Ausstellung:Schrill, dezent, fordernd, entspannend

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Kontraste kennzeichnen die in Bürgerhaus gezeigten Werke des Künstlerkreises Münchner Süden. Bilder, Fotos, Skulpturen und Abstraktes werden ausgestellt, auch Meeresmalereien mit Farbe und Sand

Von Christina Hertel, Pullach

"Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele", sagte einst Pablo Picasso. Die Möglichkeit, dem Alltäglichen zu entfliehen und in eine andere Welt einzutauchen, haben die Besucher des Pullacher Bürgerhauses noch bis zum 16. Oktober. Bis dahin stellt der Künstlerkreis Münchner Süden dort seine Werke aus: Malereien, Grafiken, Fotografien, Skulpturen, Abstraktes, Figürliches, Buntes und Nachdenkliches, brave Aquarelle und Bilder, die aussehen, als hätte jemand viele Eimer Farbe über die Leinwand gekippt.

Von Anfang an für den Künstlerkreis Münchner Süden aktiv sind Gabriele Rodler (links) und Claudia Pirron. In der Mitte Jochen Brunsmann. (Foto: Claus Schunk)

Im Mai stand Claudia Pirron, eine Modedesignerin, die Anfang der 2000er in Rente ging, in München auf der Straße, um sie herum goldene Banner, goldene Fahnen, goldenes Konfetti. Sie beteiligte sich an einer Demonstration für die Freiheit der Kunst, die sich "Die Vielen" nannte. Im September steht Claudia Pirron im Pullacher Bürgerhaus und sagt: "Jeder sollte dazu beitragen, dass die Welt gut bleibt." Sie betont das "bleibt", weil die Welt aus ihrer Sicht eben nicht so schlecht ist, wie diejenigen meinen, für die alles vom Klima bis zu den Flüchtlingen eine große Krise bedeutet. Deshalb zeigt sie bei der Ausstellung ein Werk, das farbenfroh und positiv ist, ohne kitschig oder banal zu wirken, das "Wir sind viele" heißt und die Demonstration im Mai abbildet. Da sind Frauen, Männer, Kinder, Rollstuhlfahrer, die blaue, gelbe, rote Plakate halten, Gebäude, zusammengesetzt aus bunten Flächen. Wahrscheinlich weiß Pirron, dass sich Protest von Pullach aus, wo viele Menschen lange Auffahrten und Autos in Panzergröße haben, freundlicher darstellen lässt als von anderen Orten auf der Welt, wo aus Verzweiflung oder Hass Steine fliegen. Doch alles schwarz zu sehen, meint Pirron, bringe ja schließlich niemanden weiter. Das Land und das Leben sind schön - zumindest in Pullach.

Mit einem Kopf als Steinskulptur beteiligt sich Brian Whitehead an der Jahresausstellung des Künstlerkreises Münchner Süden im Pullacher Bürgerhaus - und nimmt damit wohl auch ein wenig Bezug auf seinen Nachnamen. (Foto: Claus Schunk)

Ebenfalls positive Gefühle, allerdings auf eine viel ruhigere, weniger grelle Art strahlen die Werke von Jochen Brunsmann aus: zwei Holzschnitte - ein Olivenbaum und Bäume im Schneegestöber. Brunsmann ist 68, trägt Chucks und um seinen Hals hängt eine blaue Brille. Er arbeitete als Produktdesigner. "Konstrukteur nannte man das früher", sagt er und spricht dann noch viele solcher Sätze aus, die bescheiden klingen. Dass Grafik die Kunst des kleinen Mannes sei. Oder dass er sich eher als Handwerker und nicht so sehr als Künstler sehe. Weil seine Bilder den Betrachter nicht gleich anschreien, sondern friedlich da hängen. Und weil man bei Druck möglicherweise an Computer, Photoshop und beliebige Reproduzierbarkeit denkt, versteht man nicht sofort, wie viel Aufwand hinter einem Bild steckt. An die 500 Stunden habe er an dem Olivenbaum gesessen - zum Zeichnen der Vorlage, zum Abpausen, zum Schnitzen, zum Drucken, zum Trocknen und so weiter. Sechs Druckplatten fertigte er für dieses Werk an. Für ihn sei das Entspannung, sagt Brunsmann, der auch erzählt, dass er jeden Morgen seine Esche in seinem Garten umarme und ganz nebenbei erwähnt, dass, als Frank Walter Steinmeier von der SPD noch Außenminister war, er einen Druck von ihm kaufte: ein Porträt von Helmut Schmidt. Ob das Bild jetzt im Schloss Bellevue hängt, weiß Brunsmann nicht.

Einen Kimono wie aus Fächern gefertigt, stellt Renate Ross aus. (Foto: Claus Schunk)

Solche Kontraste wie in den Werken von Claudia Pirron und Jochen Brunsmann - schrill, dezent, fordernd, entspannend - sieht man an vielen Ecken der Ausstellung. Da sind feine Aquarelle von Straßenszenen in Prag und Oxford von Angela Musil und abstrakte Objektinstallationen von Johannes Peckenzell: eine Art Aquarium aus einem Holzgerüst, in dem birnenförmige Fische (oder sind es U-Boote?) schwimmen. Dass es kein Motto gibt, sei eine bewusste Entscheidung gewesen, weil sich so die Vielfalt besser abbilden lasse, sagt die Vorsitzende des Pullacher Kunstvereins Gabriele Rodler. Von ihr sind Meeres-Malereien zu sehen, bei denen nicht nur viel Farbe, sondern auch Sand auf den Leinwänden klebt. Sie habe mit Aquarell-Malerei begonnen, doch als sie von einem Trip durch die Sahara Fotos mitbrachte, habe sie schnell verstanden, dass sie mit Wasserfarben nicht weiterkomme, um die Atmosphäre einzufangen.

Insgesamt stellen 23 Künstler in Pullach aus. Gabriele Rodler und Claudia Pirron wareb von Anfang dabeu, nun schon seit mehr als 20 Jahren. Die meisten der Künstler brachten sich ihr Handwerk durch Workshops und Akademien bei, arbeiteten teilweise - wie Pirron und Brunsmann - im kreativen Bereich, als Designer etwa. Für andere war der Job zum Geldverdienen da. "Lern etwas Gescheites" hätten Gabriele Rodlers Eltern zu ihr gesagt und sie wurde Bürokauffrau, doch der Drang, künstlerisch etwas zu schaffen, habe immer in ihr gesteckt. Jjetzt lebt sie ihn aus.

Die Herbstausstellung des Künstlerkreises Münchner Süden ist noch bis 16. Oktober im Pullacher Bürgerhaus zu sehen. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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