Aufführung in Taufkirchen:Fragile Lebenslust

Aufführung in Taufkirchen: Das Berlin der Zwanzigerjahre ist mondän, verrucht, verwegen. Die Show "Glanz auf dem Vulkan", die am Wochenende in Taufkirchen gezeigt worden ist, entführt den Zuschauer in diese vergangenen Zeiten.

Das Berlin der Zwanzigerjahre ist mondän, verrucht, verwegen. Die Show "Glanz auf dem Vulkan", die am Wochenende in Taufkirchen gezeigt worden ist, entführt den Zuschauer in diese vergangenen Zeiten.

(Foto: Claus Schunk)

In Evi Niessners Zwanzigerjahre-Revue "Glanz auf dem Vulkan" schwanken die Frauen zwischen Emanzipation und Eskapismus

Von Christina Hertel, Taufkirchen

Berlin, 1927, eine Stadt, in der bei Nacht alles erlaubt ist, wo in dunklen Spelunken Lebedamen und Dandys aufeinander treffen, um tanzend vor dem Morgen zu flüchten. Dorthin wollte Evi Niessner am Samstagabend ihr Publikum mit ihrer Show "Glanz auf dem Vulkan" entführen. Vom Taufkirchner Kulturzentrum, in dem es in der Pause Wiener Würstchen zu Essen gibt, ins frivole, lasterhafte Berlin, also. Keine leichte Aufgabe. Doch als die Lichter im Saal ausgehen und Niessner mit ihrer dunklen, verrucht klingenden Stimme das Publikum in der "World of Weimar" willkommen heißt, schafft es das Ensemble, den Alltag für ein paar Stunden vergessen zu lassen.

Die Show, eine Mischung aus Musik, Akrobatik und Tanz, sollte nicht nur eine Reise in rauschhafte Jahre zwischen zwei Kriegen werden, sondern auch eine "Liebeserklärung an die moderne Frau" sein, die mit Bubikopf, Zigarettenspitze und Fransenkleid daher kam, die kurz zuvor das Wahlrecht erstritten hatte und die sich nicht mehr länger brav hinter dem Herd platzieren lassen wollte. So konnte man vor der Vorstellung im Programmheft lesen. Auf der Bühne sieht man dann verschiedene Frauenfiguren, die alle das Spiel von Verhüllung und Verführung beherrschen: Da ist Claire, die Tollkühne, die mit dem Motorrad die Welt umrundet. Mitzi, die gerne ein großer Glanz wäre. Isadora, die im Untergrund um ihre Seele tanzt. Und vor allem ist da, über allem schwebend, alles orchestrierend: Madame Glanz im Paillettenkleid, Evi Niessner, die die Show konzipiert, Regie geführt, komponiert, Bühnenbild und Kostüme gestaltet hat und an der Seite ihres Mannes Mr. Leu auf der Bühne singt und schauspielert.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten habe sie die Vision einer solchen Show gehabt, sagt Niessner, die seit Ende Dezember damit nun durch Deutschland tourt und Ende Januar in Unterschleißheim auftritt. Tatsächlich spürt man, dass sie viel Liebe ins Detail gesteckt hat. Da sind zum Beispiel viele Anspielungen, die die Show wohl von anderen Zwanziger-Revues, bei denen es bloß ums Charlestontanzen geht, unterscheiden: Auf die Tänzerin Isadora Duncan etwa, die barfuß und ohne Korsett auftrat und das Ballett revolutionierte. Oder auf das von der Schriftstellerin Irmgard Keun erdachte "kunstseidene Mädchen", das gerne eine Berühmtheit wäre, aber viel Zeit damit verbringt, mit wohlhabenden Männern Champagner zu trinken. Letztlich will Evi Niessner wohl zeigen, was Frauen nun alles sein dürfen: ambitioniert, emanzipiert, verträumt, verwegen, verführerisch. Gleichzeitig macht sie deutlich, wie brüchig und fragil die Lebenslust der Zwanzigerjahre war. Denn es gibt zwischen viel nackter Haut einige melancholische Momente - zum Beispiel, wenn Evi Niessner danach fragt, ob man sich des eigenen Endes nicht bewusst sein muss, um das Leben voll auszukosten. Vielleicht sind es am Ende - von Eskapismus bis Emanzipation, von Sünde bis Todessehnsucht - sogar zu viele Themen und Ideen, die sie anschneidet, als dass man sich gänzlich fallen lassen kann. Kurzweilig ist der Abend so allerdings in jedem Fall.

Die Show "Glanz auf dem Vulkan" wird am Sonntag, 26. Januar, im Forum Unterschleißheim aufgeführt. Beginn ist um 18 Uhr.

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