Aschheimer Rathausstreit:Emotionaler Wert

Lesezeit: 2 min

Grüne und Freie Wähler wollen das 100 Jahre alte Rathaus erhalten. Andere fordern den Abriss.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Bleibt das alte Rathaus in Aschheim doch erhalten? Oder ersetzt die Kommune das Gebäude durch einen modernen Neubau? Darüber müssen in den kommenden Wochen die Mitglieder des Gemeinderats zu einem Konsens finden. Vor drei Jahren waren bei einer Untersuchung erhebliche Mängel an der Statik und am Brandschutz des Altbaus entdeckt worden. Die Verwaltung musste deshalb ausziehen und arbeitet seither von einem Bürogebäude in der Saturnstraße aus.

Eigentlich war die Entscheidung bereits gefallen. 2019 hat der Gemeinderat nach langer Debatte einstimmig beschlossen, das gut 100 Jahre alte Rathaus an der Ismaninger Straße im Ortszentrum, das einst als Schulhaus diente, abzureißen und einen Neubau zu errichten, der sich zusätzlich über das angrenzende Sauter-Grundstück erstreckt. Dann aber kam die Kommunalwahl 2020; seitdem herrschen andere Mehrheitsverhältnisse. Die Freien Wähler sind nun mit sieben Vertretern im Gemeinderat, die CSU kommt mit Bürgermeister Thomas Glashauser auf acht Stimmen, die Grünen kamen bei ihrer ersten Wahlteilnahme gleich auf vier. Zwei Sitze hat die SPD inne. Grüne und Freie Wähler verfügen über eine Mehrheit.

Auch der Altbürgermeister macht sich fürs alte Rathauses stark

Beide Gruppierungen hatten im Wahlkampf damit geworben, das Rathaus erhalten zu wollen, wofür sich auch Altbürgermeister Helmut Englmann (CSU) stark macht. Auf ihr Bestreben hin hat die Gemeinde ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten einer Instandsetzung ausloten sollte. Am Samstag stellte Karl-Heinz Voggenreiter vom gleichnamigen Ingenieurbüro seine Ergebnisse dem Gremium und gut 20 Zuhörern im Feststadl vor.

Der Sachverständige hat mit seinem Team zwei Varianten untersucht und kommt zu dem Schluss, dass eine Instandsetzung des Altbaus möglich wäre. Voggenreuter schätzt die Kosten grob auf 1,95 Millionen Euro; diese Variante beinhaltet jedoch weder eine energetische Sanierung noch einen Aufzug, auch die Elektronik würde lediglich ausgebessert. Das Alte Rathaus bliebe so zwar in seiner Optik erhalten, wäre aber nur sehr eingeschränkt nutzbar, da es nicht in allen Stockwerken barrierefrei zugänglich wäre und nur wenige Mitarbeiterbüros nach heutigem Standard im Gebäude verbleiben.

Eine Modernisierung des Altbaus käme die Gemeinde nach Voggenreiters Schätzung etwa 1,5 Millionen Euro teurer, würde aber mehr Arbeitsplätze erhalten und Barrierefreiheit herstellen. In beiden Fällen wäre freilich ein zusätzlicher Neubau nötig, damit die Verwaltung des stetig wachsenden Ortes auch in einigen Jahren genug Platz hat; Voggenreiter veranschlagt diesen pauschal mit 7,7 Millionen Euro. Die dritte Variante, einen Ersatzneubau, nahm Voggenreuter als Kostengrobschätzung mit in seinen Vortrag auf. Für einen Abriss plus Ersatzneubau kam der Sachverständige auf einen geschätzten Gesamtpreis, der etwas unter dem der Modernisierung und etwa eine Million Euro über der Instandhaltung mit Neubau liegt.

Die Fraktionen interpretierten die Ergebnisse unterschiedlich. Während sich CSU und SPD für einen Gesamtneubau aussprachen und vor "fehlgeleiteter Nostalgie" warnten, die spätere Generationen teuer zu stehen kommen könnte, betonten Grüne und Freie Wähler den emotionalen Wert des alten Rathauses und den Ressourcenverbrauch bei einem Abriss. Für eine Entscheidung sind weitere Daten unumgänglich, vor allem zu Raumbedarf und Brandschutz.

Geschäftsleiter Christian Schürer appellierte an die Politiker, eine Lösung zu finden, die gleiche Arbeitsbedingungen für die Verwaltungsmitarbeiter schafft. Eine Arbeitsgruppe soll sich dieses Zieles annehmen.

© SZ vom 01.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: