Ausbaupläne:In Pullach braut sich eine explosive Mischung zusammen

Die Chemiewerk-Gegner haben die Unterschriften für einen Bürgerentscheid zusammen, Rathauschefin Tausendfreund wirft ihnen Fehlinformation vor

Von Michael Morosow, Pullach

Die Gemeinde Pullach steuert auf das zweite Bürgerbegehren in ihrer Geschichte zu. Am Freitag überreichte Christian Boeck, Sprecher der Bürgerinitiative "Haselmaus" und des kürzlich gegründeten Vereins "Schutz des Isartals", an Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) 770 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Ausbaupläne des Chemiekonzerns United Initiators. Das notwendige Quorum von 700 ist damit vorbehaltlich einer Prüfung der Unterschriften erreicht. Gleichzeitig verstärkt die Gemeinde ihre Bemühungen, den Ängsten in der Bevölkerung aktiv entgegenzutreten.

Dazu hat sie für Mittwoch, 28. Juli, 19 Uhr, eine Informationsveranstaltung im Bürgerhaus anberaumt. Tausendfreund hat außerdem in ihrem wöchentlich im Isaranzeiger erscheinenden Bürgerbrief die Leser darauf eingestimmt. Darin hält sie Boeck und seinen Mitstreitern vor, sich weiterhin mehrfach widerlegter falscher Behauptungen zu bedienen, und sie verkneift sich nicht einen Seitenhieb gegen eine Minderheit im Gemeinderat, die in der Juni-Sitzung für eine Unterbrechung des Verfahrens gestimmt hatte. "Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Pullach alle rechtlich zur Verfügung stehenden sowie baurechtlichen und planungsrechtlichen Maßnahmen ergreift, um eine (weitere) Expansion der Chemiefirma (Peroxid) United Initiators in Pullach zu verhindern?" So lautet die Fragestellung des Bürgerbegehrens, das Alexandra von Reitzenstein, Kathrin Vögl, Walter Viktor Adolph und Christian Boeck auf den Weg bringen wollen. In ihrer Begründung heißt es unter anderem, dass die Gemeinde mit einer Ausweitung des Flächennutzungsplans und einem vergrößerten Bebauungsplan die rechtlichen Grundlagen zur Vergrößerung des Chemiewerks schaffen wolle, was die Basis für zukünftige massive Produktionsausweitungen sei, wodurch sich "sowohl die erschreckende Umweltbilanz, wie auch die entsprechende Gesundheitsbelastung" aller Pullacher weiter verschlechtern würde.

Bürgermeisterin Tausendfreund hat zuletzt schon mehrmals den meisten Darstellungen der Bürgerinitiative widersprochen, in ihrem Bürgerbrief tut sie das in ungewohnt deutlicher Weise. "Fest steht, dass zumindest mit einigen der getroffenen Aussagen Bürgerinnen und Bürger in die Irre geführt werden, um ihre Unterschriften zu erhalten. An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, ob hier eher persönliche Interessen als ernsthafte Sorgen im Vordergrund stehen? Natürlich bleiben diese falschen Informationen als diverse Schreckgespenster hängen. Denn das Projekt ist äußerst komplex", schreibt die Rathauschefin. Einige Bürgerinnen und Bürger befürchteten auf der Basis kursierender Fehlinformationen unter anderem eine Baurechtsmehrung für United Initiators mit diversen negativen Konsequenzen. "Das ist nicht der Fall", schreibt Tausendfreund weiter.

Dennoch nehme sie deren Bedenken sehr ernst. Dass offenbar noch Informationslücken bestünden über den Ablauf des Bauleitplanverfahrens und die Bedingungen, die die Gemeinde an das Verfahren und das Unternehmen stelle, habe sicherlich auch an den erschwerten Rahmenbedingungen durch Corona gelegen, die unter anderem die Absage der Bürgerversammlung im Herbst 2020 zur Folge gehabt habe, auf der schwerpunktmäßig das Projekt hätte behandelt werden sollen. So sei Raum für Verunsicherung und Ängste entstanden. Daher werde die Gemeinde jetzt, da es die Pandemielage wieder zulasse, zu einer Informationsveranstaltung am 28. Juli einladen - während der Phase der öffentlichen Auslegung.

Einen Nachhall im Bürgerbrief von Susanne Tausendfreund findet auch das Abstimmungsverhalten des Gemeinderats in dessen Juni-Sitzung, als die Neuaufstellung zweier Bebauungspläne und die erste Änderung des Flächennutzungsplanes auf der Tagesordnung stand und über die Fortsetzung des Verfahrens entschieden wurde. Die Zustimmung fiel nicht einstimmig aus. "Obwohl sich an der Faktenlage des Projekts nur kleine Details verändert haben, wollten CSU, FDP und Teile der WIP-Fraktion plötzlich eine Unterbrechung des Verfahrens und das, obwohl im Rahmen der öffentlichen Auslegung erneut Anregungen und Bedenken eingereicht werden können", so Tausendfreund.

Doch schert Tausendfreund die Abweichler im Gremium und die "zurecht verunsicherten Bürgerinnen und Bürger" nicht über einen Kamm: "Der große Unterschied liegt darin, dass sich der Gemeinderat seit eineinhalb Jahren intensiv mit der Materie beschäftigt und das Projekt bis ins Detail begleitet, durchleuchtet und mitgestaltet. Jede und jeder im Gremium weiß bestens Bescheid über die Fakten und über in den Raum gestellte Falschinformationen, über das was innerhalb eines Bauleitplanverfahrens geregelt werden kann - und was nicht. Und doch kam es plötzlich zu einer Kehrtwende in der Abstimmung." Sie, die Verwaltung und ein Großteil des Gemeinderats wollten keinen Stillstand. "Den Stillstand hingegen, den wollen bekanntlich oft genau diejenigen erzeugen, die ihn in der Retrospektive dann beklagen und für ihre eigene Argumentation nutzen", schreibt die Bürgermeisterin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: