Ausblick 2018:Autostadt Unterschleißheim

Ausblick 2018: Hände nicht am Steuer, entspannt zurückgelehnt, die Software regelt das Überholmanöver. So sieht autonomes Fahren aus.

Hände nicht am Steuer, entspannt zurückgelehnt, die Software regelt das Überholmanöver. So sieht autonomes Fahren aus.

(Foto: BMW)

Im neuen Forschungs- und Entwicklungszentrum von BMW hat die Arbeit begonnen. Mehr als 2000 Softwarespezialisten und Ingenieure tüfteln dort bald an selbstfahrenden E-Autos

Von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Die technische Revolution ist bereits in vollem Gange, künstliche Intelligenz wird an vielen Stellen des menschlichen Alltags das Steuer übernehmen, auch im Auto. BMW beispielsweise plant, im Jahr 2021 sein Modell iNext auf den Markt zu bringen, ein autonom fahrendes Auto, elektrisch und voll vernetzt. Um dieses Ziel zu erreichen, baut BMW einen Standort in Unterschleißheim im Business Campus auf. Mehr als 2000 Softwareentwickler und Mitarbeiter sollen dort am Auto der Zukunft arbeiten.

Die Kräfte bündeln, Programme schreiben und die neue Software in den Fahrzeugen gleich ausprobieren, in Unterschleißheim ist das kein Problem. Etwa 400 Mitarbeiter sind im September 2017 eingezogen, der nächste Schwung folgt 2018. Stephan Hof, Geschäftsführer des Unterschleißheimer Business Campus, berichtet, BMW habe dort 11 000 Quadratmeter in einem Bestandsgebäude bezogen. Am Ende sollen den Mitarbeitern 47 000 Quadratmeter zur Verfügung stehen, damit wäre BMW der größte Mieter auf dem Gelände, das in einigen Jahren Gebäude mit insgesamt bis zu 200 000 Quadratmetern an Fläche anbieten wird. Das Unternehmen wird nicht nur umgebaute Bestandsflächen nutzen, es ist auch ein Neubau für ein Werkstattgebäude vorgesehen, es soll spätestens 2019 fertig sein. Inzwischen dient eine Leichtbauhalle als Ersatz.

Die Kapazität ist größer als die aller Rechenzentren zusammen

Jochen Frey, bei der BMW-Group Pressesprecher für Personalangelegenheiten, berichtet, in Unterschleißheim würde hauptsächlich die Software für autonomes Fahren entwickelt. Aus diesem Grund befindet sich dort auch ein riesiges Rechenzentrum, "seine Kapazität ist größer als die aller Rechenzentren der BMW-Group zusammen". So ein Roboterfahrzeug müsse Unmengen von Dingen erkennen. Es muss in Echtzeit die Umgebung wahrnehmen und vorausberechnen, wie sich der Verkehr entwickeln wird oder ob ein Fußgänger beispielsweise vor hat, den Zebrastreifen zu überqueren. Es geht um die Frage, was als nächstes passiert, und es müssen Entscheidungen getroffen werden. "Dazu braucht man Big Data und künstliche Intelligenz", sagt Frey.

Die Entwickler können ihre Programme auf einer Kalibrierstrecke auf dem Gelände in Unterschleißheim gleich testen. Sensoren und Rechner im Fahrzeug müssten "einmal lernen, das Bild, das sie wahrnehmen, einzuordnen". Der Mensch habe ja auch vieles durch Erfahrung erst lernen müssen, sagt Frey, beispielsweise Entfernungen einzuschätzen. "Das Fahrzeug muss das auch lernen." In Unterschleißheim könnten die Mitarbeiter das schnell von der Theorie der Computersimulationen in die Praxis umsetzen. "Das Schöne sind die kurzen Wege", sagt Frey, "es ist alles auf einem Campus." Auch die Mitarbeiter der Firmen Intel und ihrer Tochter Mobileye, mit denen BMW für sein Zukunftsgefährt zusammenarbeitet, würden am Business-Campus angesiedelt. In einer Pressemitteilung von BMW heißt es dazu: "Wir vereinen die Vorteile eines Start-ups wie beispielsweise Flexibilität und Schnelligkeit mit denen eines etablierten Unternehmens, also Prozesssicherheit und Industrialisierungskompetenz."

Gemeinsam entwickeln die BMW-Mitarbeiter mit ihren Kooperationspartnern ein Auto, das in der Lage ist, dem Fahrer vieles abzunehmen. Doch der Konzern will mit seinem Modell nicht den Fahrspaß verhindern. Im iNext ist nach wie vor vorgesehen, dass der Fahrer das Steuer übernimmt, wenn er es möchte, etwa um die Kurven einer Bergstraße auszukosten. Aber in nervigen Staus könnte er sich zurücklehnen und sich anderen Dingen widmen.

Die Arbeitsform in Unterschleißheim unterscheidet sich wesentlich von denen anderswo

Das Zukunftsauto revolutioniert aber nicht nur den Verkehr, sondern auch die Arbeitswelt. Die Arbeitsformen in Unterschleißheim würden sich wesentlich von den üblichen Arbeitsformen bei BMW unterscheiden, sagt Frey. In besagter Pressemitteilung ist von "kleinen Fachteams, die wie Schnellboote agieren" die Rede, um die neue Form der Zusammenarbeit zu beschreiben. Frey spricht von Scrum-Teams, also kleinen selbstständigen Einheiten ohne Hierarchien. "Die Software-Entwickler sind die Speerspitze des Wandels, wie zusammengearbeitet wird", sagt er. Es gebe lediglich einen Scrum-Master, der das Team organisatorisch leite, "der ist aber nicht unbedingt der Chef von den Leuten". Getestet werden die Fahrzeuge übrigens im städtischen Umfeld, auch in München und im Umland. Weil wegen der neuen Generation an Elektrofahrzeugen die Testfahrstrecken in Aschheim, nahe dem Speichersee, sowie in Frankreich und Schweden nicht mehr ausreichen, soll eine weitere Strecke in Tschechien gebaut werden. Der iNext selbst wird dann von 2021 an in Dingolfing vom Band laufen. Das wird aber noch nicht das Ende der Entwicklung sein. Pressesprecher Frey beschreibt den Entwicklungsprozess in Stufen. "In der allerhöchsten Stufe muss gar kein Fahrer mehr drinsitzen."

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