Süddeutsche Zeitung

Aschheimer Schlachthofpläne:Fleischers Lust und Volkes Frust

Binnen weniger Tage sammeln Gegner des geplanten Schlachthofs in Aschheim mehr als 1600 Unterschriften - weit mehr als für einen Bürgerentscheid nötig. CSU und SPD reagieren nun mit einem Ratsbegehren.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Wie sehr die mögliche Ansiedlung eines Schlachthofs im Gewerbegebiet die Gemüter erregt, ist in Aschheim derzeit allerorten zu spüren. Auch in der Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend, die das Thema wieder auf der Tagesordnung führte, drängten sich die Zuschauer bis auf den Gang hinaus. Bereits zwei Stunden zuvor hatte sich ein Dutzend Bürger vor dem Rathaus versammelt, um Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) ein Bürgerbegehren gegen das Unterfangen zu überreichen - 1663 Unterschriften hatten die Schlachthofgegner nach eigener Aussage binnen gerade einmal fünf Tagen gesammelt.

Damit ist eine zentrale Bedingung dafür erfüllt, dass am Ende die Bürger über das umstrittene Projekt entscheiden können: Wenn das Begehren der formellen Prüfung durch die Verwaltung standhält, muss sich der Gemeinderat innerhalb eines Monats damit befassen. Voraussichtlich in der Sitzung am 14. Juli haben die Gemeinderäte darüber zu befinden, ob ein Bürgerentscheid zu dem Fleischhandelszentrum stattfinden wird, und wenn ja, wann. "Ich bin begeistert, wie schnell wir die Unterschriften zusammenbekommen haben", sagt Sabine Maier, die gemeinsam mit Bernhard Goldemund und Freie-Wähler-Fraktionssprecher Robert Ertl als Vertreterin des Begehrens auftritt.

Ein Ziel haben die Initiatoren des Bürgerbegehrens schon erreicht: Die Gemeinde hat ihre Vorbereitungen für den Bau des Schlachthofs erst einmal auf Eis gelegt. Der nächste Schritt, die Änderung der gut elf Hektar Fläche gegenüber dem Möbelhaus XXXLutz von Gewerbegebiet in Sondergebiet, die Voraussetzung für den Bau wäre, und die entsprechende Änderung des Flächennutzungsplanes wurden am Donnerstag von der Tagesordnung abgesetzt. Dafür hatten sich auch CSU und SPD eingesetzt. Beide Fraktionen, die die Ansiedlung bisher geschlossen unterstützen, beantragten, die Kommune solle ihrerseits mit einem Ratsbegehren die Bürger beteiligen. "Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Bürger sehr irritiert waren und dass es viele Ängste gibt", erklärte Ingrid Lenz-Aktas, stellvertretende Fraktionssprecherin der SPD. Darum wollen die Kommunalpolitiker nun, nach gut einem Jahr nicht-öffentlicher Verhandlungen mit dem Investor, eine transparente öffentliche Debatte anstrengen - und am Ende die Bürgerschaft entscheiden lassen. Auch diesen Antrag muss der Gemeinderat in seiner kommenden Sitzung zunächst annehmen; dann kann es möglicherweise zu einem gemeinsamen Abstimmungstermin kommen.

Der Bürgerentscheid muss laut Gemeindeordnung üblicherweise innerhalb von drei Monaten nach Entschluss über dessen Zulässigkeit abgehalten werden. Ein Termin könnte also auf die Zeit nach den Sommerferien fallen. Bis dahin haben die Befürworter des Projekts viel Überzeugungsarbeit zu leisten: Die Zweifel an dem von der Gemeinde befürworteten Fleischhandelszentrum sind durchaus groß, wie die Zahl der Unterschriften, aber auch die rege Diskussion in den Nachbarkommunen zeigt. Gegner des Projekts fürchten Lärm, Verkehr und Gestank, zudem zweifeln sie die Rentabilität des Schlachthofs an. Bürgermeister Glashauser hatte von einem erwarteten Umsatz von jährlich 250 Millionen Euro gesprochen. Der Aussage, mittelständische Metzgereien vom Münchner Schlachthof würden nach Aschheim ziehen, trauen manche nicht.

Misstrauen weckt bei einigen Anwohnern zudem der Investor Opus Munich GmbH und Co. KG, der als Bauherr für den Schlachthof auftritt. Die Kommanditgesellschaft hat ihren Sitz dem Handelsregister zufolge im nordrhein-westfälischen Stadtlohn; wer dahinter steht, ist jedoch recht undurchsichtig. Als persönlich haftender Gesellschafter der KG ist die Oppenheim & Co. Real Estate GmbH mit Sitz ebenfalls in Stadtlohn aufgeführt. Die Firma befasst sich unter anderem mit dem "Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken", der "Erstellung und Projektierung von Hochbauten", dem "Verkauf von Geschäfts-, Industrie- und Wohnobjekten". Als Geschäftsführer eingetragen ist neben Albert Oppenheim, Fleischgroßhändler aus Stadtlohn, der britische Geschäftsmann John Roland Pickstock. Die Pickstock-Gruppe wiederum ist eine internationale Immobilien- und Nahrungsmittelunternehmensgruppe mit Hauptsitz in Großbritannien. Als Gesellschafter mit beschränkter Haftung tritt zudem die in Luxemburg registrierte Opus Munich Financing S.à.r.l. auf.

Ob der Investor sich und seine Pläne womöglich selbst der Aschheimer Öffentlichkeit vorstellen wird, ist derzeit nicht klar. Für eine gemeinsame Informationsveranstaltung, die Glashauser in Aussicht gestellt hatte, gibt es noch keinen Termin.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3039049
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.06.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.