Ausblick 2019:Der Wald verändert sein Gesicht

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Mahnendes Zeichen: Abgestorbene Eschen sind zurzeit in den Isarauen zwischen Ismaning und München ein weit verbreitetes Bild. (Foto: Robert Haas)

In den vergangenen Jahren mussten Tausende Bäume im Landkreis gefällt werden. Schädlinge und Klimawandel machen besonders Eschen und Fichten zu schaffen. Doch der erzwungene Umbruch bietet nach Ansicht von Förstern auch Chancen.

Von Irmengard Gnau

Die Esche unweit des kleinen Spazierwegs im Ismaninger Auwald war 150 Jahre alt. Ein majestätischer Baum, fast 35 Meter ragte er in den Himmel am nördlichen Isarufer. Heute erinnert nur mehr das massige Rund seines Stumpfes an ihn - und daran, welche Zeit es dauern wird, bis wieder solch ein Riese entsteht. Manchen Spaziergänger dürfte es im Frühjahr schmerzen, durch die Wälder im Landkreis zu spazieren. Denn vielerorts sind große Lücken entstanden. Tausende Bäume sind in den vergangenen Monaten gefällt worden, teils sind die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Der Grund für die Fällungen sind Schädlinge - und der Klimawandel. Sie werden das Gesicht des Waldes im Landkreis in den nächsten Jahren verändern.

In Ismaning hat zuletzt das Eschentriebsterben Bürger und Behörden aufgeschreckt. Der Wald in den Isarauen - geschützt und geliebt von Joggern, Spaziergängern, Naturfreunden und Fahrradfahrern - setzt sich zu annähernd 90 Prozent aus Eschen zusammen, viele sind mehrere Jahrzehnte alt. Ein Pilz allerdings - das aus Japan stammende Falsche Weiße Stengelbecherchen - hat sich genau diese Bäume als unfreiwillige Wirte ausgesucht. Über die Blätter dringt der Pilz in den Baum ein, die Wasserversorgung wird unterbrochen, Äste, Kronen und schließlich der ganze Baum sterben langsam ab. Beschleunigt wird der teils Jahre dauernde Prozess durch heimische Schädlinge wie den Hallimasch-Pilz, der die geschwächten Eschen befällt. Anfang 2017 hatte das Eschentriebsterben bereits die Gemeinde Aschheim ereilt, dort wurde der mehr als fünf Hektar große Gemeindewald empfindlich dezimiert.

Wie schlecht es um die Bäume im Auwald bereits bestellt ist, erschreckt auch Revierförster Michael Matuschek. Im Sommer gab es mehrere Krisensitzungen mit den verschiedenen Waldeigentümern - der Gemeinde, dem Wasserwirtschaftsamt und den Bayerischen Staatsforsten - im Winter sind nun die Harvester angerückt. Man werde nur so weit eingreifen, wie Gefahr von den Bäumen ausgehe, weil sie umstürzen könnten oder Äste abbrechen, hatte der zuständige Vertreter des Landratsamts, Walter Schuster, stets versichert. Trotzdem sagt Förster Matuschek, müsse man den Ernst der Lage realistisch beurteilen: "In allen Gemeinden mit Eschenbestand wird es immer wieder einmal Fällungen geben." Im Januar werden die Arbeiten entlang des Isarradwegs bei Ismaning und Unterföhring fortgesetzt, außerdem am Philosophenweg in Ismaning.

Borkenkäfer richten immense Schäden an

Im südlichen Landkreis ist es ein anderer Schädling, der den Förstern Sorgen bereitet: Borkenkäfer richten dort seit einigen Jahren immense Schäden an. Die nur wenige Millimeter großen Käfer - vor allem Buchdrucker und Kupferstecher - befallen insbesondere die im Süden weit verbreiteten Fichtenbestände, bohren sich durch die Rinde ihrer Wirtsbäume und legen dort Brutgänge für ihre Nachkommen an. Diese schwärmen nach dem Schlüpfen aus und befallen weitere Bäume - pro befallenem Baum werden etwa zehn weitere in Mitleidenschaft gezogen, schätzen Experten. Die Schäden ziehen sich bis in die Stadt hinein. Auch im Revier Höhenkirchen mussten zuletzt große Flächen Walds umgelegt werden, die Kahlstellen werden noch über Jahrzehnte hin zu sehen sein.

