealismus, mal dem Expressionismus oder auch dem Symbolismus annähern - doch bei aller Vielfalt sei ihr Stil völlig eigenständig, "individuell wie die Persönlichkeit der Künstlerin selbst". Rousselle ist in ihrem Leben viel gereist, nach Afrika, Ostasien und in den Orient, und die Eindrücke dieser Reisen konserviert sie auf besondere Weise in ihren Bildern. Man spürt beinahe die Wärme, welche eine Häuserwand am Ende des Tages abstrahlt. Ein Mann zieht durch die Wüste, winzig klein ist er im Vergleich zu der eigentümlichen Pflanze mit den fetten, saftigen Blättern, die sich aus einer unbekannten Wasserquelle zu speisen scheint. Und niemals kann in Deutschland das Blau des Himmels jene Intensität erreichen, wie das bei Rousselle zuweilen der Fall ist.

Als Rousselle in den Jahren 1968 bis 1973 an einer Deutschen Schule in Kairo Kunst unterrichtet, unter der gleißenden Sonne Ägyptens, sind die Umrisse scharf und deutlich. Schwarze und weiße Flächen buhlen um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Später werden die Nuancen feiner, ihre Bildwelten vielschichtiger, es sind oft mystische Szenen, die sie in leuchtenden Farben anlegt, manchmal sogar ein wenig grausame.

Das immer wiederkehrende Motiv des in der ägyptischen Mythologie beheimateten Vogels darf dabei guten Gewissens als Reminiszenz an ihren fünfjährigen Auslandsaufenthalt interpretiert werden. Bei Rousselle finden sich Vögel in Herrenanzügen und mit Strenge im Blick, Mischwesen mit Beinen und Armen, wobei letztere schon einmal dazu benutzt werden, einer Frau den nackten Hintern zu versohlen. Ein Besucher will darin eine Anspielung auf den Künstlerkollegen Max Ernst erkennen, der 1926 Aufsehen erregte, als er die Jungfrau Maria das Jesuskind züchtigen ließ. Der Mann liegt richtig mit seiner Vermutung und zieht zufrieden weiter, als Rousselle ihm das bestätigt.

Doch wenig später ist sie schon wieder von einer kleinen Menschentraube umgeben. Die Unterschleißheimer lieben ihre Künstlerin, und Rousselle plaudert mal hier, mal da, und nimmt sich Zeit für ihre Fragen. Nur jene nach der Inspiration, mit der kann sie wenig anfangen. "So malt man nicht", sagt Rousselle. In einem Menschenleben passiere so viel, manches sei gut, anderes nicht. Das Erlebte rumore dann in einem, und mit der Zeit setze es sich im Kopf zu einem kompletten Bild zusammen. Von dieser ungeheuren Schaffenskraft zeugen mehr als 100 Ausstellungen im In- und Ausland. Wie schade, dass jene im Unterschleißheimer Bürgerhaus Rousselles letzte sein soll.

Die Ausstellung "Phantastisches - Eine Retrospektive" ist bis einschließlich Sonntag, 15. November, im Bürgerhaus Unterschleißheim zu sehen.

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