"Das Waldbild im Süden des Landkreises wird sich drastisch verändern", sagt Matuschek. Die Waldbesitzer dort fürchten um ihre restlichen Bestände. Gerade ältere Fichten haben nach Einschätzung des Försters wenig Chancen gegen den Borkenkäfer. Und große Trockenheit, wie sie nach den Erfahrungen der vergangenen Sommer auch in diesen Breiten immer üblicher zu werden scheint, begünstigt, dass sich die Käfer vermehren. Dass sich das Klima verändert, leugnet kaum jemand, der in der Forst- oder Landwirtschaft arbeitet.

Für die Waldbesitzer kommt neben der Herausforderung, sich auf diese veränderten klimatischen Bedingungen einzustellen, noch das Problem hinzu, dass die Holzpreise verfallen, wenn überall viel geschlagen werden muss. Der sogenannte Trockenstress, den die Bäume erleben, wenn der Grundwasserpegel so weit absinkt, dass sie mit den Wurzeln das Wasser nicht mehr erreichen, werde in Zukunft noch zunehmen, ist Matuschek überzeugt. Gerade auf der Münchner Schotterebene versickert Wasser rascher als andernorts. Flachwurzler wie die Fichte haben es da besonders schwer. Ohne genügend Wasser sind sie geschwächt - und besonders anfällig für Schädlinge. Doch mit zunehmenden Temperaturen werden voraussichtlich immer mehr Baumarten Stress bekommen.

Der Eichenwald wandert nach Süden

Dennoch, betont Förster Matuschek, bedeuten diese Veränderungen nicht, dass der Landkreis künftig kahl wird. Die Dominanzen in den Wäldern werden sich verschieben, der gewohnte Anblick sich vielleicht verändern. Der Eichenwald etwa, der bislang vor allem im nordöstlichen Landkreis verbreitet ist, werde nach Süden wandern und sich gegen die dortigen Buchenbestände durchsetzen - "weil die Eiche besser mit Wassermangel umgehen kann als die Buche", sagt Matuschek. Wie sich Fichte und Esche halten werden, wird sich zeigen müssen.

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Bei einem anderen Schädling hat Matuschek gute Nachrichten: Der Asiatische Laubholzbockkäfer machte Gartenbesitzern und Gemeinden vor allem in Feldkirchen, Putzbrunn und Neubiberg mehr als fünf Jahren das Leben schwer. Doch nun wecken die Ergebnisse des Monitorings Hoffnung. "Wir kontrollieren und suchen wie die Weltmeister, wir wollen ganz sichergehen, aber wir finden nichts mehr", sagt Matuschek. Der letzte Käferfund liegt lange zurück. Wenn sich alles so gut weiterentwickelt, könne die Quarantänezone in Neubiberg Ende 2019 aufgelöst werden, die in Feldkirchen Ende 2020.

In Aschheim sprießen bereits junge Setzlinge

Und auch für jene Wälder, in denen nun großflächig gerodet werden musste, ist Matuschek guter Dinge. "Wir schneiden zwar Bäume um, aber das ist nicht das Ende des Waldes", sagt er. Der Einschnitt ist auch eine Chance für einen Neuanfang. Statt der Monokulturen an Fichten oder Eschen pflanzen die Förster verschiedene Baumarten an, damit für die nächste Generation ein möglichst diverser und gesunder Mischwald erwachsen kann. In Aschheim etwa, wo ein großer Teil des Eschenbestands Anfang 2016 gefällt wurde, sprießen heute bereits junge Setzlinge. "Das werden wir in den nächsten Jahren pflegen", sagt Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU), selbst gelernter Gartenbauer. Es werden mehr Bäume nachgepflanzt als Platz ist, so können sich die stärksten durchsetzen, wie in der Natur. Auch die Bürger, die sehr um ihren Gemeindewald getrauert haben, sind inzwischen ein wenig versöhnt.

Natürlich: Bis die jungen Bäume die Höhe und Masse ihrer Vorgänger erreicht haben, werden 20, vielleicht 30 Jahre vergeben. Dennoch schaut Förster Matuschek optimistisch auf die Entwicklung. Die Vielfalt durch die Neupflanzungen wird den Wald beständiger machen gegen künftige Schädlinge. Überhaupt, sagt auch Glashauser, wisse sich die Natur schon zu helfen. "Der Mensch denkt nur eben in anderen Zeiträumen als die Natur. Sonst wäre das alles ja kein Problem."

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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